Kurt Scherfer, Geschäftsführer von der Kreishandwerkerschaft Tuttlingen (von links), Bäckerobermeister Daniel Link und Karl Georg Hils von der Metzger-Innung kennen das Problem des Fachkräftemangels und gehen es an. Foto: Cools Foto: Schwarzwälder Bote

Personalmangel: Fachkräfte werden, auch aus Imagegründen, vermehrt zu einer Rarität / Innung und Betriebe gehen das Problem an

Blutige Gummistiefel und eine Schweinehälfte über der Schulter oder die ganze Nacht schwitzend in der Backstube schuften – Klischees über Metzger und Bäcker gibt es einige. Sie sind nur ein Teil dessen, was zum Personalmangel geführt hat.

Kreis Rottweil. Beim Rottweiler Metzger Gerd Haas wurde abgespeckt: An drei Nachmittagen bleibt der Laden geschlossen, weil Haas kein Verkaufspersonal findet. Ähnlich geht es einer Selbstbedienungs-Bäckerei in der Rottweiler Innenstadt. Auch dort werden die Türen nachmittags dichtgemacht.

Bäckerobermeister Daniel Link aus Trossingen kennt diese Probleme. Er hat den Betrieb vor fünf Jahren übernommen und beschäftigt 45 Mitarbeiter in fünf Verkaufsgeschäften, darunter fünf Auszubildende. Während er früher noch einige Bewerbungen hatte, herrscht mittlerweile eher Flaute, auch wenn Link in diesem Jahr wieder einen leichten Aufwärtstrend verzeichnen könne.

Besonders schwierig ist es beim Verkaufspersonal. Nachwuchs sei da kaum zu kriegen, meint Link. "Wir haben inzwischen viele Quereinsteiger, die einfach eine gute Ausstrahlung haben müssen", erklärt der Bäckerobermeister.

Bei 32 Bäckerei- und 42 Metzgerbetrieben im Landkreis Rottweil gab es in diesem Jahr zehn Bäckerlehrlinge und zwölf angehende Bäckereifachverkäufer, die frisch begonnen haben, hat Kurt Scherfer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Tuttlingen, die Zahlen parat. Im Fleischerhandwerk konnte laut Muriel Claus von der Handwerkskammer Konstanz im Landkreis Rottweil kein neuer Lehrvertrag abgeschlossen werden. Während es bei den Bäckerei-Fachverkäufern wieder mehr neue Azubis als im Vorjahr gebe, sei die Zahl der Metzgerei-Fachverkäufer gesunken. Solche Schwankungen seien nicht ungewöhnlich, doch im Zehnjahresvergleich habe sich die Zahl der Azubis in allen vier Berufen bundesweit mehr als halbiert.

In Konkurrenz zur Industrie

Parallel spielt Ernährung so eine große Rolle wie lang nicht mehr. Viele Bürger legen Wert auf Qualität, Frische und Regionalität, weiß auch Kurt Scherfer. Doch ein Job in der Nahrungsmittelbranche scheint für das Gros der Arbeitnehmer längst nicht mehr attraktiv zu sein. Die Argumente sind oft die gleichen. Besonders Arbeitszeit und Gehalt stehen in der Kritik.

Auch für Miriam Schein aus Hardt waren das Gründe, nach ihrer Ausbildung zur Bäckerin in die Industrie zu wechseln. "Man fängt nachts an und schläft, wenn die Freunde Feierabend haben." Hinzu komme die Bezahlung. "Ich habe nur um die 450 Euro verdient. In der Fabrik verdient man im zweiten Lehrjahr das Doppelte. Ich fand es ungerecht, wenn ich gehört habe, was meine Freunde verdient haben, die lange nicht so hart arbeiten mussten wie wir Bäcker", sagt Schein. Dabei habe ihr die Arbeit in der Backstube sonst gut gefallen.

Auch Karl Georg Hils, Geschäftsführer des gleichnamigen Metzgereibetriebs in Lauterbach, kennt die Probleme des Personalmangels. Er beschäftigt 55 Mitarbeiter in drei Filialen und einem Verkaufswagen. Der Metzger könnte noch zwei weitere Filialen aufmachen, doch es mangelt an Verkäufern: Fachpersonal ist rar. Das habe sich mittlerweile zu einem Hemmnis für die Expansion entwickelt.

Die Industrie wartet als Konkurrent mit guter Bezahlung auf, Abitur und Studium gelten als "Allheilmittel" und veraltete Vorstellungen vom Handwerk sind in den Köpfen verankert. "Jammern hilft aber nicht", sagt er. Hils sieht drei Punkte, an denen die Innung und die Betriebe ansetzen müssen, um das Problem zu beseitigen: Image, Aufstiegsmöglichkeiten und Willkommenskultur. "Dieses Bild vom Metzger in Gummistiefeln muss aus den Köpfen raus", sagt Hils. Metzger sein sei die Kombination von handwerklichem Arbeiten und maschinellem Einsatz.

