Weil diverse Rottweiler – die Stadtkapelle bei der Musik, der Bürgerchor bei den Arbeiterinnen und Gemeinderatsmitglieder bei den Schauspielern – ins Sommerstück eingebunden sind, wirkt es vom ersten Moment an authentisch.
Und dann ist da noch der Reiz des Neuen – "Backfire for Max" ist eine Uraufführung, etwas, das noch nie jemand zuvor gesehen hat, die Lieder der musikalischen Revue wurden extra für Rottweil geschrieben und komponiert.
Im Stück wird dann von Beginn an klar: Max von Duttenhofer, gespielt von Meinolf Steiner, ist ein Genie, ein Chemiker durch und durch, der auf Berechnungen und die Wissenschaft vertraut. Ein richtiger Global Player, der manchmal ins "Denglisch" verfällt, einer, der immer nach mehr strebt und dabei über Leichen geht.
Grenzen verschwimmen
Seine Frau Anna (Petra Weimer) versinkt derweil in Einsamkeit in ihrem goldenen Käfig. Ihr einziger Trost sind ihre Gedichte und die Verbindung zu Gott. Sie ist das Gegenstück zu Max: emotional, loyal, träumerisch und an mancher Stelle prophetisch: "Aus dem Dunkel, aus unserer eigenen Nacht kommt alles."
Während sie sich selbst wie Schießpulver fühlt, das im Wind verweht, gibt es für Max nur eine Richtung: an die Spitze. Die Villingendorfer Arbeiterinnen, die in seiner Pulverfabrik unter unmenschlichen Bedingungen schuften und sich beklagen, dass ihre Haut vom Schwefel schon ganz gelb ist, feuert Duttenhofer kaltherzig.
Bewundern lässt er sich derweil von einer Liebhaberin für seine Errungenschaften, insbesondere sein rauchloses Pulver und den Einfluss auf die Automobilbranche. Doch das alles ist nicht genug. Er will mehr und geht eine fatale Fusion mit dem Teufel (Boris Ben Siegel) ein. Der Deal: Für neuartiges Schießpulver aus Frankreich muss Duttenhofer mit seiner Seele bezahlen.
Als der Unternehmer seinen schrecklichen Fehler erkennt, ist es bereits zu spät. Er sieht die eigene Kugel kommen und kann sie doch nicht abwenden. Das Symbol seines Triumphes bringt ihn zu Fall.
In der Theatergruppe brodelt es derweil. Duttenhofers Tod soll mit einer absurden Plastik-Riesenwaffe inszeniert werden, so der Wunsch der Sponsoren. Der Deal für die Finanzierung hat einen Preis: die künstlerische Freiheit. Dass das Zimmertheater damit auch eine Botschaft an die Stadt schickt, ist nicht schwer zu erraten.
"Duttenhofers Arbeiter sind die Vergessenen der Geschichte", heißt es im Stück, im Gegensatz zum strahlenden Unternehmer und seiner revolutionären Erfindung. Etwas, das sich heute fortsetzt, wie die Intendanz zeigen will, wenn auch in anderer Form. Der Kapitalismus hat alles fest in seinen Fängen und schnürt die Luft zum Atmen ab. So schlägt auch die Vergangenheit bei der Gruppe ein wie eine Kugel, reißt die Schauspieler hinab und lässt die Grenzen zwischen damals und heute, Fiktion und Realität verschwimmen. Mancher verliert den Verstand, als ihm der Spiegel vorgehalten wird.
Auch die Zuschauer spüren durch das Stück im Stück, dass sich die Zeiten zwar geändert haben mögen, die Konflikte aber immer noch die gleichen sind. Bei aller Tragik und Kritik ist das Stück jedoch keins, dessen Moralin dem Zuschauer sauer aufstößt. Es ist eine Komödie, die von der passenden Besetzung, humorigen Dialogen, Tanzeinlagen und der Selbstironie lebt.
Kommentare
Artikel kommentieren
Bitte beachten Sie: Die Kommentarfunktion unter einem Artikel wird automatisch nach sieben Tagen geschlossen.