Auf Spuren des Grabens des Kastells I, in dem zur Zeit der Römer 6000 Mann lebten, stößt das Team an der Tuttlinger Straße. Foto: Siegmeier

Ausgrabungen an der Tuttlinger Straße in Rottweil fördern Funde aus der Römerzeit und dem Mittelalter zutage.

Rottweil - "Diese Scherbe stammt aus der Römerzeit und diese aus dem Mittelalter", erklärt Grabungsleiter Thomas Schlipf. Was für Außenstehende eher aussieht wie eine Scherbe von einem Tonblumentopf – aus der Neuzeit versteht sich – ist für die Archäologen, die derzeit auf zwei Grundstücken an der Tuttlinger Straße tätig sind, ein weiteres Puzzleteilchen des römischen Rottweils Arae Flaviae, oder genauer: der militärischen Vorgeschichte der späteren römischen Stadt.

Überraschungen erwarten die Experten hier nicht, sagt Schlipf, der seit vielen Jahren die Ausgrabungen in Rottweil leitet. Aber dennoch freut er sich, dass bereits nach wenigen Tagen Arbeit des Teams so manches zu Tage gekommen ist. Erst vor wenigen Wochen wurden auf den beiden Grundstücken zwei Gebäude abgebrochen. Es sollen Neubauten folgen. Doch während die Grundstücke abgeräumt sind, ist der Denkmalschutz tätig. Besonders in diesem Gebiet.

"Man kann hier ganz deutlich den inneren und den äußeren Kastellgraben erkennen", zeigt Schlipf und weist dabei auf die dunkler gefärbten Streifen in der Baugrube. Bei dem Kastell handelt es sich um das Kastell I. Das größte in Rottweil. 6000 Mann lebten in dem Legionslager. Vermutlich in Holzbaracken.

"Da ging es wohl ziemlich eng zu, obwohl das Kastell sehr groß war", sagt Schlipf. Das Kastell I erstreckte sich von der Tuttlinger Straße bis zur Ruhe-Christi-Kirche über die Eisenbahnstraße, Hohenberg- und Hoferstraße. Ein weiteres Indiz, beziehungsweise Puzzleteilchen von Arae Flaviae wird derzeit auch auf dem ehemaligen Grundstück der Firma Müller und Beckert in der Kastellstraße freigelegt. Auch hier sind die Ärchäologen tätig. Innerer und äußerer Kastellgraben sind hier ebenfalls zu sehen, erzählt Schlipf. Zudem wurde an der Tuttlinger Straße auch ein Standort eines weiteren Kastellturms freigelegt. Hier gebe es zwar Schätzungen, wie viele dieser Türme es gab, es sei aber immer wieder schön, wenn man dann auch den Beweis für die Theorie finde.

Und was waren das für Menschen, die hier in diesem Kastell lebten? "Man kann diese Legion als schnelle Eingreiftruppe bezeichnen. Die waren super durchtrainiert, schafften einen Fußmarsch von 60 Kilometern pro Tag. Und das mit 30 Kilogramm Gepäck und in voller Montur", erklärt der Experte. Den Menschen, die hier lebten, sei es gut gegangen. Rom habe dafür gesorgt, dass sie mit ordentlichem Essen versorgt wurden, und zur Zerstreuung konnten sie die Badefreuden im benachbarten Legionsbad genießen. Wer hinaus wollte in die Lagerstadt unten am Neckar, wo es Tavernen und dergleichen gegeben haben soll, konnte das Kastell über eines der vier Tore verlassen. "Diese wurden aber streng bewacht und genau kontrolliert", weiß Schlipf.

Aber nicht nur Spuren aus der Römerzeit, sondern auch aus der mittelalterlichen Stadt Rotuvilla, bei der Schlipf aufgrund der Funde früherer Jahre mit exaktem Straßenraster und großzügiger Umwallung von einer geplanten Stadtanlage ausgeht, gibt es auf den beiden Grundstücken. Neue Funde könnten die These untermauern.

Noch ist nicht alles freigelegt. Es kann also noch Überraschungen geben. Gegraben werden soll hier den ganzen April. Ebenso in der Kastellstraße. "Ganz spannend wird es wohl auch auf dem Gelände, wo die Waldorfschule ihr neues Domizil baut", sagt Schlipf und freut sich.