Foto: Matt Petit/Ampas Handou

Witwe des Rottweiler Künstlers Siegfried Haas kennt Oscar-Gewinner. Auszeichnung stimmt glücklich.

Rottweil - Einmal Leonardo DiCaprio in die Augen sehen, mit ihm unter Blitzlicht über den roten Teppich schreiten, seine Hand halten oder in seinem Privatjet nach Paris fliegen. Undenkbar? Nicht mal in den allerkühnsten Träumen? Für eine alte Dame wurde all das wahr.

"Leonardo DiCaprio hat den Oskar gewonnen", strahlt Cornelia Haas. Die Umstehenden nicken wissend. Sie zückt das Handy und wie selbstverständlich zeigt sie Bilder. "Meine Schwiegermutter war im Januar mit ihm auf der Premiere seines Filmes in Rom und Paris", erzählt sie strahlend. "Und jetzt gewann er den Oscar, wie schön".

Cornelia ist die letzte der Familie Haas, die aus beruflichen Gründen regelmäßig nach Rottweil kommt. Erst unlängst musste sich ihr Mann Andreas Haas der Lostrommel bei der Wahl zum Ersten Beigeordneten geschlagen geben. Für ihn immer noch ein trauriges Kapitel. Er wäre sehr gerne Bürgermeister von Rottweil geworden. Die Umstände, die es ihm nicht ermöglichten, schmerzen immer noch. Mit seiner Mutter Ingrid Haas war er bereits auf der Suche nach einer neuen Bleibe in der alten Heimat. Auch sie wäre gerne zurückgekehrt.

Haus in der Rottweiler Klippeneckstraße war immer auch Stätte der Begegnung

Ingrid Haas, die mit Leo durch den Jetset tingelte, beginnt das Gespräch nicht mit ihrem unglaublichen Erlebnis. Sie erzählt von ihrem "wunderbaren Leben" in Rottweil. Die Familie, mit ihren Wurzeln im Norden des Landes war über Schramberg und Riedlingen nach Rottweil gezogen. Immer im Schlepptau von Bruder Innozenz, dem stadtbekannten Heilpraktiker und besten Freund von Siegfried Haas, ihrem Mann, dem 2011 verstorbenen Rottweiler Künstler. In der Klippeneckstraße wurde ein großes Haus für die Familie gebaut. Fünf Kinder waren zu diesem Zeitpunkt schon geboren, drei sollten in Rottweil folgen. "In unserem Haus waren alle willkommen", erzählt die heute 95-jährige Dame.

Ihre Kultur der offenen Arme, ihre Wärme, die sie immer noch ausstrahlt und der unkonventionelle Umgang habe der Familie ein stets volles Haus beschert, erzählt ihr Sohn Andreas von einer glücklichen Kindheit. Wichtigtuerisches Gehabe um die Begegnung mit Leo gäbe es daher nicht bei der Familie Haas. "Er ist ein wirklich netter Kerl", beschreibt ihn Ingrid Haas lächelnd – mehr ist in ihren Augen auch gar nicht wichtig. Das Haus Haas war immer auch eine Begegnungsstätte von Künstlern. Das prägte die Kinder bis hin zu den Enkelkindern. "In unserem Wohnzimmer begannen 1970 die Sommersprossen", erzählt Andreas Haas.

Verbindung zum Hollywood-Star kommt über Enkel Lukas zustande

Kulturschaffende wie der ehemalige Musiklehrer des Albertus-Magnus-Gymnasiums Anton Betzler, die Goritzki-Brüder und Vertreter der Banken wurden eingeladen und Konzerte gehalten. "Eine wunderschöne Zeit", erinnert er sich. Später, als das große Wohnzimmer die vielen Besucher nicht mehr fassen konnte, wechselten die Sommersprossen, die damals noch Kammerkonzert hießen, in das Aufbau-Gymnasium. Endlich mal hinter die Fassaden des Mädcheninternats blicken, schmunzelt Haas.

