Ruth Gronmayer leistet als Behindertenbeauftragte in Rottweil vor allem Netzwerkarbeit. Foto: Cools Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Ruth Gronmayer ist seit 2015 Behindertenbeauftragte in Rottweil / Einsatz für Barrierefreiheit

Kopfsteinpflaster-Reparaturen, Rampen und Markierungen – laut der Behindertenbeauftragten Ruth Gronmayer ist Rottweil in Sachen Barrierefreiheit auf einem guten, wenn auch noch langen Weg.

Rottweil. Einst musste sie im Zug im Gepäckwagen mitfahren, heute setzt sie sich für eine barrierefreie Stadt ein: Ruth Gronmayer ist seit 2015 ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt Rottweil. Sie ist mit Spina bifida, einer Fehlbildung der Wirbelsäule, zur Welt gekommen und sitzt schon ihr Leben lang im Rollstuhl. "Ich kenne es nicht anders. Es ist mein Leben. Ich versuche, den Menschen, die vom einen auf den anderen Tag behindert sind, zu zeigen, was sie für Möglichkeiten haben, anstatt sich darauf zu fokussieren, was man verloren hat", sagt die 47-Jährige, die in Rottweil aufgewachsen ist.

Ihr Abitur absolvierte sie am Droste-Hülshoff-Gymnasium, im Albertus-Magnus-Gymnasium wurde für sie ein Aufzug gebaut, damit sie die Fachräume erreichen konnte. "Damals war noch keine Rede von Inklusion, trotzdem hat es funktioniert", sagt sie. 2008 kehrte sie nach einem Studium der sozialen Arbeit nach Rottweil zurück. In Schwenningen arbeitet sie beim Integrationsfachdienst.

Gronmayer hat manchmal das Gefühl, sie sei auf einer Insel. "Viele hinterfragen ein gemeinsames Leben von Menschen mit und ohne Behinderung noch. Berührungsängste sind allgegenwärtig", sagt sie.

Umso wichtiger findet die 47-Jährige, auch Nicht-Behinderte zu ihrem jährlichen Stadtrundgang, der diesmal zum dritten Mal stattfindet und durch die Altstadt führt, mitzunehmen. Dort könnten sie mit dem Rollstuhl ausprobieren, welche Hürden es beim Weg durch Rottweil gibt.

Denn womit sich Stöckelschuhträger beispielsweise plagen, das ist auch für Rollstuhlfahrer ein Graus: das Kopfsteinpflaster. Und die vermeintlich leicht zu erklimmende Rampe wird schnell zu einem Kraftakt. Probleme lauern überall. "Die Topographie und die vielen denkmalgeschützten Gebäude erschweren die Barrierefreiheit in Rottweil", weiß die 47-Jährige.

Markierungen helfen

Durch die Stadtrundgänge habe man schon einige kritische Punkte aufdecken können, dennoch sei es noch ein langer Weg. Wichtig seien, beispielsweise bei den Stufen oberhalb des Alten Spitals, taktile und visuelle Markierungen für Sehbehinderte. "Auch ein Rollstuhlfahrer erkennt aufgrund der Blickhöhe erst spät, dass es da runter geht", erklärt sie.

Eine Busfahrt kann ebenfalls zum Abenteuer werden. Die Situation im öffentlichen Verkehr sei aber nicht so dramatisch wie im restlichen Landkreis, sagt Gronmayer. "Oft werden da noch Reisebusse eingesetzt, in die man als Rollstuhlfahrer natürlich nicht reinkommt."

Auch auf das Thema Parkplätze werde sie immer wieder angesprochen. "Die Anzahl der Plätze in Rottweil reicht. Wenn ich einen suche, finde ich immer einen. Die Stadt liegt weit über dem, was gesetzlich an Behindertenparkplätzen vorgeschrieben ist", sagt Gronmayer. Wo es welche gebe, sei auf ihrer Projekt-Webseite Hürdenlos vermerkt. Und wenn man mal keinen Platz finde, sei das auch kein Beinbruch. "Rollstuhlfahrer können mit ihrem Auto ebenfalls zweimal im Karree herumfahren", sagt sie. Das gehöre auch zur Gleichberechtigung.

Generell gelte: Veränderungen kommen langsam. "Man muss mit Fingerspitzengefühl an die Sache herangehen. Sofort geht gar nichts. Ich versuche, die Verantwortlichen in die richtige Richtung zu leiten", sagt Gronmayer. Angesichts anstehender Veranstaltungen wie die Landesgartenschau rücke das Thema Barrierefreiheit ohnehin immer mehr in den Fokus.

Die Beratungstätigkeit an sich nimmt bei Gronmayer nur phasenweise viel Raum ein. Wenn die Bürger zu ihr kommen, ist es ihre Hauptaufgabe, sie zu den richtigen Behörden oder Stellen zu lotsen. "Netzwerkarbeit ist das Wichtigste." Zudem kümmert sie sich um inklusive Projekte und leistet auch mal psychosoziale Arbeit.

Ruth Gronmayer ist aber vor allem die Stimme der Behinderten. "Ich sehe mich als jemand, der immer mal wieder etwas anstupst und an Barrierefreiheit erinnert."

Weitere Informationen: www.rottweil.huerdenlos.de E-Mail behindertenbeauftragte@rottweil.de Telefon 0741/34 87 70 54

Wie barrierefrei ist Rottweil? Um diese Frage geht es am 13. Oktober beim dritten inklusiven Stadtrundgang. Die Behindertenbeauftragte der Stadt, Ruth Gronmayer, das Inklusive Café und die Offenen Hilfen der Lebenshilfe laden Interessierte ein, Rottweil aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. Zum ersten Mal wird im Zuge des "Quartiers 2020" die Altstadt erkundet. Um 13 Uhr ist Treffpunkt am Kutschenhaus des Kapuziners zur Bildung von Fahrgemeinschaften. Die BruderhausDiakonie stellt einen Bus für Rollstuhlfahrer bereit. Um 13.30 Uhr ist Treffpunkt an der Römerschule. Nach dem Rundgang gegen 15.30 Uhr gibt es Kaffee in der Mensa der Römerschule. Um 17 Uhr geht es in Fahrgemeinschaften zum Kutschenhaus.