Diese Fotopostkarte zeigt um 1910 einen Teil der Au in Nähe zum späteren Standort der ersten Kläranlage. Foto: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Jubiläum: Rottweiler Kläranlage wird 100 Jahre alt / Bau in der Folge von Pasteur und Koch / Teil 3 der Serie

Eine funktionierende Abwasser-Entsorgung ist gelebte Daseinsvorsorge: In der ältesten Stadt Baden-Württembergs ist die vom ENRW Eigenbetrieb Stadtentwässerung betriebene Kläranlage "In der Au" für diese wichtige Aufgabe zuständig.

Rottweil. Abseits des öffentlichen Bewusstseins verrichtet sie Tag für Tag ihre Arbeit. Genau vor 100 Jahren – 1917 – wurde in Rottweil die erste Kläranlage errichtet. Aus diesem Anlass wird die Geschichte der örtlichen Abwasserentsorgung in einer kleinen Serie vorgestellt. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Zeitspanne vom 18. Jahrhundert bis 1917.

Seit dem Mittelalter verfügten die Städte in Europa weder über eine Kanalisation, noch über Abwasseranlagen. Tierische oder menschliche Fäkalien, gewerbliche Abwässer sowie Haushaltsabfälle verunreinigten nahezu permanent das über Brunnen oder hölzerne Leitungen bezogene Trinkwasser, was letztlich zu wiederkehrenden Pest-, Pocken-, Cholera- und Typhus-Epidemien führte. Doch dieser Zusammenhang wurde nicht erkannt. Als Ursachen für grassierende Seuchen machten die Rottweiler nicht den Wasserkreislauf aus, sondern Dämpfe, sogenannte "Miasmen", die von den Misthäufen und Gruben aufstiegen. Trotz großer Anstrengungen gelang es lange nicht, die Misthäufen und Fäkaliengruben in Rottweil zu verringern, da die Menschen auf Tierhaltung für ihre Versorgung angewiesen waren.

In Rottweil lassen sich neben Gruben zur Abwasserentsorgung auch Kanäle, sogenannte "Dolen", nachweisen, wobei die Einleitung menschlicher Fäkalien untersagt war. 1673 beschloss der Rat, dass alle offene Dolen abgeschafft und nur noch solche unter dem Boden geduldet werden. Da aber längst nicht alle Bürger an dieses Abwassersystem angeschlossen waren, belegen die Totenbücher von Heilig Kreuz auch noch für das 18. Jahrhundert wiederkehrende Seuchen mit zahlreichen Todesopfern.

Ab 1873 bekam Rottweil eine zentrale Trinkwasserversorgung, die die zahlreichen Brunnen ersetzte. Zu diesem Zweck wurden im Brunnentäle eine Quelle gefasst und ein Hochbehälter unterhalb des Hochturms angelegt, von dem aus sämtliche Haushalte versorgt werden konnten. Die sanitäre Ausstattung um 1900 beschränkte sich in der Regel auf einen Wasserhahn pro Haus. Die damals üblichen Plumpsklos bestanden jedoch nach wie vor.

Ende des 19. Jahrhunderts wiesen der Naturwissenschaftler Louis Pasteur und der Mediziner Robert Koch nach, dass für viele Krankheiten Mikroorganismen im durch Fäkalien verschmutzten Trinkwasser verantwortlich waren. Landauf landab wurde die Bedeutung einer funktionierenden Abwasserentsorgung erkannt. In Rottweil titelte die Schwarzwälder Bürgerzeitung am 9. Mai 1917: "Erstellung einer allgemeinen Kläranlage". Der Verfasser führte aus, dass "das Wasser des Neckars in bedenklicher Weise verunreinigt" sei, die Rohrleitungen verstopfe und für die Pulverfabrik als größte Industrieanlage der Stadt nicht mehr nutzbar wäre. Aus diesem Grund und auch um "den Bürgern der Stadt die seitherige ungesetzliche und unhygienische Ableitung der Abortwasser künftig nach gegenwärtigen Gesichtspunkten in einwandfreier Weise zu ermöglichen", werde eine Kläranlage erstellt.

Das von der Pulverfabrik mitfinanzierte Bauwerk war zunächst für 8000 Einwohner, aber schon für eine Erweiterung ausgelegt. Entlang des Neckars plante man eine Kanalsammelleitung, die alle Dohlenausläufe aufnehmen sollte.

Die 1917 in der Au errichtete Kläranlage verfügte über einen zweistöckigen "Emscherbrunnen", in dem die Sinkstoffe des Abwassers aus dem oben liegenden Absetzbecken über stark geneigte Zwischendecken in den Faulraum wandern. Für damalige Verhältnisse hatte die Anlage einen überdurchschnittlichen Reinigungseffekt.

Das Jubiläum der Rottweiler Kläranlage wird am Sonntag, 16. Juli, mit einem Tag der offenen Tür begangen. Die Besucher erwarten stündlich Führungen, Kunstwerke eines Kunstwettbewerbs zum Thema "Wasser und Umwelt", Ausstellung und Demonstration von Spezialfahrzeugen, Infostände sowie ein Kinderprogramm mit dem städtischen Kinder- und Jugendreferat. Für das leibliche Wohl ist gesorgt.