Diskussion: Sozialpolitische Sprecherin der SPD sorgt beim AWO-Kreisverband für einen lebhaften Meinungsaustausch

Fachkräftemangel in der Pflege, zunehmende Altersarmut und steigende Wohnungspreise: Neu sind diese Themen nicht – aber dem AWO Kreisverband Rottweil ein dringendes Anliegen.

Kreis Rottweil. Deshalb hat der Verband zu einem Diskussionsabend mit Sabine Wölfle, sozialpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, eingeladen. "Sozialpolitik neu denken!" ist das Thema des Abends. Das Publikum im Kapuziner hinterfragt gleich mal kritisch, ob die Politik die tatsächlichen Ausmaße des Problems erkannt hat.

Die Veranstaltung findet im Zuge der bundesweiten AWO-Aktionswoche statt und entbehrt nicht eines gewissen Wahlkampfcharakters. Das mag auch dem Termin geschuldet sein, denn die Aktionswoche war im Rest der Republik eigentlich im Mai angesetzt. Vielleicht ist es auch auf dringende Termingründe zurückzuführen, dass sich Vertreter von Stadt und Landratsamt entschuldigt hatten.

Wölfle jedenfalls zeigt sich gut auf die Gesprächsthemen vorbereitet. Während AWO Vorsitzender Hans-Peter Faißt bemängelt, den sozialpolitischen Herausforderungen würde in den Parteiprogrammen zu wenig Beachtung geschenkt, verweist Wölfle auf parteiübergreifend erarbeitete Handlungsempfehlungen zur Pflege. Diese habe der Landtag dem Bund bereits vorgelegt. Und: Pflege sei hauptsächlich Sache des Bundes und nicht der Länder.

Aber auch sie weiß um den Unterschied zwischen der tatsächlichen Situation in örtlichen Pflegeheimen und den teils abstrakten politischen Diskussionen. Schließlich ist Wölfle selbst ehrenamtlich Landesvorsitzende des Arbeiter-Samariter-Bundes, der eigene Einrichtungen betreibt.

Anforderungen nehmen zu

Betroffen zeigt sich die SPD-Politikerin, als ein Pfleger von seiner 74-Jährigen Mitarbeiterin erzählt, der die Rente nicht zum Leben ausreiche. Wölfle sieht einen Zusammenhang zwischen Altersarmut und Pflege. Wichtig sei es, in beiden Bereichen, die Selbstbestimmung älterer Menschen zu achten.

Aus eigener Erfahrung weiß sie allerdings, dass Angehörige da oft anderer Meinung sind. Für diese habe Sicherheit mehr Gewicht als die persönliche Freiheit der Pflegebedürftigen. Steigende rechtliche Anforderungen an die Betreuung älterer Menschen spiegeln sich auch im Arbeitsaufwand wider: Inzwischen müsse mehr Zeit in das Ausfüllen von Formularen als in die Pflege am Menschen investiert werden.

Steigender Arbeitsaufwand, vergleichsweise geringes Gehalt und unzuverlässige Dienstpläne: Die Verweildauer im Pflegeberuf liegt im Schnitt bei nur acht Jahren. Häufig kommt es nicht einmal zum Abschluss der Ausbildung. Besonders die sozialen Berufe haben stark mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen.

Da würde Wölfle gern mit einer Imageverbesserung gegensteuern. Lehrer sollen an Schulen vermehrt auf Ausbildungsberufe hinweisen.

Die Zuhörer im Kapuziner allerdings fragen – auch vor dem Hintergrund der nahenden Bundestagswahl – kritisch nach. "Das was Sie jetzt sagen, habe ich 1986 schon von Kohl gehört", sagt ein Pfleger. Er sei enttäuscht, dass die Politik auf lange bekannte Probleme noch immer keine Antworten gefunden habe. Wölfle zeigt Verständnis, erläutert Lösungsansätze. So richtig will der Optimismus allerdings nicht auf die Zuhörer überspringen.