Als Innung müsse man offensiver an die Sache herangehen. "Wir müssen raus aus den Backstuben und Wurstküchen und uns präsentieren", sagt Hils. "Metzger, die sauber eine Rinderhälfte zerlegen und Frauen erklären, was sie aus den Teilstücken zaubern können, sind die neuen Rockstars", so die Strategie. Die Begeisterung für hochwertige Lebensmittel müsse sich auf die Mitarbeiter übertragen.

In Sachen Karriere hält Hils ein gutes Lehrlingsgehalt mit Optionen auf Boni bei guter Leistung für unabdingbar. Derzeit verdient ein Bäckerlehrling laut Link zwischen 630 und 800 Euro, ein Metzgerlehrling nach Karl Georg Hils etwa 700 bis 1100 Euro. "Wenn ein Lehrling jedoch Engagement zeigt, dann bleibt es nicht bei diesen Zahlen", sagt er. Gehaltsmäßig brauche der Mitarbeiter Sicherheit, etwa durch unbefristete Verträge, Zuschüsse bei Kindergartenbeiträgen oder der Gesundheitsvorsorge und Arbeitszeitflexibilität.

Familiär und kreativ

Ein Handwerksbetrieb habe gegenüber der Industrie den Vorteil, dass man mehr auf die Mitarbeiter eingehen könne. "Früher hieß es 40 Stunden arbeiten, egal wie. Heute jongliere ich mit den Zeiten, weil manche Mitarbeiterin nur morgens, die andere nur nachmittags kann", erklärt Daniel Link. Er sei so nah an seinen Mitarbeitern dran, dass er auch sofort spüre, wenn es mal ein Problem gebe. "Das ist wie eine familiäre Bindung. Da geht es nicht so anonym zu wie in einem großen industriellen Betrieb", weiß Kurt Scherfer.

Wer denke, es gebe bei Bäckern und Metzgern keine Aufstiegsmöglichkeiten, der sei auf dem Holzweg. "Bei einem Team von 50 bis 80 Mitarbeitern braucht der Chef Hilfe von Teamleitern und Betriebswirten, eben einer zweiten Führungsebene", so Hils.

Natürlich habe sich auch der Betreuungsaufwand gewandelt. "Wir brauchen eine Willkommenskultur", sagt Karl Georg Hils. Wer gesucht und gebraucht werde, der sei auch motivierter. Um den digitalaffinen Nachwuchs anzuziehen, werden mittlerweile Online-Weiterbildungen angeboten. Zudem erfolgt die Kommunikation bei manchen Betrieben via Intranet, was natürlich die so wichtigen Vier-Augen-Gespräche und Teamsitzungen nicht ersetze. "Die Frage, wie man sein Personal mitnimmt, wird am Ende entscheidend für den Erfolg des Unternehmens sein", weiß Hils.

"Als Handwerker ist man gewohnt, sich selbst zu helfen, aber wir hoffen auch auf eine Gesetzesänderung", sagt Scherfer. Denn ohne ausländisches Fachpersonal, aus Kroatien oder Rumänien etwa, geht schon jetzt gar nichts mehr, bestätigen Link und Hils. "In der Ukraine gibt es auch viele gut ausgebildete Fachkräfte in der Fleischindustrie, doch die Hürden sind riesig", weiß Hils. Nun sei die Politik gefordert, ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen.

"Von heute auf morgen wird das alles nicht gehen. Das ist klar. Aber man muss es anpacken", sagt Hils. Der Industrie ein Schnippchen schlagen könne man in Sachen Kreativität, sind sich die Männer einig. Ob es um die Entwicklung neuer Backwaren oder Wurstsorten oder das Anrichten von Platten geht, die Möglichkeiten sind laut Hils vielfältig.

Das alles sei aber nur möglich, wenn ein Umdenken stattfindet. "Natürlich sind auch einfach viel weniger junge Leute auf der Welt, man kennt die Zahlen. Aber diese für das Handwerk zu begeistern, muss daheim vorgelebt werden", appelliert Kurt Scherfer auch an die Eltern und Lehrer. Wer Abitur habe, müsse nicht zwangsweise studieren. "Wenn man Begeisterung im Umgang mit Produkten mitbringt und kreativ ist, kann man es auch als Metzger oder Bäcker weit bringen", sagt Hils. Und was gebe es denn Besseres, als am Abend das Ergebnis seines Tuns zu sehen und die Kunden damit glücklich zu machen.