Der frühere Profiboxer Luan Krasniqi verteidigt vor Gericht seine Ehre – gegen Teile seiner eigenen Familie. Foto: dpa

Familie um den berühmten Ex-Profiboxer trifft sich im Gerichtssaal und kocht eine langjährige Fehde auf.

Rottweil - Es geht um Streit, um Familienangelegenheiten, um die Ehre. Es geht um die Familie Krasniqi. Mittendrin der berühmte Sohn, der frühere Profiboxer Luan Krasniqi. Und es geht um eine wilde Schlägerei in der Helios-Klinik und vor allem um die Frage: Wer hat zugeschlagen?

Es ist eine lange Familiengeschichte. Der unheilvollere Part davon reicht wohl 25 Jahre und länger zurück, wobei die Gründe für die Fehde im Dunkeln liegen. Gestern folgt der unrühmliche Höhepunkt: Vor Gericht in Rottweil trifft sich ein Großteil der Familie. In dem Zivilverfahren wird eine Sache aufgerollt, die über ein Jahr zurückliegt: eine offensichtlich wilde Schlägerei in und vor dem Rottweiler Krankenhaus am 6. Mai 2012.

Dort kommt an jenem Tag nach und nach die Familie zusammen, weil Luans Mutter nach einem Sturz operiert werden soll. Angehörige, die vor Jahrzehnten im Streit auseinandergegangen sind und seitdem kein Wort mehr miteinander gesprochen haben, treffen aufeinander. Es geht um die Umstände, die zum Sturz der Mutter geführt haben und um die Ehre: Es kommt zu gegenseitigen Provokationen, ein Wort ergibt das andere, plötzlich geht eine Sprudelflasche zu Bruch. Der Streit endet in einer Keilerei – und nun, etliche Monate später, vor Gericht. Auf der Beklagtenseite findet sich Luan Krasniqi zusammen mit einem seiner Brüder wieder. Auf der anderen Seite, als Kläger, tritt sein Neffe Kushtrim auf.

Das will nicht zu der Heldengeschichte um Luan Krasniqi passen. Jenen Sohn, der als Profiboxer Karriere machte und es dabei fast auf den Box-Olymp geschafft hätte. 2005 war das. Doch der tapfere Luan, jüngstes von acht Kindern einer kosovo-albanischen Familie, muss den Kampf gegen WBO-Titelverteidiger Lamon Brewster (USA) in der neunten Runde aufgeben. Den Kampf verliert er, doch er gewinnt viele Sympathien. Danach indes kommt er nicht mehr so recht ins Geschäft. Ende 2011 beendet Luan Krasniqi seine Profi-Laufbahn. Der Kampf geht dennoch weiter, nur die Bühne ändert sich und die Gegner sind andere. Die Kontrahenten kommen aus der eigenen Familie. Der Neffe und ein Bruder beschuldigen das Ex-Schwergewicht, es habe an jenem 6. Mai die Fäuste fliegen lassen. Mehrere Schläge gegen den Kopf werfen sie dem 42-Jährigen vor und verlangen ein Schmerzensgeld.

Die Atmosphäre vor dem Gerichtssaal knistert vor Spannung wie in einer Boxarena. Aus dem Privatmann Luan Krasniqi wird wieder der Boxer.

Vor dem Eingang bleibt er stehen, dreht sich zur Seite. Einige Sekunden lang sucht er den Blickkontakt zu seinen Kontrahenten, die sich zusammen mit ihrem Rechtsanwalt Bernhard Mussgnug aus Tuttlingen am anderen Ende des Gangs versammelt haben. So hat er es unzählige Male vor Wettkämpfen gemacht, bevor die Fäuste flogen. Er setzt sich demonstrativ auf die Bank neben dem Eingang, damit sein Neffe an ihm vorbeigehen muss. Sein Rechtsanwalt, Joachim Rain aus Ludwigsburg, riecht den Braten und bugsiert ihn in den Saal.

Vier Zeugen sind geladen, Schwestern und ein Bruder, der Vater von Kushtrim Krasniqi, der sich zu den Opfern der Auseinandersetzung zählt und die Angelegenheit auch schon strafrechtlich hat prüfen lassen. Doch die Staatsanwaltschaft winkte ab und betrachtete den Disput als Privatangelegenheit.

Es steht Aussage gegen Aussage. Luan bestreitet, Schläge ausgeteilt zu haben. Er habe sich rechtzeitig entfernt und von Weitem die Auseinandersetzung verfolgt. "Es war schlimm." Er wirft der Gegenseite vor, ihn blamieren, seine Reputation zerstören zu wollen. Er kommt auf die lange zurückliegende Familienfehde zu sprechen und äußert, es gebe Vorfälle in der Familie, er spricht von Erpressung.

Das freilich interessiert das Gericht nicht. Doch eine Klärung der Sache ist nicht in Sicht. Nach einem Vergleichsvorschlag einigen sich die Parteien: Die Beschuldigten zahlen ein Schmerzensgeld von 1500 und 1000 Euro, ohne, wie es juristisch heißt, die Anerkennung einer Rechtspflicht. Beide Parteien einigen sich auch, die gegenseitigen Vorwürfe fallen zu lassen. Der Kampf ist beendet, ohne entschieden worden zu sein.

Ob das zum Familienfrieden beigetragen hat? Daran darf gezweifelt werden.