Für die Verpachtung des Naturfreundehauses Jungbrunnen ist wieder der Rottweiler Ortsverein zuständig. Foto: Alt

Geschäftsführer mit doppeltem Spiel: Nach großer Erwartung kommt böses Erwachen.

Rottweil - Die zweifelhaften Pächter sind längst weg. Trotzdem werden die Naturfreunde noch eine ganze Weile Aufräumarbeit leisten müssen. Es geht um Glaubwürdigkeit, Vertrauen und auch um den eigenen Ruf, nachdem sich der Ortsverein durch eine Unterschrift die Zügel aus der Hand nehmen ließ.

Dieter Kohn ist ein Mann, dem ein Handschlag etwas gilt. Deshalb vertraute der frühere Vorsitzende der Rottweiler Naturfreunde auch darauf, dass es die von den Landesverbänden Baden und Württemberg gegründete Naturfreunde Häuserverwaltungs GmbH schon richten werde. Als er am 2. Januar 2014 den Betriebsführungsvertrag zusammen mit Kassierer Werner Störk unterzeichnete, stand es schlecht um die Rottweiler Naturfreunde. Sie waren finanziell angeschlagen, die Verwaltung des in einem Tal zwischen Zepfenhan und Göllsdorf gelegenen Hauses "Jungbrunnen" war eine enorme Bürde. Dass diese Unterschrift Jahre später dazu führen wird, dass nicht nur die Rottweiler Naturfreunde, sondern auch der Landesverband Württemberg vor einem Scherbenhaufen steht, konnte damals niemand ahnen. Die Querelen mit den Pächtern sind da nur die Spitze des Eisbergs. "Man war damals froh, etwas von der Last abtreten zu können", sagt die heutige Vorsitzende Gisela Burger im Gespräch, fast schon ein bisschen entschuldigend. Jetzt ist es an ihr und dem Vorstand, Aufräumarbeit zu leisten.

Feindliche Übernahme

Dass ein Schlussstrich auch im Fall der Pächter noch nicht gezogen ist, zeigen die E-Mails, in denen die Ex-Pächterin Barbara Niemann auf unsere Fragen antwortet. Diese sind auch mehr als drei Monate nach dem Wegzug mit "Geschäftsführerin der NFH Jungbrunnen GmbH" versehen. Einer GmbH, die laut Registerauszug mit einem Stammkapital von 25 000 Euro ausgestattet dazu bestimmt war, das Naturfreundehaus zu bewirtschaften. Beteiligt ist Christian Sprießler über die HOB GmbH mit Sitz in der Schweiz, der wiederum Geschäftsführer der Naturfreunde Häuserverwaltungs GmbH Baden/Württemberg war. Jene GmbH war von den beiden Landesverbänden der Naturfreunde in Baden und Württemberg gegründet worden, um die Ortsvereine bei der Verwaltung ihrer Naturfreundehäuser zu entlasten. Der Rottweiler Ortsverein war Vorreiter, ebenso wie die Schramberger Naturfreunde mit ihrer "Sommerecke". "Versuchskaninchen", kommentiert Burger. Weitere Ortsvereine wie beispielsweise Herrenberg zeigten damals Interesse, sprangen aber ab.

Dann kommt es zu ersten Irritationen: Sprießler preist den Rottweiler Naturfreunden das Pächterpaar Barbara Niemann und Helmut Reitenbach an und hilft ihnen, die NFH Jungbrunnen GmbH zu gründen. Reitenbach ist neben Sprießler zweiter Teilhaber, dessen Lebensgefährtin Niemann wird Geschäftsführerin.

Was den Naturfreunden zunächst unbemerkt bleibt: Sprießler hat als Geschäftsführer der Häuserverwaltungs GmbH und Teilhaber der Jungbrunnen GmbH mit sich selbst einen Vertrag abgeschlossen. Der aus der Geschäftsbeziehung resultierende Pachtvertrag mit den quasi entmündigten Naturfreunden, fällt laut stellvertretendem Landesvorsitzendem Waldemar Grytz dermaßen ungünstig für die Ortsgruppe aus, dass diese am Ende nicht nur finanziell schlechter steht. "Ihnen wurden Informationen vorenthalten, am Ende durften sie nicht mal mehr in ihr eigenes Haus."

Grytz geht noch weiter. Er sagt, den Pächtern sei es bewusst um die Übernahme der Ortsgruppe gegangen. So habe man unter anderem versucht, über den Bundesverband der Naturfreunde an Mitgliederausweise zu kommen, um eine Mehrheit in der Ortsgruppe zu generieren. Dann habe sich der Landesverband eingeschaltet. Der Grund für dieses Scharmützel liegt für Grytz auf der Hand: Die Pächter wollten sich im Jungbrunnen einrichten – schalten und walten, wie sie wollen. Wenn das stimmt, ist der Schuss gehörig nach hinten losgegangen. Dennoch stehen die Naturfreunden vor Ort vor einem Scherbenhaufen.

