Gebhard Pfaff ist seit 2001 als Notarzt im Bereich Schramberg tätig. Foto: Otto Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Gebhard Pfaff bezieht zur Regelung der Abholung von zu Hause Stellung / System funktioniert

Kreis Rottweil. Es ist ein seit langem schwelender Streitpunkt: Dass sich Notärzte im Landkreis Rottweil bei einem Einsatz zu Hause abholen lassen und somit unter Umständen unnötige Minuten bis zur Ankunft am Einsatzort verstreichen, stößt auf viel Unverständnis. Notarzt Gebhard Pfaff aus Schramberg aber sagt im Interview mit dem Schwarzwälder Boten: Diese Regelung sei wahrlich nicht das Problem, wenn es um die ärztliche Versorgung im Landkreis Rottweil geht.

Herr Pfaff, die drängendste Frage gleich zu Beginn: Weshalb lassen Sie sich bei einem Einsatz zu Hause abholen?

Gebhard Pfaff: Entscheidend ist hier: Der Notarztdienst ist kein Hauptberuf. Ich fahre als Notarzt zusätzlich zu meiner normalen Tätigkeit als Hausarzt. Ich und meine Notarzt-Kollegen müssen das mit der Praxistätigkeit und letztlich auch mit der Familie vereinbaren. Deshalb sind die Möglichkeiten, den Dienstplan zu füllen, so natürlich größer. Notärzte wachsen nicht auf den Bäumen. Und die Abholung von zu Hause wird auch an anderen Standorten praktiziert, zum Beispiel in Horb, in Lahr oder Offenburg. In Schramberg ist diese Regelung aus der Zeit heraus entstanden, als es das Krankenhaus noch gab. Die Ärzte, die auch jetzt noch tätig sind, wurden dann eben direkt im Krankenhaus abgeholt oder an ihrem, meist nicht weit entfernt liegenden, Wohnort. Jetzt haben wir im Kreis sowohl hauptamtliche als auch freiwillige Notärzte. Verschiedene Systeme greifen hier ineinander.

Haben Sie Verständnis dafür, dass das Konstrukt der Abholung an der Haustür Besorgnis und Unmut bei Bürgern – zum Teil auch DRK-intern – hervorruft?

Dazu muss man sagen, dass wir bei den Hilfsfristen von 48 Landkreisen auf Platz vier liegen. Und das trotz der Abholung von zu Hause und einer Topografie, die auch Sulzbach und Wittichen abdeckt. Wir sind hier echte Musterkandidaten und haben ein funktionierendes System, das zügig reagiert. Notärzte, die hier fahren, kennen das Gebiet, kennen die Mitarbeiter, die Versorgungsstruktur, und zum Teil auch die Patienten. Wenn wir hauptamtliche Notärzte von woanders abziehen, dann sind die vielleicht zwei Minuten schneller am Einsatzort, aber die fehlen dann woanders im System.

Sie haben also bei dieser Regelung kein schlechtes Gefühl?

Wenn mein Sohn einen Unfall hätte, wäre für mich nicht das Problem, wenn der Notarzt drei Minuten später kommt. Das Problem ist vielmehr, dass man oft ziemlich weit fahren muss, bis der Patient endgültig versorgt wird. Die Krankenhäuser sind überlastet. Es bringt nichts, wenn der Notarzt ein paar Minuten früher am Einsatzort ist, der Patient dann aber drei Stunden in der Notaufnahme liegt – um es überspitzt zu sagen. Wenn ich als Arzt auf den Landkreis Rottweil und die Versorgung der Bevölkerung im Gesundheitswesen schaue, dann sehe ich das Problem nicht bei der Hilfsfrist der Notfallversorgung. Da gibt es ganz andere Probleme: nehmen Sie zum Beispiel die Kapazitäten in den Notaufnahmen oder denken Sie an die häusliche Pflege von Schwerkranken. Hier fehlt es an Geld und Personal.

Die Aufsichtsgremien haben dieses System des Notarztwesens im Landkreis Rottweil so gebilligt. Das Problem für die gesundheitliche Versorgung liegt ganz klar nicht bei einer Hilfsfrist von 93 statt 95 Prozent. Wir liegen bei uns im Kreis auf höchstem Niveau. In anderen Bundesländern gibt es nicht einmal Hilfsfristen für den Notarzt.

Wenn alles kein Problem ist, warum bringen dann auch manche direkt Beteiligte dieses Systems das Thema immer wieder auf den Tisch? Bei diesen klingt Besorgnis durch.

Das kann ich mir ehrlich gesagt auch nicht erklären. Wenn es schon um Minuten gehen soll, dann muss diese Diskussion für die ganze Zeit – von der Alarmierung bis zur endgültigen Versorgung im Operationssaal – betrachtet werden, und nicht erst, wenn der Notarzt im Auto sitzt.

Es heißt, dass die in Rottweil und Schramberg tätigen freiwilligen Notärzte damit drohen, ihre Tätigkeit hinzuschmeißen, wenn an der Regelung gerüttelt wird?

Es gibt Ärzte, die machen bis zu acht Dienste im Monat. Wie soll er das neben seiner normalen Praxistätigkeit machen, wenn er es nicht von zu Hause aus macht? Wenn wir alle Ärzte für diese Zeit auf die Wache setzen würden, dann wären eben nur noch zwei oder drei statt acht Dienste drin. Hinzu kommt, dass wir ein Nachwuchsproblem haben und es auch immer mehr weibliche Ärzte gibt. Wie wollen Sie die dazu bringen, sich zu beteiligen? Hier sind wir wieder beim Thema Vereinbarkeit der Notarzttätigkeit mit dem Privatleben.

Meines Wissens wurden die Verträge mit den freiwilligen Notärzten jetzt vom DRK zum 1. Oktober gekündigt. Was heißt das?

Hier geht es vordringlich um das Thema Rentenversicherung und um die aktuelle Diskussion darüber, ob freiberufliche Notärzte abhängig beschäftigt sind. Laut Rettungsdienstgesetz sind die Krankenhäuser zuständig, weshalb die Verträge jetzt mit der Helios-Klinik gemacht werden.

Und da werden auch Sie und Ihre Kollegen im freiwilligen Notarztdienst wieder mit dabei sein?

Die Kollegen haben viel erlebt in den letzten 20 Jahren. Und sie werden auch jetzt weitermachen. Als Notarzt fährt man aus Passion.  Die Fragen stellte Corinne Otto.