Kanonen aus der Erbschaft Seemanns. Foto: Stadt Rottweil

Peter Seemanns Schenkung zurückgeben? Mehr als 1000 Waffen. Verpflichtungen durch Erbe. Mit Kommentar

Rottweil - Das nennt man eine Kehrtwende: Die Stadtverwaltung will die umfangreiche Waffensammlung von Peter Seemann nun doch nicht. Die Gründe: zu teuer, kaum Bezug zu Rottweil. Sie will das Erbe an die Familie zurückgeben. Der Gemeinderat entscheidet in der Sitzung am Mittwoch.

Mehr als 1000 Waffen

Wer einmal gesehen hat, was Peter Seemann über die Jahre alles an historischen Waffen gesammelt und mitten in der historischen Stadt gebunkert hat, dem verschlug es die Sprache. Die Sammlung umfasst mehr als 1000 Gewehre, Hieb- und Stichwaffen sowie Kanonen. Ein Schatz von unfassbarem Wert – das war der erste Eindruck.

Mit seinem Tod im Jahr 2016 vermachte der Rottweiler Waffennarr der Stadt die umfangreiche Sammlung unter der Bedingung, zumindest Teile davon innerhalb von drei Jahren der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die erste Frist endete im vergangenen Jahr, eine zweite geht im September kommenden Jahres zu Ende. Egal, die Stadt konnte sich glücklich schätzen. Konnte sie wirklich?

Verpflichtungen aus Erbe nachkommen

Der Bruder des Verstorbenen, Walter Seemann, machte immer wieder deutlich, wie wichtig es ihm sei, dass die Stadt ihrer Verpflichtung aus dem Erbe nachkomme. Ansonsten werde er die Schenkung zurückfordern, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Nun bekommt er sie womöglich vor die Füße geknallt.

Vor zweieinhalb Jahren noch war die Marschroute innerhalb der Stadtverwaltung eine andere. Marco Schaffert, Fachbereichsleiter Kultur, Jugend und Sport, sagte im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, es handele sich um eine "historisch wertvolle Waffensammlung" eines passionierten Rottweiler Bürgers.

Eine Sammlung mit Eigenarten

Er konnte sich damals vorstellen, die Sammlung in den Kontext der Rottweiler Museumslandschaft einzubinden. Doch auch ihm war klar, dass das nicht einfach werde. Schon damals war Schafferts Worten ein skeptischer Unterton anzumerken. Im Januar 2018 sagte er unserer Zeitung: "Mit der Betreuung der Waffensammlung hat das Kulturamt und das Museum ein ganz neues historisches Spektrum übernommen, das seine rechtlichen und wissenschaftlichen Eigenarten hat." Die Eigenarten sind nun offensichtlich geworden.

Das grundsätzliche Problem war von Anfang an, einen passenden Raum für eine Waffenschau zu finden. Es kam eigentlich nur das Stadtmuseum in Frage. Das jedoch war marode und wartete schon seit Jahrzehnten darauf, saniert zu werden.

Kein passender Platz

Zudem wurden schon damals Stimmen laut, die fragten, ob es sich denn für Rottweil schicke, gerade Waffen zu präsentieren. Einen passenden Platz jedenfalls konnte die Stadt nicht vorhalten. Zumal die Überlegungen, wo die Seemannsche Sammlung präsentiert werden könnte (man müsste sie umfangreich sichern), auf die Suche nach einem möglicherweise neuen Platz für ein Stadtmuseum traf. Inzwischen ist die Sammlung kritisch beäugt und inventarisiert worden. Wie die Stadtverwaltung in der Vorlage zur Gemeinderatssitzung schreibt, hätten ein sachkundiger Experte und eine städtische Mitarbeiterin im April 2017 mit der Inventarisierung begonnen. Die Schusswaffen wurden aufgenommen, gereinigt, vermessen, gewogen, fotografiert und beschrieben. Der Wert könne jedoch nicht beziffert werden.

Aus kulturhistorischer Sicht erscheint die Waffensammlung (die Exponate stammen aus 34 Herstellerländern, eingesetzt wurden sie wiederum in anderen Ländern) inzwischen weniger interessant für die Stadtverwaltung. Fehlende inhaltliche Bezüge zu Rottweil sowie mögliche Themen für künftige Ausstellungen seien dem Gemeinderat demnach bereits in einer nicht-öffentlichen Sitzung im Juni dargelegt worden.

Die Verwaltung verweist auf weitere Folgen: Festlegung des (neuen) Stadtmuseums auf einen Schwerpunkt "Waffen", Notwendigkeit eines neuen Depots mit entsprechender Sicherung und umfangreiche Sicherungsmaßnahmen der Ausstellung.

Die jährlichen Kosten liegen bei 26.000 Euro

Die Kosten für Lagerung, Inventarisierung, Bestandserhaltung und Sicherung seit Übernahme der Schenkung belaufen sich Verwaltungsangaben zufolge bislang auf 132 700 Euro. Allein für Lagerung und Pflege sei mit jährlichen Kosten von 26.000 Euro zu rechnen. Hinzu kämen die Aufwendungen für eine Ausstellung.

Daher schlägt die Verwaltung in der Sitzung am Mittwoch in der Stadthalle, Beginn 17 Uhr, vor, die Waffensammlung Peter Seemanns nicht zu behalten, sondern an die Erben zurückzugeben.

Kommentar: Befreiungsschlag

Von Armin Schulz - Man könnte es als Paukenschlag bezeichnen, was die Stadtverwaltung dem Gemeinderat abverlangen will. Rottweil solle auf die Seemannsche Schenkung historischer Waffen besser verzichten, lautet der Wunsch des Rathauses. Fast drei Jahre war davon auszugehen, dass die umfangreiche Waffensammlung des verstorbenen Peter Seemann demnächst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Das Interesse wäre sicher groß gewesen. Waffen ziehen das Publikum mehr an als Gemälde verstorbener Künstler. Doch das Erbe wiegt offensichtlich zu schwer. Die Gewehre, Pistolen, Messer und Kanonen sind demnach nicht so interessant und für die Geschichte der Stadt nicht so wichtig, als dass sie ein weitaus bedeutenderes Thema dominieren sollten: Bau eines neuen Stadtmuseums. Es ist daher weniger ein Pauken-, eher ein Befreiungsschlag.