Möglichst schnell am Einsatzort zu sein, ist das Bestreben der Rettungsdienste. Symbolfoto: Seeger Foto: Schwarzwälder-Bote

Streitpunkt: Wegen Abholung von Zuhause wirken häufig zuerst Notfallsanitäter an vorderster Front

Dass Notfallsanitäter im Kreisgebiet mit ihren Rettungswagen nicht selten deutlich früher als der Notarzt am Einsatzort zur Stelle sind, ist ein altes Lied. Wie schwer wiegt dieses Handicap? Gibt es Handhaben, die komplette Rettungseinheit schneller zu machen?

Kreis Rottweil. Alle Jahre wieder macht die Statistik zu den landesweit registrierten Rettungsdiensteinsatzzeiten die Runde. Das Rottweiler Kreisgebiet bekommt dabei immer wieder überdurchschnittlich gute Noten. Im grünen Bereich befindet man sich aber dennoch nicht. Das liegt daran, dass die Notärzte ab dem späteren Nachmittag sowie an Wochenenden und Feiertagen in Rottweil und Schramberg von zu Hause abgeholt werden müssen. Das kostet teilweise viel Zeit. Zuweilen bleiben bis zu acht Minuten auf der Strecke. So sind am Einsatzort die direkt von den Rettungswachen startenden Notfallsanitäter häufig zunächst auf sich allein gestellt.

Eduard Kehrberger, Sprecher der agswn (Arbeitsgemeinschaft südwestdeutscher Notärzte), spricht sich dafür aus, dass die Zeit, bis der Notarzt ausrückt, die Zwei-Minutenmarke nicht überschreiten sollte. In Hessen gilt eine Ausrückzeit von maximal einer Minute. Um die gesetzlichen Hilfsfristen einhalten zu können, sieht Kehrberger nur noch eine finanzierbare Verbesserungsmöglichkeit: Die Ausrückzeit der Notärzte.

Beim DRK-Landesverband wird immer wieder und seit vielen Jahren betont, dass die Hilfsfrist keinesfalls durch Umwege ausgedehnt werden dürfe. Auch durch richterliche Bewertungen werde dieser Standpunkt ganz klar dargelegt.

Die gesetzlich festgelegte Hilfsfrist, nach der bei 95 Prozent der Einsätze innerhalb von 15 Minuten das Ziel erreicht sein muss, wird laut der Statistik des DRK-Landesverbandes im Kreis Rottweil bei den Rettungswagen erfüllt. Bei 95,7 (2015: 95,8) Prozent der Notruf-Alarme wurde 2016 die Frist eingehalten. Die Notärzte hingegen erreichten nur in 93,2 (2015: 93,5) Prozent der Fälle den Einsatzort in der als angemessen angesehenen Frist. Immerhin eine deutliche Verbesserung gegenüber 2013. Damals lagen nur 91,9 Prozent der Notärztefahrten im vorgeschriebenen Korridor.

Deutlich macht die Statistik auch: Die Rettungswagen haben im Kreis Rottweil die geforderten 95 Prozent immer eingehalten, das Notarzteinsatzfahrzeug aber noch nie.

In Schramberg fahren von Montag bis Freitag tagsüber Institutsnotärzte (Tübinger Institut für Katastrophenmedizin) von der Wache aus. Dies mit sehr guten Ausrückzeiten. Nachts und an Wochenenden sowie Feiertagen fahren die freiwilligen Notärzte aus Schramberg, die alle zu Hause abgeholt werden, mit teilweise erheblichen Verzögerungen.

In Rottweil fährt von 7.30 bis 16.30 der Notarzt vom Krankenhaus aus, neben dem die Rettungswache liegt. "Nachts" (ab 16.30 Uhr) sowie an Wochenenden und Feiertagen sind die freiwilligen Notärzte gefragt, die zu Hause abgeholt werden, was ebenfalls teilweise deutliche Verzögerungen beinhaltet. Insbesondere dann, wenn der Notarzt an einem Ort in der Stadt wohnt, der dem Einsatzort entgegengesetzt ist. In Oberndorf fährt der Notarzt tagsüber ebenfalls vom Krankenhaus aus. Und nachts, an Wochenenden und Feiertagen geht es ohne große Zeitverzögerung direkt an der Rettungswache los. Diese Oberndorfer Praxis scheint vor allem dem Umstand geschuldet zu sein, dass die dortigen Notärzte ihren Wohnsitz nicht an ihrem Dienstort haben.

Im für die Rettungsdienstmodalitäten zuständigen Bereichsausschuss wird das Thema Zeitverzögerung bei Notärzten zwar immer mal thematisiert, angesichts der im Landesvergleich noch recht guten Zahlen für das Kreisgebiet bei den Hilfsfristen (für 2016 Platz fünf bei den Rettungswagen und Platz neun bei den Notarzteinsatzfahrzeugen) zieren sich Vertreter von Kostenträgern (Krankenkassen), Notärzten und das Landratsamt als unmittelbare Rechtsaufsicht seit Jahren, für freiwillige Notärzte eine Residenzpflicht bei den Rettungswachen auszusprechen.

Dass dies eine herbe Brüskierung bewährter Notfallärzteteams im Kreisgebiet bedeuten und sogar deren Bestand gefährden würde, ist nicht nur hinter vorgehaltener Hand zu hören. Beim DRK-Kreisverband gibt es deshalb die Maßgabe, es weiter beim Status quo zu belassen.

Peter Schumacher, DRK-Vizepräsident im Landkreis, der als Ehrenämtler gelegentlich noch selbst Einsatz als Rettungssanitäter zeigt, konstatiert mit Blick auf die oben beschriebene Gemengelage dem Landkreis ein überdurchschnittlich funktionierendes Rettungswesen.

Funktionär und Rettungsdienstler – da würden bei ihm bei der Thema schon zwei Herzen in einer Brust schlagen. Doch der Dunninger Bürgermeister betont auch, dass "mit den gut ausgebildeten Notfallsanitätern Helfer vor Ort sind, die ausgezeichnet wissen, was in den ersten Minuten zu tun ist". Selbst im Worst-Case-Fall sei gute Hilfe bis zum Eintreffen des Notarztes gewährleistet. Für eine Reanimation zum Beispiel gebe es ganz klare Handlungsvorschriften.

Michael Török, hauptamtlicher Rettungssanitäter auf der Wache in Rottweil, gibt in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender zu bedenken, dass laut Gesetz für eine schnelle Notfallrettung verzögernd wirken könnende Eventualitäten möglichst auszuschalten seien. Der Rettungsdienst im Landkreis sei zwar verhältnismäßig gut in Form gebracht, doch verbessern könne man sich bei solchen, möglicherweise lebensrettenden Hilfeleistungen immer. Zumal, wenn in Gestalt der Ärzteabholung von zu Hause eine entscheidende Stellschraube so markant ins Auge steche.