Rabbiner Levi Yitzchak Hefer (von links, erste Reihe), Oberbürgermeister Ralf Broß, Zentralrats-Präsident Josef Schuster und der Vorsitzende des Oberrats Baden, Rami Suliman, mit den Thorarollen. Foto: Bernd Müller

Festakt macht jüdisches Leben in Rottweil sichtbarer.  Bekenntnis gegen Rechtsradikalismus. Mit Video

Rottweil - Am Sonntag war ein großer Tag für die Israelitische Gemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen. Mit einem Festakt wurde die neue Synagoge am Nägelesgraben eingeweiht.

Die überaus aktive Gemeinde hatte sogar doppelten Grund zum Feiern, denn nach beinahe 80 Jahren wurde mit Levi Yitzchak Hefer wieder ein Gemeinde-Rabbiner in sein Amt eingeführt.

Aber bevor der Festakt begann, bot sich den zahlreichen Rottweilern am Straßenrand ein besonderes Bild. Die Thorarollen der Gemeinde wurden unter Singen und Tanzen vom alten Postgebäude, dem bisherigen Sitz der Gemeinde, zur neuen Synagoge getragen.

Dort wurde zunächst der neue Rabbiner Levi Yitzchak Hefer von Landesrabbiner Moshe Flomemann und Jehuda Puschkin, Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, in sein Amt eingeführt.

Doch nicht nur die jüdischen Gemeinden in ganz Deutschland blickten nach Rottweil, auch die Politik hatte etliche Vertreter entsandt. Grußworte sprachen unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.

Den Vorsitzenden des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman – zusammen mit der Geschäftsführerin der Rottweiler Gemeinde, Tatjana Malafy, einer der Motoren des Projekts – überwältigten die Emotionen, als er von einem "bewegenden Moment" sprach, den die Einweihung für ihn bedeute. Denn wer ein Haus baue, wolle auch bleiben, sagte er.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach von einem Tag der Freude, aber auch der Erinnerung und Mahnung, einem Tag gegen Antisemitismus und für eine vielfältige Gesellschaft. 79 Jahre, nachdem der damalige Betsaal von SA-Männern zerstört worden sei, stehe nun eine neue Synagoge in Rottweil als Ort der Begegnung. Mit dem Gemeindezentrum mitten in der Stadt werde jüdisches Leben in Rottweil wieder klarer sichtbar, sagte Kretschmann. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bekannte: "Deutschland ist unsere Heimat. Wir sind hier und bleiben hier."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Volker Kauder verwies auf die kulturelle Leistung der Juden in der deutschen Wissenschaft und Kultur. Ebenso bekannte er sich zum Existenzrecht des Staates Israel. Mehrere Redner, wie Landesrabbiner Flomemann und die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Rottweil, Elena Logunova, wünschten sich die neue Synagoge als Ort der Begegnung und des kulturellen Austausches, auch mit den Menschen außerhalb der jüdischen Gemeinde.

Pfarrer Christian Honold überbrachte die Grüße der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden der Stadt. Dies sei ihm, so Honold, nicht nur Freude, sondern auch Ehre und Pflicht.

Landrat Wolf-Rüdiger Michel erinnerte daran, dass die Thora auch zum Erbe der Christen gehöre. So sei man an diesem Tag quasi unter Verwandten. Die Synagoge bedeute einen Neubeginn: "Sie gründen Familien und leben mitten unter uns."

Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß erinnerte an die beinahe 700 Jahre gemeinsame Geschichte. Trotz des jähen Endes der jüdischen Gemeinde in der Reichspogromnacht, sei die Erinnerung an die jüdische Gemeinde von den Bürgern bewahrt worden. In seinen Augen kehre deshalb ein Stück Normalität nach Rottweil zurück. Die friedliche Koexistenz von Juden und Christen in der Stadt sollte selbstverständlich werden. Die Synagoge setze ein klares Zeichen: "Sie sind angekommen im Herzen der Stadt."

Die Architekten Tobias Thiel und Christof Birkel betonten, durch den Bau der Synagoge hätten sie das Privileg genossen, eine unbekannte Kultur intensiv kennenzulernen. In ihren Augen sei es gelungen, in dem Gebäude eine Balance zwischen öffnen und schützen zu realisieren.

Die Geschäftsführerin der Gemeinde, Tatjana Malafy, dankte vor allem ihrer Familie, allen voran ihrem Mann Viktor, für die Unterstützung. Scherzhaft merkte sie an, dass sie nicht genau wisse, ob sie die ständigen Telefonate mit den Architekten nicht in Zukunft vermissen werde.

Der Festakt wurde musikalisch umrahmt vom Ensemble "Aletchko".