Es ist ein Vorzeigeprojekt der Stadtoberen: die Jugendherberge. Seit einem Jahr ist sie in Betrieb und sorgt für großen Ärger hinter den Kulissen. (Symbolfoto) Foto: dpa

Anwohner Thomas Pahl gewinnt Rechtsstreit. Bebauungsplan teils unwirksam. Herbergs-Betreiber sauer auf Stadt.

Rottweil - Es ist ein Vorzeigeprojekt der Stadtoberen: die Jugendherberge. Seit einem Jahr ist sie in Betrieb und sorgt für großen Ärger hinter den Kulissen. Die Stadt verliert nicht nur einen Rechtsstreit gegen einen Anwohner, sondern, wenn es so weiter geht, auch einen wichtigen Partner: das Herbergswerk. Thomas Pahl ist ein kommunikativer Mensch. Und er ist ein Nachbar der Rottweiler Jugendherberge.

In dieser Eigenschaft würde er sich seit zwei Jahren gerne mit Stadt und Jugendherbergswerk unterhalten. Das jedoch habe die Verwaltung offensichtlich nicht nötig, meint er. An seinen Bedenken hat das nichts geändert. Schon 2011 hatte er eingewandt, dass Lärm und Verkehr durch die Unterkunft mitten in der Stadt zunehmen könnten. Er habe mehrfach eine außergerichtliche Lösung angeboten. Reaktion: keine, sagt Pahl. "Wir haben mit Herrn Dr. Pahl mehrfach Gespräche geführt", sagt die Stadt.

Dieser hat mittlerweile zwei Verfahren angestrengt. Im einen geht es um den Bebauungsplan, im anderen um den Lärmschutz. Im ersten Fall erzielte Pahl einen Erfolg: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) entschied Anfang des Monats, dass Teile des Bebauungsplans unwirksam sind und in der Herberge keine bloßen Tagungen stattfinden dürfen.

Wenn Gruppen dort übernachten und während ihres Aufenthalts die Seminarräume nutzen, dann hat Pahl kein Problem damit. Wohl aber, wenn Firmen dort Tagungen abhalten, weil es günstiger sei als anderswo. "Dann müssten da entsprechend mehr Parkplätze vorhanden sein", kritisiert er. Zudem sei die Jugendherberge mit öffentlichen Geldern gefördert.

Erst am Freitag hatte die CDU in einem Seminarraum der Jugendherberge ihre Kandidaten für die Kommunalwahl nominiert. "Kein einziger" der 54 Teilnehmer der Versammlung habe dort übernachtet. Darunter Gemeinderäte, die ihm einst versichert hätten, es gebe keine öffentliche Nutzung der Jugendherberge. Wofür gibt es Vorgaben, wenn sich keiner daran hält?, fragt sich da Thomas Pahl.

Die Kosten für das Verfahren hat der VGH übrigens der Stadt Rottweil aufgebrummt. Eine Revision ist nicht möglich. Welche Konsequenzen das Urteil hat? "Das lässt sich erst beurteilen, wenn uns die Urteilsbegründung vorliegt. Vermutlich ist ein sogenanntes Heilungsverfahren möglich, bei dem die aus der zusätzlichen Tagungsnutzung sich ergebenden Folgen zu bewerten und abzuwägen sind", erklärt Lothar Huber, Fachbereichsleiter Bauen und Stadtentwicklung.

Lärmschutzgutachten in Arbeit

Unterdessen geht Thomas Pahl noch etwas gegen den Strich: der Umgang mit dem Thema Lärmschutz. Zur Jugendherberge gehört ein Multifunktionsfeld, eine Art Sportplatz, zum Nägelesgraben hin gelegen. Er wandte sich ans Regierungspräsidium Freiburg, um die erteilte Baugenehmigung bezüglich der Außenanlagen überprüfen zu lassen. Ergebnis: Aus einem bisherigen Gutachten, zwei gibt es, lasse sich nicht entnehmen, "dass der Widerspruchsführer (Anmerkung der Redaktion: Pahl) auf seinen Grundstücken keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt ist." In der Folge muss das Jugendherbergswerk derzeit ein drittes Lärmschutzgutachten erstellen lassen.

Pahl wiederum hätte nach eigenen Angaben nun per Eilerlass die Möglichkeit, die Nutzung der Außenanlagen verbieten zu lassen, bis die Sache geklärt ist. Davon sehe er aber vorerst ab, erklärt er – "im Sinne einer guten Nachbarschaft". Ende November gab er das den Fraktionssprechern des Gemeinderats schriftlich.

