Rottweil - "Rottweil bei Nacht – das bedrohte Dunkel" – wenn es um das Thema Lichtverschmutzung geht, wird Siegfried Bergthal bewusst ein bisschen plakativ. Der Göllsdorfer Hobbyastronom nimmt die "Earth-Hour" und den Astronomietag, die beide auf Samstag, 30. März, fallen, zum Anlass, für das Thema zu sensibilisieren.

Welchen Unterschied es macht, ob eine Lampe gezielt nach unten auf die Straße leuchtet, oder nach oben in den Himmel strahlt, zeigen die Fotos von Siegfried Bergthal. Das Thema ist ernst. Denn unter zunehmender Lichtemission leidet nicht nur der Mensch. Dass in Deutschland in einem Sommer etwa 60 Milliarden Insekten an Straßenlaternen verenden, spiele in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Diese Insekten fehlten anderen Tieren als Nahrungsquelle. "Umweltschutz findet bei uns nur am Tag statt", kritisiert Bergthal.

Vor rund vier Jahren hatte der Schwarzwälder Bote schon einmal über Lichtverschmutzung und die Arbeit des Hobbyastronomen berichtet. Wenn dieser heute nächtens vom Dissenhorn auf die Umgebung schaut, hat sich augenscheinlich nicht viel verändert. Einige Straßenzüge Göllsdorfs sind dunkler. "Die neuen LEDs der Straßenlampen strahlen gezielt nach unten und erzeugen deutlich weniger Streulicht", betont Bergthal.

Saline ein Negativbeispiel

"Extrem negativ" hingegen habe sich die Saline entwickelt. "Die Parkplatzbeleuchtung ist deutlich zu hell, und der Werbe-Quader strahlt ohne Abschirmung das Licht in den Himmel", kritisiert der Göllsdorfer. Immerhin – die Parkplatzbeleuchtung werde zu später Stunde abgeschaltet. Eine Fotografie – aufgenommen am 23. Februar vom Modellflugplatz auf dem langen Berg – zeigt, welchen Unterschied es macht, ob ein Objekt gut beleuchtet wird, oder nicht. Auf der Panoramaansicht sind sowohl die Rottweiler Innenstadt mit einem gleißenden Kapellenturm, als auch der moderat beleuchtete Thyssen-Testturm zu sehen. "Ein Großteil des Lichtes geht am Kapellenturm vorbei und erhellt die Nacht. Das wurde auch schon 2015 thematisiert – bislang ohne Erfolg", sagt Bergthal. "Thyssen-Krupp Elevator kann das besser. Obwohl der Turm auch von unten angestrahlt wird, entsteht kaum Streulicht."

Im Zentrum andere Regeln

Die Stadt betont, dass bei der Innenstadt die Vorgabe gelte, die historischen Kandelaberleuchten zu erhalten. Lediglich die alten Quecksilberdampflampen seien gegen LED-Plugin-Lampen ersetzt worden. "Hier ist neben einer wärmenden Lichtfarbe auch eine Lichtstreuung an den Häuserfronten erwünscht, um auch bei Nacht eine dem historischen Ambiente angemessene Atmosphäre in der Innenstadt entstehen zu lassen", so Pressesprecher Tobias Hermann.

Bergthal, der mit einer an seinem Auto angebrachten Messeinrichtung in wolken- und mondlosen Nächten in der Region unterwegs ist, um die Helligkeit des Himmels zu vermessen, betont, dass es am Modellflugplatz in Göllsdorf etwa doppelt so hell ist, wie beispielsweise zwischen Fohrenbühl und Hornberg – den bislang dunkelsten Orten in der Region. Wird die Nacht immer mehr zum Tag? Bergthal weist darauf hin, dass jeden Tag zusätzlich eine Fläche von 0,4 Quadratkilometern beleuchtet wird und die wirklich schwarze Nacht zunehmend verschwindet.

Die Stadt betont, dass sie das Thema Lichtverschmutzung sehr ernst nehme. "Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen oder der Erteilung von Baugenehmigungen stehen wir diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Fachbehörden und achten strikt darauf, dass die umweltschutz- und naturfachlichen Vorgaben eingehalten werden", so Hermann.

Den größten Teil der kommunalen Lichtemission verursache die Straßenbeleuchtung. Das zeigen auch Bergthals Bilder. "Gerade hier haben wir in den vergangenen Jahren aber große Anstrengungen unternommen, die Energieeffizienz zu erhöhen. das dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch (...) der Reduktion der Lichtverschmutzung", schreibt die Stadt. So sei bei der Umrüstung auf LED darauf geachtet worden, dass die eingesetzten Leuchten ihr Licht zielgerichtet nach unten abstrahlen.

Stadt der Sterne

Für die Umrüstung von rund 2500 Straßenlaternen auf LED wurde Rottweil im September 2018 vom Umweltministerium des Bundes gewürdigt. Ein Zeichen für den Klimaschutz wolle die Stadt auch mit der Beteiligung an der "Earth Hour" setzen (untenstehender Bericht). Am Schwarzen Tor, Kapellenturm, Hochturm und Alten Rathaus wird die Beleuchtung für eine Stunde ausgeschaltet.

Bergthal findet allerdings, dass die Stadt mehr tun könnte, um die Lichtverschmutzung zu reduzieren. Sie könnte Vorreiter sein. So wie Fulda, das 2017 von der International Dark-Sky-Association als "Sternenstadt" ausgezeichnet wurde. Die Landesgartenschau könnte ein Anreiz sein.

Weitere Informationen: www.astronomie-rw.de oder www.wwf.de/earthhour

Info: Lichtsmog

Lichtverschmutzung bezeichnet die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen, deren Licht in der Atmosphäre gestreut wird. So kann künstliches Licht zum Beispiel den Anblick des Sternhimmels behindern oder ihn gar unmöglich machen. Häufig ist auch von Lichtsmog die Rede. Doch die Aufhellung des Nachthimmels hat auch Konsequenzen für Mensch und Natur: Tagaktive Tiere sowie Menschen brauchen die Dunkelheit zum Schlafen und Regenerieren. Nachtaktive Tiere brauchen sie für die Nahrungssuche und manche sogar für die Fortpflanzung. Pflanzen benötigen den Rhythmus von Hell und Dunkel für die Fotosynthese.

Quelle: Initiative gegen Lichtverschmutzung