Baden-Württemberg sucht einen Platz für ein neues Großgefängnis. Es soll zahlreiche kleinere, in die Jahre gekommene Haftanstalten ersetzen. Foto: dpa

Rottweil und Meßstetten im Rennen um Gefängnisneubau. Nächste Woche ist Bewerbungsschluss.

Rottweil/Meßstetten - Es ist ein bisschen wie David gegen Goliath: das Rennen von Meßstetten im Zollernalbkreis und Rottweil um den Zuschlag des Landes für den geplanten Gefängnisneubau. Noch vor der Sommerpause soll im Kabinett die Entscheidung fallen, wo die neue Haftanstalt mit bis zu 500 Plätzen entstehen soll: eben in Rottweil oder in Meßstetten.

 

Außer der Reihe legt der Rottweiler Gemeinderat am Mittwochabend eine Sitzung ein, um nochmals zu bekräftigen: Wir wollen den Gefängnisneubau in Rottweil. Im Gespräch ist dafür das Gewann Esch, das bei der Neckarburg zwischen der Stadt Rottweil und den Nachbargemeinden Dietingen und Villingendorf liegt. Alles andere wäre heute Abend eine große Überraschung.

Erst vor wenigen Wochen, Ende April, hat der Rottweiler Gemeinderat seinen Willen bekräftigt. Transparente im Stadtgebiet zeigen außerdem, welche Stadträte sich für eine Justizvollzugsanstalt (JVA) in Rottweil aussprechen – es ist die große Mehrheit.

In der Suche des Landes nach einem Bauplatz für eine Haftanstalt, die eine Reihe von alten, kleinen Gefängnissen ersetzen soll, konzentriert sich im Moment alles auf diese beiden Standorte: die ehemalige Bundeswehrkaserne bei Meßstetten und das Esch bei Rottweil. Hinter beiden Städten liegen Bürgerversammlungen zum Thema, beide Ratsgremien haben das grundsätzliche Ja zum Vorhaben bereits in Beschlüssen kundgetan und hier wie dort gibt es Bürgerinitiativen gegen den Anstaltsbau.

Seit den 70er-Jahren will die große Kreisstadt den Standort sichern

Meßstetten auf der Schwäbischen Alb beschäftigt sich seit mehr als drei Jahren mit dem Thema, nachdem abzusehen war, dass sich die Suche nach einer neuen Nutzung für die Zollernalbkaserne schwierig gestalten wird. So sind es strukturpolitische Überlegungen, die für die 10 000 Einwohner große Kommune sprächen. Das Argument, in Meßstetten würde wegen der Konversionsfläche keine unbebaute Fläche für den Neubau verbraucht, haben die Gefängnisgegner, die in der "Bürgerinitiative für ein lebenswertes Meßstetten ohne JVA" organisiert sind, anhand der Pläne des Landes allerdings ad absurdum geführt.

Rottweil treibt die Suche nach einem Platz für ein neues Gefängnis schon länger um. Seit den 1970er-Jahren ist klar: Die große Kreisstadt will den Justizstandort langfristig sichern, dessen Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht. Über Jahrzehnte war auf dem Stallberg ein Gelände für den Gefängnisneubau reserviert und im Flächennutzungsplan verankert. 2008 verabschiedete sich das Land von dieser Idee. Mit den Erfahrungen aus Staufen in den Knochen – in der Stadt im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald hebt sich nach einer Geothermiebohrung seit Jahren die Erde – galt plötzlich das über Jahrzehnte vorgehaltene Areal wegen des Gipsvorkommens als nicht bebaubar.

Ein erster Suchlauf nach Alternativstandorten unter der Regie der Stadt Rottweil schloss sich an – noch unter der alten, schwarz-gelben Landesregierung. 2010 hieß es dann in einem Schreiben des Finanzministeriums: "Der Standort Bitzwäldle ist laut einer Vorprüfung für den geplanten Bau der JVA Rottweil grundsätzlich geeignet." Dann folgte die Landtagswahl, die neue, grün-rote Regierung, ein neuer Suchlauf – dieses Mal unter Regie des Landes und ausgeschrieben für das Dreieck Tuttlingen-Donaueschingen-Rottweil.