Pahl sieht sich als einer, der auf Missstände in der Verwaltung hinweist. "Die Stadt kann nicht ständig mit zweierlei Maß messen." Dass dies schon mal passiert, hat er schwarz auf weiß. Dem Rottweiler liegt eine E-Mail von Marcus Kempka, Leiter der Abteilung Bauordnung und Denkmalschutz, vom Donnerstag, 24. Februar 2011, vor. Darin geht es um den Abriss von Garagen bei der heutigen Herberge. Kempka schreibt an den damaligen Wirtschaftsförderer Robert Walz, dass noch keine Baugenehmigung und keine denkmalschutzrechtliche Genehmigung vorlägen.

Dennoch sei der Abriss für den Montag darauf angesetzt. Am Ende heißt es: "Wenn hier bereits am Montag Abbrucharbeiten laufen, ist dies an sich rechtswidrig und müsste eigentlich eine Baueinstellung und ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach sich ziehen. Ich gehe mal davon aus, dass ich untätig bleiben soll, will aber zumindest darauf hingewiesen haben..." Für Thomas Pahl ist das ein Beispiel für Behördenwillkür. Die E-Mail erhalten außerdem: Bernd Pfaff (Ordnungsamt), Peter Hauser (Stadtbau) und weitere Verwaltungsmitarbeiter.

Karl Rosner, dem Geschäftsführer des Landesverbands Baden-Württemberg des Deutschen Jugendherbergswerks, ist der Ärger über den Ärger in Rottweil deutlich anzumerken: "Ich weiß nicht, wer angeschossen werden soll, aber es trifft uns." Er kann nicht nachvollziehen, um was es Pahl eigentlich geht. Und er sagt: "Wir fühlen uns von den Stadtoberen im Stich gelassen". Das hatte er der Verwaltung bereits Ende Oktober schriftlich mitgeteilt.

Die Stadt habe das Jugendherbergswerk nach Rottweil gelockt, erklärt Rosner. Dieses wiederum habe sich darauf verlassen, dass ein Betrieb in der ältesten Stadt des Landes möglich ist. Und dazu gehörten eben Tagungen, auf die die Jugendherberge gerade in den kalten Monaten des Jahres, wenn Schulklassen ausbleiben, angewiesen ist.

Rosner: "Ich will keine Firmenevents bei uns"

Noch liegt auch Karl Rosner das VGH-Urteil nicht vor. Aber er könne sich nicht vorstellen, dass die Mannheimer Richter die satzungsgemäßen Ziele der Jugendherberge verbieten. Der Geschäftsführer meint, das sei, als habe man ein Auto, "und dann kommt jemand und sagt, sie dürfen nur mit drei Rädern fahren".

Allerdings: Nicht jeder kann in der Herberge tagen. Firmen, die ihre Jubiläen dort feiern wollen, würde Rosner an die Gastronomie oder an Veranstaltungsorte wie den Kapuziner verweisen. "Ich will keine Firmenevents bei uns – und ohne Übernachtung schon gar nicht." Anders sieht das bei Gästen aus, die Mitglied im Jugendherbergswerk sind und sich für Seminare in den Häusern einmieten – etwa DRK, Musikvereine oder Bildungsträger.

Sollte das VGH-Urteil tatsächlich keinerlei Tagungen mehr zulassen, sei das eine Katastrophe. Zumal weiteres Ungemach droht: Wenn das dritte Lärmschutzgutachten beispielsweise zur Folge hätte, dass das Außengelände selbst an Sommerabenden nach 20 Uhr nicht mehr genutzt werden darf, sieht Rosner schwarz. Schließlich wollten Kinder und Jugendliche nach dem Abendessen noch spielen. "Irgendwo hat’s Grenzen. Dann muss man sagen, dass man in Rottweil keine Jugendherberge betreiben kann."

Info: Jugendherberge

Die Rottweiler Jugendherberge im ehemaligen Dominikanerinnenkloster wurde am 24. Januar 2013 eröffnet. Laut Karl Rosner läuft sie gut. Voriges Jahr zählte die Einrichtung 14 537 Übernachtungen. Für 2014 sind 17 000 angepeilt. In den darauffolgenden Jahren sollen es 20 000 sein. Dann sei das Haus wirtschaftlich zu führen, erklärt Rosner.