Landwirtschaft: Leistungskräftiges Zweinutzungshuhn eröffnet neue marktwirtschaftliche Ansprüche
Rottweil-Hausen. In Hausen stehen ein Bioeier-Automat und gleich mehrere mobile Hühnerställe. Dazwischen eine Überraschung: eines der Mobilheime wird ausschließlich von Hähnen bevölkert. Ein imposanter, aber vor allem außergewöhnlicher Anblick. Stolz schreiten sie durch ihr grünes Terrain und lassen aus 185 Kehlen ihr Kikeriki ertönen. Als würden sie es nicht anders kennen.
Doch: Das sei mitnichten der Fall, sagt Dominik Jauch. Egal aus welchem Ei ein männliches Küken schlüpfe, ob aus einer Massentierhaltung oder einem Bioei: Das Töten der männlichen Küken sei erlaubt. Allein in Deutschland werden jährlich 45 Millionen direkt nach dem Schlüpfen vernichtet. Wobei nicht mehr überwiegend geschreddert, sondern mit Kohlendioxid erstickt werde. Der Grund: Hähne gelten als unbrauchbar. Während Hennen zu Hochleistungslegern, also Hybridhennen gezüchtet wurden, werfe das männliche Hybrid-Pendant nur minderwertiges Fleisch ab.
Männliche Tiere aus dieser Zucht sind aus kommerzieller Sicht daher ein Abfallprodukt.
Hybridhennen kamen für die Jauchs daher nicht in Frage. "Bei uns wird kein männliches Küken getötet", sagt Susanne Jauch. Als sie sich 2011, beide kommen aus der Landwirtschaft, ihre ersten Hühner anschafften, entschieden sie sich für Suntheimer. Eine alte Hühner-Rasse, die als sogenanntes Zweinutzungshuhn sowohl eine gute Legeleistung vorweist als auch Fleisch liefert. Freilich ohne jemals die Legeleistung der Hybridhennen zu erreichen. Das schaffe keine der alten Hühnerrassen. Daher blieb die Herde auch klein und die marktwirtschaftlichen Ansprüche bescheiden.
Das änderte sich 2018. Die Jauchs wurden auf die ökologische Tierzucht einer gemeinnützigen GmbH aufmerksam. Auf Initiative zweier Bioverbände gelang es, ein leistungskräftiges Zweinutzungshuhn zu entwickeln. Also eines, das sowohl der Henne als auch dem Hahn ein Existenzrecht ermöglicht. Das Wunderhuhn bekam sogar einen farbigen Namen: "Coffee und Cream". Nun trauten sich die Jauchs, zu investieren. Der erste mobile Hühnerstall wurde angeschafft und im Frühjahr 2020 der zweite – für die Aufzucht.
In den ersten zwei Wochen findet die Aufzucht direkt auf dem Hof statt. Der gleicht einem Kinderparadies. Ein alter Bauwagen dient Gästen als idyllische Unterkunft, daneben hüpfen Hasen durch die Wiese, ein Hund läuft durch den Garten, es grasen Ziegen und Kinder reiten auf Pferden. "Das ist für unsere vier Kinder und deren Freunde", machen die Jauchs klar.
Die Haltung der Hühner und die der 60 Angus-Rinder, die sie weitgehend unbeobachtet auf 20 Hektar von April bis Oktober weiden lassen, sehen sie ausschließlich als Nutztierhaltung an. Betonen aber: "Die Ökohaltung ist der einzige Weg, wie die Landwirtschaft nachhaltig zukunftsfähig geführt werden kann."
Älter als 19 Wochen werden die Hähne auch bei den Jauchs nicht. Dann sind sie schlachtreif und finden in der Region guten Absatz. Für die gleichaltrigen Hennen geht das Leben nun erst richtig los. Sie hätten schon ihre ersten Eier gelegt, erzählt Susanne Jauch und strahlt: "Viel früher als erwartet."
Die Eier haben ihren Preis. Die ökologische Tierzucht empfehle 60 bis 70 Cent je Ei. Absatzschwierigkeiten haben die Jauchs nicht. Sie kommen vielmehr mit der Produktion kaum nach. Auch bei den Hähnen.
Der Trend zur artgerechten Haltung kam auch im Landwirtschaftsministerium in Berlin an. Ministerin Julia Klöckner stellte am 9. September einen Gesetzesentwurf vor, der das Töten von Eintagsküken ab Ende 2021 verbieten soll. Auch Supermärkte kündigten in den letzten Woche in Werbekampagnen an, in ihren Lieferketten das Töten von männlichen Küken abzuschaffen. Gefördert wird allerdings kein Zweinutzungshuhn. Vielmehr wird an einem Verfahren experimentiert, mit dem das Geschlecht im Ei bestimmt und schon in diesem Stadium aussortiert werden kann.