Compañía Maria Serrano interpretiert "Carmen" in Flamenco. Bilderreiche Choreographien begeistern.
Rottweil - Finanzunternehmen statt Zigarettenfabrik, das bis in lautes Knallen gesteigerte Klackern von Schuhsohlen und Absätzen statt großer Arie: Am Samstagabend gönnte sich der Ferienzauber im Kraftwerk einen Schlager der Opernliteratur – allerdings in anderem Gewand. "Carmen" heißt die aktuelle Produktion der Compañía Maria Serrano, die die Handlung von Georges Bizets Oper ins Sevilla von heute verlegt und als Flamenco-Tanztheater interpretiert.
Zur Einstimmung gibt es dramatische Bilder im Saal. Wo in der Oper Sicherheitskräfte gelangweilt rumlümmeln, lässt Serrano die Bilder der Zerschlagung einer Demo mit kaum verhohlener Gewaltfreude durch die Polizeibeamten einspielen. Das Geschehen auf der Leinwand sollte beredt bleiben. Mal als Stimmungsbild und Einordnungshilfe, mal als mythologisch aufgeladener Subtext unterstützen und erklären die Bilder die Geschichte – und den Tanz. Denn der spielt auch bei dieser Produktion die Hauptrolle.
Der Ansatz ist vielversprechend, die Dramaturgie schlüssig, die Compañía bis hin zu den Musikern gut besetzt, der Stoff eingängig. So konnten die Akteure loslegen. Und sie, die Tänzer, taten es zunächst erstaunlich verhalten. Ihre Kunst sollte, so schien es, nicht in den Vordergrund drängen, sondern vielmehr die Geschichte, die dort steht, erzählen. Dafür sprechen auch die bilderreichen Choreographien.
Das eröffnet der Dynamik ein breiteres Spektrum, was "Carmen" denn auch zu nutzen versteht. Der Flamenco von Maria Serrano und ihrer Compañía flüstert – und er schreit, er triumphiert und ist verzweifelt. In zwei großen Solopartien, die des Don José kurz vor, die der Carmen unmittelbar nach der Pause, scheinen sich ganze Leben abzuspielen. In diesen Phasen spielt Bizets Musik, die sonst immer wieder zitiert wird, keine Rolle mehr. Hier entäußern sich die Figuren in eine spannend-komplexe, in feine, doch explosive Bewegung.
