Blick von der Au auf die Stadtsilhouette mit dem Kapellenturm. Foto: Hildebrand

Restaurierungsarbeiten am "Kulturdenkmal" sind abgeschlossen. Knapp eine Million Euro an Kosten.    

Rottweil - Mit 70 Metern Höhe und seiner unvergleichlichen Schönheit prägt der Kapellenturm maßgeblich das mittelalterliche Stadtbild von Rottweil. Der Turm erhielt 1983 das Prädikat "Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung". In diesen Wochen wurde nach jahrzehntelangen Restaurierungsarbeiten das Gerüst abgebaut. Aber: Wie lange hält dieser Zustand?

Mit dem Bau des dreigeschossigen quadratischen Unterbaus des Turms mit mehreren Portalen und seitlich angesetzten Treppentürmen wurde um 1330 begonnen. Weil in der Enge der Gassen keine Strebepfeiler angebracht werden konnten, wurde der Turm durch besonders dicke Mauern gefestigt. Erst ab 1473 wurde nach oben weitergebaut. In einem achteckigen Aufsatz sollte eine Glockenstube entstehen.

Der reiche Figurenschmuck und die anspruchsvolle Gestaltung des zweiteiligen Oberbaus machen diesen Turm so einmalig. Dazu kommen meisterlich gestaltete Konsolen mit fantasievoll ausgearbeiteten Fratzen, Tiergestalten und reichlich Laubwerk. Als Baumaterial wurden regional vorkommende Natursteine, überwiegend Stubensandstein und grünlicher Schilf-sandstein, ver-wendet.

Schon bald gab es Standsicherheitsprobleme und Verwitterungsschäden. Erste schriftlich fixierte Maßnahmen zum Austausch von Brüstungsmaßwerken sind schon 1815 bekannt. Von 1882 bis 1896 wurden in großem Maße am Mittel- und Oberbau Steine ausgetauscht. Diese kamen aus Steinbrüchen in Trichtingen und Rosenfeld.

Ab 1950 ersetzte man die Brüstungsmaßwerke komplett mit Muschelkalk. Schließlich verwendete man seit 1960 als Ersatzgestein Kordeler Sandstein aus der Gegend von Trier. Dieser Materialmix von dazu hin noch verschieden alten Steinen nebeneinander verhält sich natürlich sehr unterschiedlich. Zwischen 1966 und 2001 wurden viele Steine ausgetauscht und alle einer Schutzbehandlung unterzogen. Der Fachbegriff heißt Hydrophobierung.

Durch Besprühen der Steinoberflächen mit einer Chemikalie wird eine wasserabweisende Wirkung erzielt. Um eine Abdichtung handelt es sich nicht. Durch die beschichteten Kapillarwände kann lediglich Feuchtigkeit nicht mehr aufsteigen, sehr wohl aber Wasserdampf von innen wieder nach außen dringen. Man hat aber festgestellt, dass durch Risse und Fehlstellen kapillar eindringendes Wasser hinter den behandelten Zonen eingeschlossen wird. Der wasserabweisende Schutzfilm im Porenraum verhindert den Abtransport des Wassers zur Steinoberfläche. Dadurch kommt es zu Abplatzungen, sodass Gesteinsbrocken vom Turm fallen können. Zudem steigt mit der Feuchtigkeit im Stein auch dessen Fähigkeit zur Schadstoffaufnahme.

Also wurde im Jahr 2007 der Turm wieder komplett eingerüstet, und man begann mit Untersuchungen zum Erhaltungszustand der Steine und der Verwitterungsschäden. Das hat viel Zeit beansprucht. Danach hat man umfangreiche Steinrestaurierungen vorgenommen. Das Gerüst musste umgebaut werden, weil schwere Steine ausgetauscht und auf dem Gerüst transportiert werden mussten. Man hat den Innenaufgang und die Schallläden erneuert, den Blitzschutz neu installiert und die Wasserspeier wieder aktiviert.

Die Arbeiten der vergangenen sechs Jahre am Kapellenturm kosteten etwa eine knappe Million Euro. Die verschiedenen und zu unterschiedlichen Zeiten eingebauten Sandsteine im Oberbau sind daher auch unterschiedlich oft hydrophobiert worden. Jeder Stein verhält sich anders. Eher beiläufig erwähnte Architekt Thomas Klink, dass bereits neue Voruntersuchungen zu notwendig werdenden späteren Renovierungs- und Ausbesserungsarbeiten beginnen.

Es stellt sich also die Frage, wie lange der Turm wohl ohne Gerüst zu sehen sein wird.