Noch etwas höhere Fassaden erklomm seine Mutter. Indes besteht die Verbindung zwischen Leonardo DiCaprio und der Familie Haas schon seit einer kleinen Ewigkeit. "Er ist der beste Freund von meinem lieben Enkel Lukas", erzählt die alte Dame. Die beiden wären seit ihrer Jugend unzertrennlich, und leben heute, zwar in verschiedenen Wohnbereichen, aber in einem gemeinsamen Haus. Ihr Sohn Berthold habe in Deutschland eine Amerikanerin geheiratet und sei später in ihre Heimat gezogen. Lukas wurde in Kalifornien geboren, und stand von Kindesbeinen an vor der Kamera. Sein ältester Film "Der einzige Zeuge" mit Harrison Ford kam am Samstag im Fernsehen. Als Kinderstar sehr erfolgreich, interessiert er sich inzwischen mehr für die Musikbranche, taucht aber auch noch heute in namhaften Filmen wie jüngst in dem Film "The Revenant", für den Leonardo DiCaprio als Hauptdarsteller mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, auf. Der Kontakt zwischen den Familien habe unter der großen Entfernung nie gelitten, erzählt Andreas Haas von großen Familienfesten, die regelmäßig auch Lukas besucht. Zudem liebe er die Rottweiler Fasnet.

Besuch des Vatikans in Rom übertrumpft noch die Premierenfeier

Lukas’ Wunsch, einmal mit der Oma zu verreisen, stand dabei immer im Raum. Und der Anlass, der sich endlich ergab, hätte spannender und ereignisreicher kaum sein können. Lukas Haas lud die 95-Jährige dazu ein, ihn und Leonardo DiCaprio auf zwei Stationen der Premierentour zum Film "The Revenant", zu begleiten. Anstrengend war die Reise nicht, "sie war etwas Besonderes", erzählt die rüstige Dame munter.

Zum Start ihres Abenteuers befand sich die Filmcrew mit Leo und Lukas bereits in Rom. Mit ihrer Tochter Rebekka flog sie am 14. Januar hinterher. Bei der Audienz beim Papst war sie nicht dabei, erzählt sie. Aber auf der geführten Tour durch die privaten Gemächer des katholischen Oberhaupts. Auf den Fotos (die die Familie gemäß dem Wunsch des Schauspielers nicht veröffentlichen möchte) erkennt man sie mit Leo, der sie an der Hand eine Treppe hinunterbegleitet. Für sie nicht weiter erwähnenswert. Der Besuch des Vatikans hingegen schon: "Ich bin sehr fromm, es war ein schönes Erlebnis". Doch vor allem blieb ihr "die lange Tafel" im Hotel in Erinnerung. Die ganze Crew (etwa 60 Personen) habe an nur einem Tisch gespeist, erzählt sie begeistert.

Von Rom ging es weiter nach Paris. Der Flug im Privatjet von Leo sei für sie kein bemerkenswertes Privileg. Aber: "Es war wunderbar bequem in dem Sessel, und bewegen konnte man sich auch." In Paris stieg die Crew im Hotel "Le Bristol" ab. Eine ganze Etage sei gemietet worden, um die Privatsphäre von Leo zu bewahren. Wie in Rom besuchte Ingrid Haas auch in Paris die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Meist in Begleitung von Leos Mutter Irmelin, die in Oer-Erkenschwick, Nordrhein-Westfalen, geboren wurde. Sie hätten sich glänzend verstanden. Zur Filmpremiere wären sie von einer "Armada Tesla Limousinen" abgeholt worden. Den roten Teppich, auf dem sie Leo Hand in Hand zur Premiere begleitete, hat sie weniger gut in Erinnerung. Furchtbar laut sei es gewesen. Überall Fotografen und Fans, die "wahnsinnig laut" geschrien haben. "Warum machen die das?"

Leo erzählt im Gespräch von seiner geliebten Großmutter

Den Film "The Revenant" nahm die alte Dame nur mit einem halben Auge wahr. "Ich habe etwas Besonderes erlebt. Aber mir war die familiäre Ebene, die sich während dieser fünf Tage entwickelte, sehr viel wertvoller". Insbesondere die intimen Gespräche mit Leo über seine Großmutter, die vor acht Jahren verstorben ist. Er vermisse sie sehr.

In Paris verabschiedete sich Ingrid Haas von Lukas und Leo, aber zu ihrem jetzigen Zuhause im Tübinger Pflegedienst St. Franziskus zog es sie noch nicht. Sie begleitete ihre Tochter Rebekka, die mit dem Regisseur Sinan Çetin verheiratet ist, noch für zwei Wochen in deren Heimatstadt Istanbul.