Nicht nur Bund und Land, sondern auch die Kommunen seien gefordert, wenn es beispielsweise um ein barrierefreies Wohnumfeld oder barrierefreien ÖPNV gehe. Kirschner konzentrierte sich auf das Gebiet Arbeit. Menschen mit Behinderung hätten, wie jeder Mensch, Anspruch auf bezahlte Arbeit. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete skizzierte die zwei Bereiche, in denen Menschen mit Handicaps in Arbeit kämen: zum einen die in seinen Augen unverzichtbaren beschützten Werkstätten, zum anderen den ersten Arbeitsmarkt. Ein inklusiver Arbeitsmarkt sei anzustreben. Hier, wie insgesamt beim Thema Inklusion, herrsche ein enormer Nachholbedarf.
Kirschner führt als Beispiel den in vielen Fällen nicht barrierefreien ÖPNV und Bahnverkehr an. Griesser, der während seines Zivildienstes Kontakt mit Menschen mit Behinderung hatte und dabei deren vielfältige Probleme kennenlernte, bekräftigte: "Es ist Zeit, dass auch Menschen mit Behinderung vom wirtschaftlichen Aufschwung in unserem Land profitieren." Für den Kreisvorsitzenden der Jungen Union ist Arbeit ein wesentliches Mittel für Menschen mit Behinderung, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Griesser sieht es auch als wichtigen Schritt an, dass es Menschen mit Behinderung nun per Gesetz leichter gemacht worden sei, zu heiraten.
Aus Sicht von Hubert Nowack sollten die Menschen mit Behinderung wieder mehr ins Dorfleben integriert werden. Der Bundestagskandidat der Grünen mahnte mehr sozialen und damit bezahlbaren behindertengerechten Wohnungsbau an. Am Beispiel seines eigenen Betriebs zeigte der Chef einer Zimmerei auf, dass die Eingliederung von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt differenziert zu sehen ist. Manche Arbeitsplätze seien dafür ungeeignet.
Für Gerhard Aden muss die Definition von Behinderung differenziert betrachtet werden. Der FDP-Landtagsabgeordnete und Kreisrat spricht sich daher für eine individuelle Behindertenpolitik aus, die sich an den je nach Art und Grad der Behinderung sehr unterschiedlichen Bedürfnissen ausrichten müsse.
Laura Halding-Hoppenheit, Bundestagskandidatin der Linken im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen, hieb in die gleiche Kerbe wie ihre Vorredner. Die Stadträtin in Stuttgart fordert die Einstellung von mehr Lehrkräften und besser ausgestatteten Schulen, damit die Inklusion von Schülern in der Praxis auch umgesetzt werden könne. Auch müssten bürokratische Hürden für Menschen mit Behinderung auf ihrem Weg zu einem selbst bestimmten Leben abgebaut werden.
Starker Beifall belohnte die Ausführungen aller fünf Politiker. In der von der Beraterin für Personalentwicklung, Ursula Schullerus, souverän moderierten, lebhaften Diskussionsrunde setzten sich Kirschner, Griesser, Nowack, Aden und Halding-Hoppenheit mit ganz verschiedenen Fragen auseinander: nach den persönlichen Erfahrungen mit Menschen mit Handicaps, nach der Förderung des sozialen Wohnungsbaus, nach der inneren Sicherheit, nach dem Schutz vor sexuellem Missbrauch, nach dem bedingungslosen Grundeinkommen. Eine betroffene Besucherin skizzierte ihr Dilemma. "Ich bin aufgrund meiner Behinderung zu stark für die Werkstatt, aber zu schwach für den ersten Arbeitsmarkt. Was soll ich tun."
Am Schluss waren sich alle einig: Das war eine gute, in gewisser Hinsicht außergewöhnliche Wahlveranstaltung, die den Anliegen der Menschen mit Behinderung gerecht wurde.
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