Berit Müller hat sich mit 25 Jahren der Herausforderung gestellt und leitet nun seit 18 Jahren die Maschinenfabrik. Fotos: Zelenjuk Foto: Schwarzwälder Bote

Porträt: Berit Müller führt seit 18 Jahren die Maschinenfabrik / Respekt musste sie                           sich hart erarbeiten

Das Büro von Berit Müller ist hell und nicht besonders groß. Auf dem Tisch liegen Fachzeitschriften, am Fenster klebt in bunten Buchstaben das Wort Mama. "Der Spagat zwischen Beruf und Familie? Den habe ich nicht", sagt die 43-jährige Geschäftsführerin der Maschinenfabrik August Müller. Man sieht ihr an, dass sie ihre beiden Rollen genießt.

Rottweil. F örderbänder, Grobbrecher, Schotter und Kies – und eine Frau, die sich damit auskennt? Berit Müller hat vor 18 Jahren die Verantwortung für die Firma ihrer Eltern und Großeltern übernommen und ist in der eher männlichen Domäne inzwischen voll in ihrem Element. Die 43-Jährige hat 70 Mitarbeiter und Kunden in der ganzen Welt. Erst vor Kurzem hat sie mit ihrem Team das 125-jährige Bestehen der Maschinenfabrik August Müller groß gefeiert. Den Respekt, den sie heute hat, musste sie sich hart erkämpfen.

Eigentlich sei es nie ihr Plan gewesen, ins Familienunternehmen einzusteigen, erinnert sie sich. "Ich bin mit der Firma aufgewachsen, aber ich wollte meinen eigenen Weg gehen. Es war von Anfang an klar, dass mein Bruder die Leitung übernehmen wird. Es gab nie Neid oder Streitereien. Es ist ja auch verständlich, dass in solcher Branche eher der Sohn bevorzugt wird als die Tochter", sagt sie.

Müller hat Ernährungs- und Hygienetechnik studiert und wollte nach einem einjährigen Aufenthalt in Australien dort bleiben und auf dem fernen Kontinent in der Lebensmittel- oder Pharmabranche Fuß fassen. Doch durch einen tragischen Autounfall, bei dem ihr Bruder 2001 tödlich verunglückt war, kam es anders.

Die damals 25-Jährige hat sich der Herausforderung gestellt und den Sprung ins Ungewisse gewagt. "Ich habe mir gedacht: Ich schaue es mir an", erinnert sie sich. Für Müller ist es zu einer erfüllenden Aufgabe geworden.

Aber: Schwere Maschinen, riesige Schotterwerke – und eine Frau als Chefin? Passt das überhaupt? "Heute gibt es keine Vorurteile mehr", weiß sie. Am Anfang sei es vor allem im Außendienst noch ganz anders gewesen. "Mir wurde schnell klar, dass ich als 25-jährige Frau einem Kunden nie eine Aufbereitungsanlage für einen Steinbruch verkaufen werde. Das funktioniert einfach nicht." So habe es sich ergeben, dass sie Geschäftsführerin vor Ort geworden sei. "Wenn man will, kann man alles lernen", ist Müller überzeugt. Doch als Geschäftsführerin braucht sie nicht nur das Fachwissen. "Man braucht einen breiten Buckel und gute Nerven", zählt sie auf, "aber auch das Feingefühl und die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Menschen umgehen zu können". Und man sei auf Menschen angewiesen, die einem den Rücken stärken. Müller habe vor 18 Jahren das Glück gehabt, dass ihr die Mitarbeiter die Chance gegeben hätten. "Damals wusste ja keiner, wie es weitergeht. 50 Familien sind in der Luft gehangen. Doch sie sind alle geblieben", sagt sie.

Inzwischen 70 Mitarbeiter

I nzwischen ist die Belegschaft auf 70 Mitarbeiter gewachsen, und das Unternehmen ist viel internationaler geworden – unter anderem, weil die Chefin perfekt Englisch und Französisch spricht. "Damals haben es ganz viele familiengeführte Unternehmen nicht überlebt. Wir haben das Blatt komplett gewendet und auch neue Märkte erobert", sagt Müller nicht ohne Stolz.

Seit 2004 ist auch Müllers Ehemann in der Firma. Als Vertriebsleiter hat er ebenfalls eine wichtige Führungsposition. "Wir versuchen, Privates und Berufliches konsequent zu trennen", macht die 43-Jährige klar. "Ich arbeite neben ihm und habe ganz andere Tätigkeiten. Ich kann ihm gar nicht reinreden. Und das funktioniert wirklich gut." Auch die Kinder, der 13-jährige Sohn Ben und die neunjährige Tochter Tia werden mit der Firma groß. "Jeder im Betrieb kennt die beiden", sagt Müller. Doch Druck von den Eltern gebe es nicht: "Sie dürfen alles lernen, was sie wollen."

Durch die flexiblen Arbeitszeiten hat Müller Zeit für ihre Familie. Für sie ein wichtiger Aspekt. "Ich möchte keine Mikrowellen-Kinder", meint sie. Nachmittags arbeitet die Fabrik-Chefin deshalb immer im Home-Office. Nach dem Mittagessen mit den Kindern wird dann der PC hochgefahren. "Es kommt auch vor, dass ich auch noch um 22 Uhr den Rechner wieder anmachen muss", räumt sie ein. Aber so sei eben ihr Job: 70 Existenzen von Projektleitern, Konstrukteuren, Schlossern und Monteuren hängen davon ab, wie erfolgreich sie das Unternehmen managt. Müller ist mit der Auslastung zufrieden – trotz branchenbedingter Schwankungen. "Wir können uns nicht beschweren, es sieht gut aus." Ihr Erfolgsgeheimnis? "Wir sind eine große Familie. Wir haben flache Hierarchien, und das ganze Team zieht mit." Sie selbst sei lieber "eine kooperative Chefin als böse Hexe", sagt sie schmunzelnd. Abmahnungen schreiben oder Entlassungsgespräche führen – das muss zwar auch sein, aber viel lieber führt sie Telefonate mit Kunden auf der ganzen Welt und kümmert sich um das Controlling.

"Eine Firma ist wie eine große Verwandtschaft, hier gibt es unterschiedliche Charaktere", weiß sie. Kollegiales Verhalten ist ihr besonders wichtig, und als Chefin sucht sie den Mittelweg zwischen Strenge und Loyalität. "Arbeiten ist nicht nur Party", macht sie deutlich. "Aber die Mitarbeiter bekommen auch zu spüren, dass sie mir viel wert sind."