Foto: © eyetronic – stock.adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Gebührenerhöhungen von bis zu 123 Prozent wären laut Verwaltung zu erwarten / Erneute Überprüfung in zwei Jahren

Kommando zurück in Sachen neues Gebührensystem für Rest- und Biomüll. Eigentlich sollte dieses ab 2020 greifen. Angesichts aktueller Erkenntnisse würden sich dadurch aber so deutliche Kostenverwerfungen bei Einzelnen ergeben, dass das offenbar nicht vertretbar wäre.

Kreis Rottweil. "Wir sollten nicht mit der Brechstange daher kommen, sondern uns Zeit nehmen", so der Appell des Ersten Landesbeamten Hermann Kopp in der Kreistagsitzung am Montag. Gemeint ist das geplante neue Entsorgungs- und Gebührensystem des Landkreises.

In seiner Sitzung im Dezember 2017 hatte der Kreistag den Beschluss gefasst, ein elektronisches Identsystem zur Erfassung der Leerungshäufigkeit bei der Sammlung von Rest- und Bioabfall einzusetzen. Basierend darauf wurden im Dezember 2018 die vorläufige Abfallwirtschaftssatzung und die Kalkulationsgrundlagen für die Gebührenermittlung nach dem neuen System ab 2020 beschlossen. Das Verfahren sollte "Abfall-Schnorrern" das Handwerk legen und "verursachergerechter" sein. Wer mehr als zwölf Leerungen beim Restmüll beziehungsweise 26 beim Biomüll benötigt, sollte zusätzlich zur Kasse gebeten werden, so der Plan.

Durch die nötige Neuausschreibung der Liefer- und Entsorgungsdienstleistungen ab 2020 hätten sich aber nun im Bereich "Einsammeln und Befördern" deutliche Mehrkosten ergeben, nämlich 1,55 Millionen Euro im Vergleich zu den im Wirtschaftsplan 2019 veranschlagten Kosten, so war in der öffentlichen Sitzungsvorlage von Christian Mutz, Chef des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft, zu lesen.

Die größten Abweichungen gibt es dabei im Bereich der Grünabfälle (880 000 Euro statt der geplanten 325 000 Euro, was einer Steigerung von rund 171 Prozent entspricht) und beim Bioabfall (1,05 Millionen Euro statt der geplanten 680 000 Euro). Damit betragen die Gesamtkosten für "Einsammeln und Befördern" 2020 voraussichtlich 5,75 Millionen Euro statt der vorgesehenen 4,2 Millionen – eine Abweichung von gut 37 Prozent.

Diese massiven Erhöhungen würden sich auch auf das neue Gebührensystem 2020 auswirken und bei einzelnen Personenkreisen zu erheblichen Erhöhungen und Kostenverwerfungen führen. Als Beispiel wurde ein Ein-Personen-Haushalt genannt, der bei null Sparpunkten im aktuellen Jahr eine Abfallgebühr von 98 Euro bezahlt. Dadurch sind 26 Leerungen des Restabfallbehälters und 36 der Biotonne abgedeckt. Ziehe man nun das neue Gebührensystem heran, so müsste derselbe Haushalt für eben diese Leistungen 2020 eine Gebühr von 218 Euro bezahlen. Das entspräche einer Erhöhung von 123 Prozent.

"Abweichungen in dieser Höhe kann man niemandem erklären", meinte Landrat Wolf-Rüdiger Michel. Daher schlug er vor, die vorgesehene Umstellung des Gebührensystems nicht umzusetzen beziehungsweise zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen. Stattdessen werde eine lineare Gebührenerhöhung zwischen 17 und 19 Prozent durchgeführt. Damit liege man dann immer noch unter der Haushaltsgebühr der Jahre 1995 bis 2003.

Der Vorschlag stieß nicht im ganzen Gremium auf Verständnis. "Das Beispiel ist für mich nicht nachvollziehbar. Da wird von einem Mülldinosaurier ausgegangen", meinte ÖDP-Kreisvorsitzender Bernd Richter. Er sprach sich für eine stärkere Besteuerung von Müll aus. Thomas Engeser (FWV) meinte, man sollte der wilden Müllablagerung keinen Vorschub leisten, auch wenn die Kosten bei einem neuen Gebührensystem hoch seien.

Pause ist sinnvoll, soll aber laut Gremium nicht zu lange dauern

Michel gab zu bedenken, dass es Menschen, etwa Pflegebedürftige, gebe, die jede Leerung mitmachen müssten. "Die sind meist finanziell nicht auf Rosen gebettet, und diese würde das neue Gebührensystem dann voll treffen."

Kreisrat Berthold Kammerer (SPD) sagte, die neue Gebührenordnung habe Haken und biete keine Anreize für die Müllvermeidung. Im Gegenteil: Man werde eher genötigt, mehr Tonnen zu nehmen als man eigentlich brauche. "Diese Pause zum Nachdenken ist sinnvoll. Wir können sie nutzen, um ein neues Abrechnungssystem zu finden. Ein monetärer Anreiz zur Müllvermeidung wäre wichtig."

Kreisrat Ralf Banholzer (CDU) mahnte an, diese Pause nicht zu lang werden zu lassen. "Mit der Gebührenumstellung war auch ein Paradigmenwechsel verbunden. Wir müssen Druck im Kessel erzeugen, damit man sich weiter mit dem Thema beschäftigt", sagte er. Drei Jahre bis zur erneuten Überprüfung zu warten, sei ihm zu lange.

Der Austausch der Tonnen werde trotzdem durchgeführt, informierte Landesbeamter Kopp. Somit habe man dann auch belastbare Zahlen. Zudem werde die Arbeitsgruppe Abfall weitergeführt. Die Rest- und Bioabfallbehälter seien teilweise bis zu 20 Jahre alt. 45 000 Restmüll- und 23 000 Biotonnen müssen im Kreisgebiet ausgetauscht werden. Eine Nutzung der alten Behälter soll technisch ab 1. Januar 2020 nicht mehr möglich sein.

In der Kreistagssitzung am Montag wurde schließlich beschlossen, die bisherigen Rest- und Bioabfalltonnen im Laufe des Jahres, vermutlich im Oktober, auszutauschen sowie die Umstellung des Gebührensystems auszusetzen, um in zwei Jahren noch einmal zu prüfen, wie ein solches neues System aussehen soll.