Ab 1. Januar 2020 muss jeder Kunde selbst für geringe Beträge einen Kassenzettel erhalten. Foto: Bäuml

Eine einzige Brezel verursacht künftig viel Aufwand. Bäckereien in Rottweil finden es lächerlich.

Rottweil - Wer eine Brezel kauft – oder ein ähnlich überschaubaren Einkauf tätigt, muss künftig einen Kassenzettel bekommen. Was halten die Bäckereien in Rottweil und Umgebung von dieser Veränderung? Wir haben nachgefragt.

Ab 1. Januar 2020 müssen alle Kunden eine Quittung auch für Einkäufe von geringem Wert erhalten – also auch bei einer einzigen Brezel, einem Kaffee oder einem Eis. Die Kassenbon-Pflicht ist Teil der "Kassensicherungsverordnung", die Manipulationen an Registrierkassen und damit Steuerbetrug weiter erschweren soll.

Bei Händlern und in Bäckereien ist schon jetzt von einem "Zettel-Irrsinn" die Rede. Bäckermeister Daniel Link, Obermeister der Bäcker-Innung Tuttlingen-Rottweil, hat dies für seinen Betrieb mit fünf Verkaufsstellen einmal nachgerechnet. Mit einer vorsichtigen Schätzung von durchschnittlich zehn Zentimeter je Bon ergibt dies nur für seine Bäckerei eine jährliche Gesamtlänge von rund 85 Kilometer an ausgegebenem Papier – mehr als eine doppelte Marathonstrecke.

Das Thema beschäftigt Link und seine Innungs-Kollegen vor Ort sehr: "Man muss sich wirklich mal überlegen, wie viel Müll und Bürokratie zukünftig eine Brezel verursacht, die innerhalb weniger Minuten aufgegessen wird", so Link. Das Bäckerhandwerk lebe schließlich von der hohen Frequenz der Kunden, die sich mit Backwaren und Snacks eindecken.

Papiermüllberge in Zeiten von Fridays for Future

Wie er sehen dies viele als Entscheidung zu Lasten der Umwelt. Während Bäckereien einerseits versuchen, Lebensmittelabfälle und To-Go-Becher aus Plastik zu reduzieren, müssen nun Papiermüllberge produziert werden. "Das ist nicht nachvollziehbar und in Zeiten von Fridays for Future nicht zeitgemäß", so Link.

"Furchtbar", sagt auch eine Mitarbeiterin der Bäckerei Kutmühle in Rottweil zu der neuen Verordnung. Sie sieht nicht die Notwendigkeit, für jeden kleinen Einkauf einen Beleg auszustellen. "Viele Schüler kommen hierher, um schnell eine Brezel zu kaufen, es ist wirklich nur Verschwendung von Papier." Ihrer Meinung nach würde es ausreichen, einen Beleg nur an Kunden zu geben, die ihn anfordern.

"Ich schließe mich an, ich brauche keinen Beleg", so greift eine Kundin ein. Die Mitarbeiterin macht außerdem darauf aufmerksam, dass man über die Kosten nachdenken sollte, und zwar nicht nur für das Thermopapier für die Belege, sondern auch über die Gebühren der Abfallentsorgung. "Es ist einfach lächerlich", sagt sie.

"Total daneben", das ist der erste Kommentar von Ralf Geiger, Inhaber der Bäckerei Geiger mit Sitz in Villingendorf. Seiner Meinung nach ist das keine nachhaltige Entscheidung. Bezüglich des Manipulationsfaktors erklärt er, dass seit mehr als 20 Jahren in seinem Betrieb manipulationsgeschützte Kassen verwendet werden. Letztlich komme es darauf an, wie zuverlässig die Mitarbeiter sie bedienen.

Während bei den einen Empörung herrscht, erspart man sich anderswo jeglichen Kommentar und schüttelt nur missbilligend den Kopf. Für die Kassenbeleg-Pflicht gibt es viel Unverständnis.

Bis jetzt keine Ausnahme für Handwerksbäcker

Der Präsident der Handwerkskammer, Gotthard Reiner, spricht sich dafür aus, dass Bäckerbetriebe mit Kassen, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, von der Belegausgabepflicht ausgenommen werden sollen. "Für jede Brezel einen Bon ausgeben zu müssen, ist einfach absurd", äußert sich Reiner. Bislang sieht die neue Verordnung zwar Ausnahmemöglichkeiten vor. Dazu gibt es jedoch Unklarheiten. Bis jetzt hat kein Handwerksbäcker eine Befreiung erhalten.

Immerhin: der Verstoß gegen die Belegausgabepflicht ist laut Finanzministerium nicht bußgeldbewehrt. Es könne aber "als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde", heißt es.

Für die Kunden ändert sich durch die Belegausgabepflicht wenig. Mitnehmen müssen sie die Kassenzettel nicht, wie das Ministerium mitteilte. Der Papierberg lässt sich dadurch allerdings nicht vermeiden.