Oberbürgermeister Ralf Broß überreicht Thomas Perle die Stadtschreiber-Urkunde und als Gastgeschenke den Turm (in Schokolade) sowie den Forum-Kunst-Katalog über das "Affentheater" Foto: Schwarzwälder Bote

Stadtschreiber: Verabschiedung im Zimmertheater / Jugendliche stellen Arbeiten aus Jugendschreibwerkstatt vor

Oberwischau, Nürnberg, Wien, Rottweil, Wien – die Etappen des Stadtschreibers spannen den Bogen zu den Wurzeln von Thomas Perle, wie Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß in der Abschiedsrede sagte.

Rottweil (hf). Thomas Perle habe das dreimonatige Stipendium für private und öffentliche Lesungen in Rottweil genutzt und dabei das Interesse und die Zugewandtheit der Rottweiler Bürger kennen gelernt. Perles Erzählband "Wir gingen, weil wir alle gingen" erschien in der Rottweiler Stadtschreiber-Zeit und habe hier voll "eingeschlagen".

Mit seinem Gastgeschenk an Thomas Perle erinnerte Broß an den Überblick von Rottweils Türmen, die der Stadtschreiber während seines Stipendiums alle bestiegen habe, und überreichte ihm die obligatorische Stadtschreiberurkunde.

Konviktor auf Lebenszeit

Die beiden Konviktsprecher Zacharias Hauswirth und Niklas Böffert bescheinigten Thomas Perle seine weltoffene Art in Geprächen mit den Konviktoren und betrachteten ihn als Teil der "lauten, wilden Konvikt-Familie" – nicht ohne ihn als "Konviktor auf Lebenszeit" zu verabschieden.

Sichtlich bewegt zeigte sich der scheidende Stadtschreiber in seinem Rückblick mit Dankesworten an die Stadt, die ihm zuvor so unbekannt gewesen sei und die er nun in seiner Erinnerung mitnehme. Er habe zwar keinen Rottweil-Roman oder -Krimi geschrieben, aber hier seinem neuen Erzählband den letzten Schliff verpasst. Spontan überreichte Thomas Perle Konviktdirektor Ulrich Fiedler, dessen letzter Stadtschreiber er gewesen sei, sein neues Buch. Und sein Dank ging auch an Christiane Frank, die "Stadtschreibermutter" und an manche Rottweiler, die ihm ihr privates Haus geöffnet und Begegnungen ermöglicht hätten.

Dass Thomas Perle dank Dramaturgie-Studium auch Regie führen kann, bewies er in der Vorstellung der Arbeiten aus der offenen Jugendschreibwerkstatt. Zwischen die Lesungen einzelner Texte durch sieben Teilnehmer fügte Perle eigene Gedanken und Interpretationen hinzu über das große Thema der eigenen Wurzeln.

Die Wurzeln der Herkunft

Mit großer Ernsthaftigkeit und viel Einfühlungsvermögen präsentierten die Jugendlichen in ihren Lesungen Vorstellungen und Gedanken zu den Wurzeln ihrer Herkunft: "Wurzeln als Fluch oder Segen" – letzterer als Zugehörigkeit und Angenommensein in der Familie bei Anne Sanders –, von Reisen und Kofferpacken auf Flucht vor atomarer Verstrahlung im Werk von Marie-Julie Dürr, Abschiebung und Selbstbestimmung im Alter (Franziska Barth), Flucht vor Krankheit oder ihre Akzeptanz (Pia Birkenmaier), stiller Trauer (Annika Finke) bis zu satirischer Karikatur und Erkenntnis: "Sei Du selbst, sei einfach da!" (Robin Hagenbach und Benedikt Seeber).

Thomas Perle zeigte sich beeindruckt, wie stark die Jugendlichen Gesellschaftskritik in Worte fassten. Das Credo der Schreibenden "Ich sein, Selbst sein" werde er mitnehmen aus Rottweil, der Stadt, die sein Sehnsuchtsort geworden sei.