Historie: Führung an die Schauplätze des Dreißigjährigen Kriegs / Belagerung durch die Franzosen
Bei einer Stadtführung entführte Thomas Haßler ins Jahr 1643 – mitten hinein in den Dreißigjährigen Krieg, in dem die Stadt von den Franzosen belagert und beschädigt worden war.
Rottweil (rd). Der intensive Rundgang führte an die ehemaligen Schauplätze des fürchterlichen Geschehens. Lange Zeit war der Dreißigjährige Krieg – ausgelöst durch den Prager Fenstersturz – an Rottweil vorbeigegangen. Doch nachdem Frankreich in den Krieg eingetreten war und sich von nahezu allen Seiten von den Habsburgern umzingelt sah, sollte ein Befreiungsschlag Richtung Bayern die Umzingelung aufbrechen.
Rottweil war zu dieser Zeit extrem gesichert: ein dreifacher Ring mit starken Mauern und Gräben umgab die wehrhafte Stadt. Sie war Sitz des Kaiserlichen Hofgerichtes, alle juristischen Fälle von den Vogesen bis Tschechien, vom Alpenhauptkamm bis Frankfurt wurden hier verhandelt. Zudem waren die Söldner aus Rottweil berühmt als Schützen mit hoher Treffsicherheit.
Die Aufgabe, dieses "Tor nach Schwaben" zu erobern, wurde Maschall Jean Baptiste de Guébriant übertragen, der sich mit einem gewaltigen Heer von rund 20 000 Soldaten plus einem Tross mit ebenso vielen Personen als deren Familien, Handwerkern oder Dienstleistern für diese Truppen regelrecht "durch den Schwarzwald fraß", so Haßler. Denn diese Menschenmenge musste ernährt werden, also plünderten, raubten und brandschatzten sich solche Heere auf ihrem Weg durch die Länder. Gegen eine solche Übermacht hatte Rottweil mit rund 3000 bis 4000 Einwohnern keine reelle Chance.
Am 5. November 1643 begannen die Belagerer die Stadt von Stellungen im heutigen Himmelsreich-Wäldle "mit groben Stücken zu beschießen". Haßler zeigte Zeichnungen und Fotos dieses schweren Kalibers. Die Angreifer hatten bald eine größere Bresche im Bereich westlich des heutigen Schwarzen Tores, des damaligen Waldtores, geschossen. Der französische Befehlshaber selbst wurde bei einer Inspektion seiner Geschützstellungen von einem auf dem Mehlsack, einem großen Wehrturm im Bereich der heutigen Durchgangsstraße durch den Stadtgraben, in Stellung gebrachten tragbaren Geschütz (Falconette) so schwer verwundet, dass ihm der rechte Arm abgenommen werden musste. Er wurde im Dominikanerkloster versorgt, Tage später brach ein Wundbrand aus und er verstarb an der Verletzung.
Die Stadt musste sich nach Übergabeverhandlungen des Herrn von Hettlach ergeben, am 19. November zogen die Franzosen in die Stadt ein. In der barocken Predigerkirche zeigt bis heute ein Deckenfresko die Belagerung der Stadt. Zudem besagt die Legende, dass die "Maria von der Augenwende", eine geschnitzte Marienstatue, während der tagelangen Belagerung und dem ebenso langen inbrünstigen Beten und Liedersingen der Gläubigen, zuerst die Gesichtsfarbe verloren, dann geweint und schließlich die Augen in Richtung Tuttlingen gewendet habe, aus der das kaiserliche Heer als Rettung für Rottweil herankam.
Dieses nahm nun die Stadt wiederum gegen die französischen Besatzer unter Beschuss und konnte sie in der Folge in der Winterschlacht von Tuttlingen am 24. November 1643 so vernichtend schlagen, dass sie sich über den Rhein zurückzogen. Doch die Stadt hatte nur noch rund 40 Prozent ihrer ehemaligen Einwohner und sie selbst und viele Gemeinden in der näheren Umgebung waren entscheidend verwüstet und in Mitleidenschaft gezogen.