Auch mit Broschüren geizt die AfD nicht. Foto: Schulz

Die Alternative für Deutschland will im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen Fuß fassen. Ziel: 2.000 Unterschriften.

Von Armin Schulz

Kreis Rottweil. Drei Buchstaben, bei denen die Schwarzen rot sehen: AfD. Die Abkürzung steht für eine der jüngsten Parteien in Deutschland: für die im April gegründete Alternative für Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit ihrer "alternativlosen Politik" zur Euro-Krise vermutlich gehörig zum Entstehen der AfD, die den Euro in dieser Form ablehnt, beigetragen hat, würde sie ja am liebsten totschweigen. Das zumindest wurde vor Kurzem in der Öffentlichkeit kolportiert.

Dabei dürfte einer ihrer wichtigsten Leute, CDU-Fraktionschef Volker Kauder, es bald mit der neuen politischen Konkurrenz vor der eigenen Haustür zu tun bekommen. Die neue Alternative jedenfalls will in Kauders Wahlkreis Tuttlingen-Rottweil Fuß fassen. Vor Tagen hielt sie eine Informationsveranstaltung in Spaichingen ab. Jetzt wiederholte sie diese in der Weinstube Grimm in Rottweil.

Sicherlich: Kauder, der Direktkandidat der CDU im Wahlkreis, muss sich zum jetzigen Zeitpunkt um seinen Wiedereinzug in den Bundestag keine Sorgen machen. Bei der letzten Wahl 2009 erhielt er über 48 Prozent der Stimmen bei einem starken Auftritt der FDP (17,7 Prozent). Konkurrenz braucht er nicht zu fürchten – nicht bei den Kandidaten, die die anderen Parteien aufgestellt haben. Weder SPD, noch Grüne, noch FDP können Kauder am Zeug flicken.

Aber die AfD könnte ihm wehtun, wenn sie erreicht, wovon in einem Hinterzimmer der Weinstube an diesem Abend ganz offen gesprochen wird: über die Fünf-ProzentHürde zu kommen. Hinter vorgehaltener Hand ist sogar von einem Ergebnis nahe der 20 Prozent die Rede.

Egal nun, wie realistisch diese Zahlen sind. Bis zu 20 Besucher, die meisten keine Mitglieder, wollen wissen, welche Alternativen die Alternative zu bieten hat. Deren Anziehungskraft ist inzwischen so groß, dass im Laufe des Abends die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, die am Tag zuvor auf Einladung der Kreis-CDU im Kapuziner in Rottweil über die friedliche Revolution in Deutschland 1989/90 und Europa sprach, den Weg ins Hinterzimmer findet und aufmerksam zuhört. Und nicht nur das.

Dort schwört der stellvertretende Landesvorsitzende Helmut Schneider die Zuhörer auf seine Politik ein. Schneider lebt in Wolfach, arbeitet bei der AOK und hat ein Büro in Schramberg. Ebenfalls ein Wortführer ist der Schramberger Max Eugen Rapp.

Was Lengsfeld hört, scheint ihr zu gefallen. Beispielsweise zur Steuer- und Finanzpolitik. Die AfD fordert die Vereinfachung des Steurrechts (Schneider prangert an: "36 000 Gesetze bei 55 000 Ausnahmeregelungen"). Schnell kommt die Runde auf die Steuerverschwendung zu sprechen. Lengsfeld fordert, "Steuergeldverschwendung gehört genauso bestraft wie Steuergeldhinterziehung". Sie rät, die AfD solle das zum Wahlkampfthema machen.

Ein Thema ist auch Thilo Sarrazin, der mit provokanten Thesen zur Gesellschaftspolitik vor einiger Zeit von sich reden machte und damit beinahe einen Rausschmiss aus seiner Partei, der SPD, riskierte. Für ihn gibt es in der Runde ebenso Sympathien wie für die Aussage eines Zuhörers, jedem seinen Glauben zu lassen, auch dem Islam-Gläubigen. "Wenn es aber aggressiv wird, dann gehört er raus aus Deutschland".

Überhaupt geht die AfD mit diesen Themen – um es vornehm auszudrücken – offensiv um. Das betrifft auch die Felder Einwanderungs- und Asylpolitik. Die neue Alternative, die sich weder rechts noch links im Parteienspektrum sieht, sich laut Schneider dennoch "bürgerlich-rechts" positioniert, sagt von sich selbst, sie stehe dafür ein, auch unkonventionelle Meinungen zu vertreten. Darunter Ansichten, die bislang nicht zur Political Correctness gehören. Aber die AfD ficht nicht an, was man in Deutschland sagen darf oder nicht, sie tut es halt. Wie passend auch immer das im Einzelfall sein mag.

Dabei gibt es eine Sache, die den Neuling zu dem gemacht hat, was er heute ist: den Euro. Die AfD fordert eine "geordnete Auflösung des Währungszusammenschlusses". Wie sagte ein Zuhörer: "Um Europa zu halten, muss man aus dem Euro raus." Schneider fordert die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleiner und stabiler Währungsverbünde. Nicht allein um des Geldes wegen. Der AfD-Politiker macht sich Sorgen um den Frieden in Europa. Er sieht die Gefahr, dass es Streit gibt in Europa, und Deutschland sich mittendrin befindet. Mit Streit kennt sich die AfD aus. Im Landesverband Berlin fliegen zurzeit die Fetzen – Machtkampf pur.

Zunächst aber hat man andere Sorgen. Um im Land zur Wahl antreten zu können, benötigt die AfD 2000 Unterschriften von Wahlberechtigten. Bis Juli müssen diese vorliegen. Wenn diese Hürde geschafft ist, dann darf sich Kauder auf den einen oder anderen Ärger gefasst machen. Ob Merkel dann immer noch schweigen will? Mal sehen.