Standort-Wechsel ändert nichts: Stimmungsbild auch in der zweiten Bürgerversammlung eindeutig.
Rottweil - Das Stimmungsbild festigt sich. Die zweite Bürgerversammlung gestern Abend hat es gezeigt: Eine deutlich wahrnehmbare Mehrheit ist für den Testturm von ThyssenKrupp Elevator (TKE) in Rottweil. Der Standortwechsel hat daran nichts geändert.
Raus aus dem Neckartal, hoch aufs Berner Feld: Diesen Höhenflug hat der geplante Testturm von TKE im Sommer hinter sich gebracht. Er hat ihm nicht geschadet. Diesen Schluss lässt die gestrige Bürgerversammlung im Sonnensaal des Kapuziners zu. Die Info-Veranstaltung geht im Vergleich zur ersten, die im Mai stattfand, nicht mehr so euphorisch über die Bühne. Sie bestätigt indes die TED-Umfrage, die der Schwarzwälder Bote gestartet hat, als bekannt wurde, dass der Turm auf einer Anhöhe gebaut werden soll. 70 Prozent der knapp 200 Anrufer sprachen sich für den Turm aus.
Dass das Stimmungsbild sich verfestigt, ist das eine. Das andere: Auch die Turmkritiker bleiben dabei, sie weichen keinen Deut von ihrer Meinung ab. Sie haben am Samstag eine Unterschriftenaktion gestartet und suchen Gleichgesinnte. Die Turmkritiker – für sie sprechen zunächst Ute Bott, Geigenlehrerin aus dem Neckartal, später Jürgen Mehl vom Geschichts- und Altertumsverein und der Geograf Jürgen Kühn – befürchten weiterhin eine "Zerstörung" des einzigartigen, denkmalgeschützten Stadtbildes.
Mit dem Testturm, so Bott, gebe Rottweil einen Teil seiner Identität preis, die Kritikerin vergleicht den Bau mit einem "Monstrum". Mit Skepsis und Sorge verfolge sie das Projekt. Interessant: Den Untergrund auf dem Berner Feld stufen die Kritiker als ebenso schwierig ein wie im Neckartal.
Die ungünstige Bodenbeschaffenheit im Neckartal war der Grund für den Standortwechsel im Sommer. Doch auf dem Berner Feld sehe dies anders aus, sagt TKE, sagt ihr Experte, der Geologe Walter Lächler von Smoltczyk und Partner in Stuttgart. Lächler, der bei den Schlichtungsgesprächen zu Stuttgart 21 unter Heiner Geißler auf der Seite der Befürworter saß, erntet dabei Widerspruch von Kühn.
Der Schlagabtausch zwischen beiden ist noch eine der bemerkenswertesten Szenen in einer ansonsten abgeklärt verlaufenen Bürgerversammlung. Man hat das Gefühl, jedes Argument schon zigfach gehört zu haben.
Laut Oberbürgermeister Ralf Broß bietet der Turm mehrere Chancen. Die Stadt verspricht sich einen bundesweiten Imagegewinn, eine Medienpräsenz, für die man ansonsten einen sechsstelligen Betrag ausgeben müsse. Der Tourismus werde davon profitieren, ist sich Broß sicher. Positive Effekte verspricht sich der OB auch für den Wirtschaftsstandort an der "Innovationsachse Zürich–Stuttgart". Broß übt den Schulterschluss mit der Gemeinde Neuhausen. Dort, auf den Fildern, ist der Sitz von TKE. Wegen der Nähe zum Stuttgarter Flughafen kann der Turm nicht in Neuhausen erstellt werden. Rottweil hilft also so mit, die rund 1200 Arbeitsplätze von TKE in Neuhausen zu sichern. Das betont auch der Europachef von TKE, Alexander Keller.
Alles freilich keine neuen Argumente. Nicht neu, aber bemerkenswert ist die Entwicklung auf 200 Meter Höhe. Mittlerweile scheint die in einer frühen Phase zunächst lediglich in Aussicht gestellte Besucherplattform fester Bestandteil des Turmprojekts zu sein. Keller legt sich fest: "Die Plattform ist beschlossen." Sie wird also kommen, öffentlich zugänglich sein, und dies nicht nur an Sonntagen, so die Zusage Kellers.
Bleibt das Problem mit der Stadtsilhouette. Für Broß könne beides, Turm und historische Innenstadt, nebeneinander existieren. Daran wird manch einer noch zu knabbern haben. Andere wiederum wie Rainer Armleder, der Macher des Ferienzaubers, haben einen anderen Blick: "Wir müssen den Turm mit aller Kraft nach Rottweil holen". Was nicht sein dürfe, so Armleder: Den Turm so lange zu zerreden, bis TKE das Weite sucht.
Das aber wird der Aufzugsbauer so schnell nicht machern. TKE will in Rottweil den Turm erstellen, in dem in zehn Schächten Hochgeschwindigkeitsaufzüge getestet werden sollen. Rottweil sei einfach der ideale Standort. Und damit nicht nur die älteste Stadt im Lande. Der Gemeinderat berät am morgigen Mittwoch über die Ergebnisse der Bürgerversammlung, am Mittwoch, 23. Oktober, soll der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst werden.
Egal nun, ob sich Karin Huonker ganz privat oder als GHV-Vorsitzende äußert: Sie ist für den Testturm in Rottweil und wirbt um Vertrauen. Fotos: Nädele
Fallen auf in ihren blau-gelben Shirts: Turm-Befürworter
Ute Bott erklärt, was die Turmkritiker an dem Projekt von TKE alles stört. Den Turm bezeichnet sie als "Monstrum".
Z uversicht und Skepsis sind unter den Zuhörern ungleichmäßig verteilt.