Eindrucksvoller Festgottesdienst in einer eindrucksvollen Kirche: Die evangelische Gemeinde feiert 750 Jahre Predigerkirche in Rottweil. Fotos: Siegmeier Foto: Schwarzwälder Bote

Predigerkirche: Viele Besucher beim Doppeljubiläum / Ein Zeugnis gelebter Ökumene

Rottweil. Sie ist eine "Kirche mit Bedeutung", ein "eindrucksvolles Zeugnis gelebter Ökumene" und die "Marienkirche der Herzen". Ja, die Rottweiler Predigerkirche hat viele Namen und eine beeindruckende Geschichte. Dies wurde beim Kirchenjubiläum am Wochenende von allen Rednern herausgestellt. Vor 750 Jahren wurde der Grundstein für das Gotteshaus gelegt. Seit 200 Jahren ist es evangelische Stadtpfarrkirche.

Sie ist evangelisch, und doch hat die Predigerkirche im überwiegend katholischen Rottweil eine besondere Stellung inne. In ihr wurde ein wichtiges Kapitel der Stadtgeschichte geschrieben. Bei den dreitägigen Jubiläumsfeierlichkeiten konnten die Gäste nicht nur in die Geschichte des Gotteshauses eintauchen, sondern sie wurden ein Teil von ihr.

Vielfältige Führungen, ein Taizé-Gebet zum Auftakt, der Festvortrag von Professor Werner Mezger und nicht zuletzt der Festgottesdienst am Sonntagvormittag zeigten die Relevanz der Stadtpfarrkirche. Ausschlaggebend für die Prominenz dürfte wohl die "Maria von der Augenwende", jene spätgotische Skulptur aus dem Jahr 1520 sein, die damals, im Kriegsjahr 1643, der Legende nach für die entscheidende Wendung gesorgt haben soll. All ihre Verteidigungskräfte hatten die Rottweiler damals zusammengenommen und konnten dann tatsächlich die französischen Truppen verjagen. Die Predigerkirche hat vieles zu erzählen. Im Jubiläumsprogramm wurde dies offenbar. So konnten Kinder und Erwachsene bei verschiedenen Führungen eine ganze Menge über das Bildprogramm der Kirche erfahren.

Festredner Werner Mezger sorgte am Samstagabend mit seinem Vortrag über die Bedeutung des Dachreiters, der in der Stadt der Türme durchaus Zeichen setzt, für ein nahezu volles Haus. Dass die Predigerkirche statt eines imposanten Turmes lediglich einen bescheidenen Dachreiter habe, sei kein Grund zur Traurigkeit. Alle Kirchen der Bettelorden, zu denen auch der Orden der Dominikaner zählte, seien turmlos. Die Türme hätten als menschliche Überheblichkeit gegolten, sagte Mezger.

Mit der Dominikanerkirche habe nicht nur die Gotik in Rottweil Einzug gehalten, sondern in dieser Kirche sei ein für Rottweil ganz entscheidendes Stück Geschichte geschrieben worden. Maria sei Dank. So könnte man beinahe schon die spätgotische Marienskulptur als Begründerin der Ökumene in der Stadt bezeichnen. Denn hätte es das Wunder von der Augenwende nicht gegeben, wie sähe die Stadtgeschichte heute aus?!

Pfarrerin Waldbaur: Kirche ist auch Heimat

Für gelebte und praktizierte Ökumene ist Rottweil über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Das war nicht immer so. Es gab auch Zeiten, da wurden die Protestanten mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt. Ja, ganze Familienverbünde wurden auseinandergerissen. Heute sieht das zum Glück anders aus.

Das wusste Albertus Magnus freilich nicht, als er vor 750 Jahren den Grundstein für das heute rosafarbene Gotteshaus, die einstige Klosterkirche, legte. Dass ausgerechnet dieser Albert der Große, eine solche Persönlichkeit, hier in Rottweil tätig war, das "ehrt diesen Ort bis heute", sagte Dekan Martin Stöffelmaier, der die Glückwünsche der katholischen Kirchengemeinde überbrachte. Dekan Sebastian Berghaus betonte ebenfalls, dass die Ökumene heutzutage zu einer Selbstverständlichkeit geworden sei.

"Die Predigerkirche ist mit ihrer Historie ganz fest in den Herzen der Rottweiler verankert", sagte Oberbürgermeister Ralf Broß in seinem Grußwort und betonte, dass es in der Stadt längst keine Glaubensbarrieren oder gar Abgrenzungen gebe, sondern man in ökumenischer Verbundenheit gemeinsame Veranstaltungen ausrichte.

Auch die Flözlinger Kirchengemeinde mit Pfarrerin Kristina Reichle war zu Gast. Schließlich wurden die ersten Protestanten Rottweils vom evangelischen Pfarrer aus Flözlingen mitbetreut. Mit ihrer herzerfrischenden Art gratulierte Reichle zum Jubiläum und freute sich darüber, dass die Gemeinden über die Arbeit im Distrikt zusammenrücken würden. Im Sommer soll es eine Predigtreihe im Distrikt geben, "bei der wir mit unseren Predigten in die benachbarten Gemeinden reisen", sagte Reichle. "Ich freue mich schon auf den Sonntag, an dem ich dort oben stehe", verkündete sie mit strahlenden Augen und Blick auf die Kanzel.

Pfarrerin Gabriele Waldbaur betonte in ihrer Predigt, dass Kirche auch Heimat sei. Der Mensch brauche Orte, an denen er die Nähe Gottes erfahren könne. Aber nicht der Kirchenraum sei es, der Heimat biete, sondern das Geschehen in diesem Raum.

Im Anschluss an den Festgottesdienst, der von den Pfarrerinnen Esther Kuhn-Luz, Gabriele Waldbaur und Annegret Künstel gehalten wurde, gab es ein gemeinsames Mittagessen. In der Kirche wurden Tische aufgestellt und in der Gemeinschaft wurde gespeist.

Zum Abschluss des Jubiläumsreigens nahm Kirchenmusikdirektor Johannes Vöhringer die Besucher am späten Sonntagnachmittag mit auf eine musikalische Reise durch acht Jahrhunderte Kirchengeschichte.