Der erste Wunschkandidat, Tuningen, sagte der Landesregierung im vergangenen Jahr nach einem Bürgerentscheid ab. Ein weiteres Mal war das Rennen eröffnet, aus dem Anfang des Jahres drei Standorte auf Rottweiler Gemarkung und Meßstetten übrig blieben. Im April favorisierte das Land auf Bitte Rottweils einen der drei: das Esch.

Seither läuft in beiden Kommunen so etwas wie ein Bewerbungsverfahren. Wie positionieren sich die Gemeinderäte, wie sieht es mit der Bürgerbeteiligung aus, und welche Argumente sprechen für den jeweiligen Standort? Nächste Woche, am 15. Juni, ist Abgabeschluss in Stuttgart. Dann werden in den beteiligten Ressorts – Staats-, Finanz- und Justizministerium – die Unterlagen für die Entscheidung gesichtet.

In diesem Schlussspurt wird dem jeweiligen Mitbewerber kein Zentimeter geschenkt. Da sprechen vollzugliche Belange einerseits für Rottweil, strukturpolitische andererseits für Meßstetten. Zudem hat Württembergs höchstgelegene Stadt einen Stein beim Land im Brett – schließlich konnte dort auf die Schnelle eine dringend benötigte Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge eingerichtet werden.

In dieses Szenario gehört auch, dass Meßstetten am Freitag wohl Rottweil nachzieht und an den runden Tisch zum Gespräch einlädt. Und dazu gehört auch die Sitzung des Rottweiler Gemeinderates heute Abend. Dass nochmals das kommunalpolitische Einverständnis für das Esch als Standort für den Gefängnisneubau bestätigt werden soll, ist als Signal an das Land gedacht. Die Stadtverwaltung um den parteilosen Oberbürgermeister Ralf Broß plant aber, noch einen Schritt weiterzugehen. Der Vorschlag an das Gremium deshalb: der Verwaltung gleich den Auftrag zu erteilen, den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan "Justizvollzugsanstalt Rottweil im Esch" und parallel dazu die notwendige Änderung des Flächennutzungsplans vorzubereiten.

Pfähle und Absperrband zeigen das geplante Ausmaß

Während in Rottweil solche symbolischen Pflöcke in den Boden getrieben werden, sind es in Meßstetten greifbare. Die Bürgerinitiative markierte vergangene Woche die Ausmaße des geplantes Baus mit Pfählen und Absperrband, um die Dimensionen und den Eingriff in die Natur zu verdeutlichen. Eine ähnliche Aktion hatte es in Rottweil einst beim Protest gegen den Standort Bitzwäldle gegeben, als 2010 mit einer Menschenkette und Absperrband eine Reihe von Demonstrationen ihren Höhepunkt erreichte.

Gegen das Esch blieben solche Demonstrationen aus. Die Bürgerinitiative "Neckarburg ohne Gefängnis" hat sich dagegen entschieden, ist aber wiederholt mit einem Info-Stand auf dem Rottweiler Wochenmarkt präsent und sucht das direkte Gespräch. Und sie bemüht sich im Moment, Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln, um einen Bürgerentscheid zu beantragen. Der Rottweiler Gemeinderat hat Ende April gegen einen solchen Entscheid abgestimmt – gegen den Wunsch des Oberbürgermeisters. Die Gegner des Projekts auf dem Esch setzen darauf, dass ihre Argumente gegen den Eingriff in die Natur von der grün-geführten Landesregierung erhört werden – auch ohne einen entsprechenden Auflauf mit Transparenten und Megafon.

Bei David gegen Goliath war es eine Steinschleuder, die gegen den gewaltigen Gegner mit Speer und Schild die Entscheidung brachte. Vielleicht sind es ja die leisen Töne, die überzeugen. Politische Gründe, das hat Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) beim Gespräch am runden Tisch in Rottweil bekundet, sollen jedenfalls keine Rolle spielen. Vielmehr gehe es um die Abwägung der Argumente. Im Raum steht schließlich das Versprechen für ein nachvollziehbares, transparentes Verfahren.