Internationales Flair kann man auch mal zeigen, wie das Ensemble »Blechschaden« in der Alten Stallhalle beweist. Foto: Schnekenburger

Ensemble "Blechschaden" hat auch 30 Jahre nach Gründung keine Berührungsängste. Jazzfest-Premiere.

Rottweil - "Neues Spiel, neues Glück" – den Spruch kann man beim 27. Rottweiler Jazzfest bislang wörtlich nehmen: Am Samstagabend gastierte das Ensemble "Blechschaden" in der Alten Stallhalle. Das wollten sich viele Musikfans auch aus der weiteren Region nicht entgehen lassen.

Dass der Auftritt auf Rottweiler Seite ein lange gehegter Wunsch war, wie Jazzfest-Vereinsvorsitzender Simon Busch erklärte, verwundert nicht. Immerhin ist das Ensemble aus Blechbläsern der Münchner Philharmoniker ein bisschen Jazzfest total an einem Abend: keine stilistischen Berührungsängste, viel Spielfreude, feine Musik – und eine herrliche Show.

Für letztere zuständig ist Bob Ross, musikalischer Leiter, Zeremonienmeister und Conférencier in einer Person, ein Musiker, der gerne mit seiner Herkunft kokettiert und das Gros der Arrangements bei den Brass Bands der Bergwerker entstanden sei, zu denen er und seine Vorfahren auch selbst gehörten. Praktisch: Bei seiner Körpergröße habe er sich in den Stollen aufrecht bewegen können...

So klingt der Ton, den der Schotte, ein "Lowlander", wie er selbst betont, doch noch weit genug weg von "diesem Land südlich von Schottland, dessen Namen wir nicht nennen", anschlägt. Und natürlich hat auch besagtes Land etwas mit dem Programm zu tun: Georg Friedrich Händel ist dort zu Ehren gekommen. Nicht zuletzt mit Musik, die für virtuose Blechbläser bestens geeignet ist, wie "Blechschaden" alsbald beweisen sollte. Doch es gibt noch andere Felder, auf denen sich grasen lässt. Natürlich bei den Blues Brothers, deren treibende Musik den Abend eröffnet.

Bei Gershwin bedienen sie sich, machen aus "I Got Rhythm" ein mit Zitaten gespicktes Universalkunstwerk, bei Bach, aus dessen Schlager-Orgeltoccata sie eine schmissige Swing-Nummer machen, bei Schostakowitsch, dort freilich nicht im kammermusikalischen Spätwerk, sondern in der Suite für Jazzorchester, aus der sie, man ahnt es, den Walzer gezogen haben.

Das mag anbiedernd klingen, ist es aber kein bisschen. Denn "Blechschaden" ist ein Virtuosen-Ensemble, das mit großem Charme die wesentlichen Charakterzüge aus den jeweiligen Musiken herausarbeitet, sich dabei selbst inszeniert – und beeindruckende Ergebnisse hervorbringt. Die Spielarten der Dynamik, die Ross nonchalant dirigiert, sind bemerkenswert. Die Homogenität, mit der das Ensemble auch feine Bewegungen zum Erlebnis macht, nicht minder.

Das alles ist eingebettet in ein launiges Raster, das dazu beiträgt, dem konzentrierten Hinhören Raum zur Entspannung zu geben. Weder das eine noch das andere wird in Frage gestellt. Bob Ross macht beides mit derselben Selbstverständlichkeit. Und er gibt auch dem Publikum die Marschrichtung vor: Ein "interaktives Konzert" sei der Abend im Stall, das Publikum werde gefordert. Deshalb will er auch mehrfach Saallicht haben. Das Publikum, der Abend war sehr gut besucht, macht mit, posiert für die Erinnerungsfotos, wirft wunschgemäß ab und zu ein "unglaublich" ein. Dabei ist es gar nicht so sehr unglaublich, dass alle aus der Blasmusik kommen und angeblich keiner je in einem Orchester spielen wollte.

Wenn’s nicht stimmt macht das auch nichts. Spätestens beim nächsten Gag Ross wieder einen Nationalitäten-Gag auf Lager. Oder er erzählt aus dem Innenleben eines Blechbläsers, der beispielsweise nie und nimmer glauben mag, dass man mit einer Bassposaune eine akzeptables Solo spielen kann. Kann man. Und es war mehr als akzeptabel. Genauso wie das raumgreifende Schlagzeugsolo, der Ausritt nach Spanien, bei dem Ross vorsichtshalber zum Eineinhalb-Meter-Dirigierstab zurückgreift. Sicherheitsabstand muss sein. Doch nicht zwischen Band und Publikum. Da war der ganze Abend ein "interaktives Konzert.