Drei Jahre lang hat Stephan Schelle die Videothek im Bahnhofsgebäude weitergeführt. Nun muss er auch sie schließen. Foto: Cools

McVideo schließt am 17. August. Kampf gegen das Internet ist verloren.

Rottweil - Nach 19 Jahren zwischen Blockbustern, Horrorstreifen und Liebeskomödien ist für Stephan Schelle Schluss. Am 17. August schließt er seine Filiale am Rottweiler Bahnhof. Gründe sind vor allem die wachsende Konkurrenz durch Streaming-Dienste und Personalmangel.

Es sind die letzten Tage, die Stephan Schelle in Gesellschaft von Tom Hanks, Leonardo DiCaprio und Konsorten verbringt: Am 17. August wird "Mc Video Multimedia" im Rottweiler Bahnhofsgebäude schließen. Bis dahin sollen die Regale leer sein. Alles muss raus. Die Wehmut ist Schelle deutlich anzumerken. Schließlich hat er mit dem Verleih und Verkauf von DVDs und Blu-Ray-Discs fast zwei Jahrzehnte lang seinen Lebensunterhalt bestritten.

Die Liebe zu Filmen entdeckte der 50-Jährige aus Osnabrück während seines Studiums der Textilbetriebswirtschaft in Nagold. Dieses war so teuer, dass er gleich zwei Nebenjobs annahm, um finanziell über die Runden zu kommen. Bei einem arbeitete der gelernte Einzelhandelskaufmann in einer Videothek. Später leitete er dann die Filiale einer großen deutschen Warenhauskette in München.

Sprung ins kalte Wasser

Als er von der Chance erfuhr, eine Videothek in Oberndorf übernehmen zu können, nutzte er sie. "Es war ein Sprung ins kalte Wasser und ein Wagnis, einen sicheren Job aufzugeben", erinnert sich Schelle. Seine erste Filiale übernahm er 2000 in der Oberndorfer Talstadt – nicht ohne Sorge. Bei seiner Ankunft habe er sich erst einmal gedacht: "Oh Gott, welchen Fehler hast du da gemacht".

Doch die Rechnung ging auf. Von Anfang an setzte Schelle auf DVDs, die Stück für Stück die VHS-Kassetten ablösten, später dann auf Blu-Ray-Discs. Er kaufte auch Filme von privat an und erweiterte das Sortiment stetig. Das Geschäft boomte. "Die Blockbuster gingen am besten über die Ladentheke", meint Schelle. Es lief so gut, dass er drei Jahre später eine Filiale in Sulz eröffnete. Und er bildete sogar eine junge Frau bei sich aus. "Ich musste bei der IHK ganz schön kämpfen, dass die Ausbildung anerkannt wird."

2013 übernahm er die Rottweiler Videothek in der Schramberger Straße und schloss die Zweigfiliale in Sulz. Er habe viel Geld in die Renovierung gesteckt und ein ziemlich heruntergewirtschaftetes Geschäft gerettet, erinnert sich der Filmexperte an die Anfänge in Rottweil.

Der Kampf gegen das Internet ist verloren

Drei Jahre später musste Schelle weichen – die Eigentümer hatten das Gebäude an die Stadt verkauft. Der gelernte Einzelhandelskaufmann entschied sich, den früheren Durchgang im Rottweiler Bahnhofsgebäude zur Videothek umzubauen und den Bahnhofsshop, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit zehn Jahren brach lag, wiederzubeleben. Vor eineinhalb Jahren kam der erste Paukenschlag: Stephan Schelle schloss seine Videothek in Oberndorf. Der Grund war vor allem, dass er kein Personal fand. Er hätte gleichzeitig hinter den Tresen zweier Filialen stehen müssen. Fortan war Rottweil der Hauptsitz und die letzte verbleibende Filiale. Doch auch da wurde die Personalsuche zum Problem. "Die Arbeitszeiten sind nicht besonders attraktiv. Wir haben bis spätabends und auch samstags geöffnet."

Hinzu komme, dass das Internet und Streaming-Dienste den Videotheken das Wasser abgraben. "Lange konnten wir uns mit guter Beratung der Kunden wehren", meint Schelle. Mittlerweile sei es jedoch so, dass der Käufer ein möglichst großes Angebot fordere und dabei so wenig wie möglich zahlen wolle.

Deshalb sei es nun Zeit, die Notbremse zu ziehen, auch wenn er den Umsatzeinbruch mit der Lottoscheinannahme und dem Paketdienst größtenteils auffangen konnte. "Das reicht jetzt nicht mehr." Bei aller emotionaler Bindung: Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Im DVD-Bereich betrage der Umsatz 40 Prozent weniger als vor zehn Jahren.

Nach 19 Jahren zwischen Spielen und Filmen werde es Zeit, sich einer neuen Herausforderung zu stellen, sagt der Inhaber, der sich beruflich umorientieren muss, und wirft einen letzten wehmütigen Blick auf die Regale, die in gut einer Woche geräumt sein müssen.

Kommentar: Das letzte Einhorn

Einer der ersten Filme, die ich als Kind gesehen habe, war "Das letzte Einhorn" auf VHS-Kassette. Die habe ich so oft zurückgespult, dass das Einhorn eines Tages nur noch flimmernd und ruckelnd über die Mattscheibe des Röhrenfernsehers sprang. Und als mein Recorder kaputtging und ich auf der Suche nach jemandem, der ihn repariert, nur ein mitleidiges Lächeln erntete, musste ich einsehen: Diese Ära ist zu Ende. So war es auch mit meinem Besuch in einer Videothek. Früher war ich dort wöchentlich, zuletzt gar nicht mehr. Netflix, Amazon Prime, Maxdome – dort kriegt man alles schneller, günstiger und in besserer Qualität. Mehr Spaß habe ich dabei aber nicht. Mir fehlt das Haptische, das Erlebnis, vor dem Regal zu stehen und mit Bedacht einen Film auszuwählen. Aber letztlich ist es mit der Videothek leider wie mit dem Einhorn: Beide sind Geschichte.