In Auschwitz wurden mindestens 1,1 Millionen meist jüdische Häftlinge ermordet. Foto: dpa

Polizei nimmt im Südwesten drei Personen im Alter von 88 bis 94 Jahren fest. Durchsuchungen bei Mann in Rottweil.

Rottweil/Stuttgart - Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Nazi-Jäger wollen auch knapp 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch ehemalige KZ-Schergen dingfest machen. Jetzt kam es gleich zu mehreren Razzien.

NS-Fahnder haben in mehreren Bundesländern Wohnräume von mutmaßlichen ehemaligen SS-Wachmännern des KZ Auschwitz durchsucht und in Baden-Württemberg drei von ihnen verhaftet. Die drei Männer im Alter von 88 bis 94 Jahren sitzen in Untersuchungshaft, wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt gestern mitteilten.

Die Polizei hatte bereits am Mittwoch im Südwesten, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen die Wohnungen von 14 mutmaßlichen früheren NS-Schergen im Vernichtungslager Auschwitz durchsucht. Darunter waren Wohnräume in Franken, Baden, im Rhein-Main-Gebiet und im Kreis Lippe. Die Männer stünden im Verdacht, an der Tötung Deportierter beteiligt gewesen zu sein.

Die Ermittlungen gehen auf die Recherchen der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg zurück, erklärte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gestern. Die Zentralstelle hatte im November entsprechende Fälle an Anklagebehörden in mehreren Bundesländer abgegeben.

Fünf Beschuldigte äußern sich nicht

In Auschwitz, dem größten der nationalsozialistischen Todeslager, wurden mindestens 1,1 Millionen meist jüdische Häftlinge ermordet. Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, sagte in Jerusalem: "Das hohe Alter der Verbrecher darf eine strafrechtliche Verfolgung nicht verhindern." Die Verbrecher hätten kein Mitleid verdient.

Im Südwesten richten sich die Ermittlungen gegen sechs Männer im Alter von 88 bis 94 Jahren. In den Wohnungen in den Kreisen Rottweil, Freiburg, Rhein-Neckar, Ludwigsburg, Enz und Karlsruhe seien diverse Unterlagen sichergestellt worden. Fünf der Personen äußerten sich nicht zu den Vorwürfen.

Ein aus dem Enzkreis stammender 88-Jähriger erklärte, in Auschwitz gewesen zu sein. Eine Beteiligung an der Tötung von KZ-Insassen habe er bestritten, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Der Mann wurde zusammen mit dem 92-Jährigen aus dem Rhein-Neckar-Kreis sowie dem 94-Jährigen aus dem Raum Ludwigsburg in das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg eingeliefert.

Im Kreis Rottweil rückten am Mittwochvormittag das Landeskriminalamt (LKA) und örtliche Einsatzkräfte bei einem 94-Jährigen zur Wohnungsdurchsuchung an und beschlagnahmten Unterlagen. Diese müssen nun ausgewertet werden und sollen weiter Aufschluss geben, ob und in welchem Maß der 94-Jährige an den Verbrechen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau beteiligt war.

Mann aus Rottweil bleibt auf freiem Fuß

Genau dieser Nachweis sei schwierig, sagt Claudia Krauth von der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Stuttgart. Der Vorwurf, dass der Beschuldigte als SS-Mitglied in Auschwitz war, reiche nicht aus. Es müsse bewiesen werden, dass der 94-Jährige in verantwortlicher Position einen Beitrag zu den Morden im KZ geleistet hat. "Das Einzige, was hier strafrechtlich verfolgt werden kann, ist Beihilfe zum Mord", so Krauth. Während drei der insgesamt sechs Tatverdächtigen aus Baden-Württemberg verhaftet wurden, blieb der Mann aus dem Kreis Rottweil auf freiem Fuß. Für eine Festnahme habe in seinem Fall der Tatverdacht nicht ausgereicht.

Der 94-Jährige hat vor Ort keine Angaben zu den Vorwürfen gemacht, erklärt LKA-Sprecherin Inka Buckmiller. Zu Einzelheiten des Einsatzes und den näheren Lebensumständen des Mannes wollte sie keine Angaben machen. Pressestaatsanwaltin Krauth erklärt, dass man die weiteren Ermittlungen nun mit aller Sorgfalt führe, sich aber "angesichts des hohen Alters der Beschuldigten nicht zu viel Zeit lassen" dürfe.

Ende vergangenen Jahres hatte die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg die umfangreichen Vorermittlungen abgeschlossen und die entsprechenden Akten der jeweiligen Staatsanwaltschaft übergeben. Insgesamt werden 30 Männer und Frauen beschuldigt, davon sechs aus Baden-Württemberg.