Verband zieht Reißleine

Das gilt übrigens gleichsam für die Häuserverwaltungs GmbH. Denn nachdem deren Stammkapital (ebenfalls 25 000 Euro) aufgebraucht und das doppelte Spiel des Christian Sprießlers aufgeflogen war, zog der Landesverband die Reißleine. Das war 2016. Seither ruht die GmbH. Ein neuer Geschäftsführer, Hans Peter Selz, ist mit der Abwicklung beauftragt.

Schaden haben aber nicht allein die Naturfreunde genommen. Gäste, die noch im späten Frühjahr Übernachtungen im Naturfreundehaus Jungbrunnen gebucht hatten, mussten lange warten, mancher sogar rechtliche Schritte einleiten, bis sie ihre Vorauszahlung für einen Aufenthalt, den sie gar nicht antreten konnten, von den Ex-Pächtern zurück erhielten.

Gast fühlt sich betrogen

Einer, der sein Geld erst erhielt, als der Mahnbescheid bereits unterwegs war, hat sich bei unserer Zeitung gemeldet. Detlef Werth hatte für seine und eine befreundete Familie im Mai eine Radtour entlang des Neckars geplant. Für eine Nacht sollten die sieben Personen im "Jungbrunnen" unterkommen. Die Buchung wurde Anfang Februar fest gemacht. Erst am 25. April – also einen Monat nachdem der Schwarzwälder Bote vom Streit und der Schließung des Naturfreundehauses berichtet hatte – teilte Niemann der Familie mit, dass sie nicht mehr Pächterin sei. Hat die Ex-Pächterin also bewusst Gäste angenommen, obwohl bereits klar war, dass sie den Jungbrunnen verlassen wird?

Der Gast jedenfalls, der übrigens aus Westfalen kommt und so kurz vor Urlaubsbeginn keine neuen Bleibe fand, kam im "Jungbrunnen" unter. Zwar konnten die Naturfreunde bei der bereits im Voraus entrichteten Bezahlung an die ehemaligen Pächter nicht helfen, bei der Übernachtung aber schon. "Die haben für uns sogar Frühstück gemacht", erzählt er am Telefon. Die Naturfreunde hat der Urlauber als zuvorkommend und freundlich erlebt. Zu den Ungereimtheiten bei der Buchung sagt er im Rückblick: "Ich fühle mich hintergangen".

Weitere Urlauber betroffen

Nachdem Werth Anfang Mai immer noch nicht die Buchungsvorauszahlung zurückerstattet bekommen hatte, begann er zu recherchieren. Er stieß dabei auf die Berichterstattung des Schwarzwälder Boten und konfrontierte die Ex-Pächterin damit. Diese konterte per Mail zwar umgehend "Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, sollten Sie woanders suchen...", mit der Überweisung des Geldes ließ sie sich aber Zeit. Mittlerweile hat der Mann Kontakte zu weiteren Gästen herstellen können, denen ebenfalls nicht oder erst nach Androhung eines Mahnbescheids die Vorauszahlung für einen Aufenthalt, den sie gar nicht antreten konnten, zurückbezahlt wurde. Mit den Vorwürfen konfrontiert, gibt sich die Ex-Pächterin gegenüber dem Schwarzwälder Boten am Telefon plötzlich entschuldigend. Eine verlorene Bankkarte, ein noch nicht bereitgestelltes Geschäftskonto, ein zu langsamer Notar, der Umzug et cetera. Und auch mit neuerlichen Vorwürfen gegen den Orts- und Landesverband, die ihr Schaden wollten, hält sie nicht hinter dem Berg. Sie droht mit rechtlichen Konsequenzen. Ob die Pächter nun mit einer gewissen Naivität ihren Umzug in ein anderes Bundesland abwickelten oder am Ende bewusst Dritten schaden wollten, wissen nur sie selbst. Dennoch: Den Vorwurf, weder bei den Buchungen noch bei der anschließenden Stornierung seriös und zum Wohle des Gastes gehandelt zu haben, müssen sie sich gefallen lassen.

Blick nach vorn

Die Rottweiler Naturfreunde wollen die Verwaltung und Verpachtung ihres Naturfreundehauses nun wieder selbst in die Hand nehmen. Es gebe viel zu tun, sagt Gisela Burger. "Die Bäder und Sanitäranlagen müssen gerichtet werden. Da ist in den letzten Jahrzehnten nicht viel passiert." Burger ist zuversichtlich, dass die Ortsgruppe das meistern wird. Die Zügel aus der Hand nehmen lassen, will man sich kein zweites Mal.