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Tempo 20 ignoriert. Fußgänger hetzen über Zebrastreifen. Günter Posselt (CDU) kritisiert "Vollzugsdefizit".

Rottweil - Sonntags in der Rottweiler City: Die Durchfahrtsstraße ist nicht wie sonst vom Verkehr verstopft – es schlägt die große Stunde der meist jungen Herren mit dicken, vor allem aber lauten Autos. Unter großem Geröhre geht es hin und her. Tempo 20? Zählt nicht wirklich.

14.20 Uhr: Die Straßencafés sind voll, Spaziergänger und zahlreiche Touristen flanieren durch die Stadt. Auf dem bolzengeraden Straßenstück zwischen Dominikanerkirche und Hochbrücke ist das Schaufahren in vollem Gange: Ein grauer Audi und ein weißer Golf mit dicker Bereifung liefern sich eine kleine "Verfolgungsjagd". Der Audi röhrt am Friedrichsplatz vorbei Richtung Hochbrücke, der Golf hinterher. Kurze Zeit später kommen sie zurück und röhren in entgegengesetzter Richtung durch die Stadt. Bestimmt haben sie im Dominikanermuseum was vergessen... oder auch nicht. Schon geht’s wieder zurück. Ein Beispiel von vielen an diesem Sonntagnachmittag.

Passanten rennen vor aufgemotzten Autos davon

Auch wochentags wird in den Abendstunden gern Runde um Runde gedreht. Die Lautstärke ist das eine – das Tempo der Motorsportfreunde das andere. Natürlich wird nicht Vollgas gefahren, aber von Tempo 20 kann bei den meisten keine Rede sein. Nicht selten hetzen Passanten über die Zebrastreifen, bemüht, keinem der aufgemotzten Gefährte in die Quere zu kommen.

"Da fahren junge Erwachsene ihr Auto spazieren – und manchmal verkehrswidrig", sagt CDU-Fraktionssprecher Günter Posselt auf Anfrage unserer Zeitung. Er hat bereits im Gemeinderat moniert, dass man diesen Fahrern nicht habhaft werde. "Die tauchen in keiner Statistik auf", weiß Posselt. Er habe selbst erlebt, wie junge Fahrer auch in der Schramberger Straße "in einem Affenzahn" unterwegs sind. "Teils mit 80, 90 Stundenkilometern", schätzt er.

Das Problem: Messungen fänden zu Zeiten, in denen diese Szenarien stattfinden, meist nicht statt. Und oft erlebe er in seinem Beruf als Anwalt, dass Autofahrern, die mal in Gedanken zu schnell in eine Messung gefahren sind, drastische Konsequenzen drohen, während jene Fahrer, die gefährliche Situationen förmlich provozieren, nicht belangt werden. "Da gibt es ein Vollzugsdefizit", so Posselts Einschätzung. Letztlich solle die Innenstadt doch zum Flanieren und Verweilen einladen – da müsse man den Verkehr im Blick haben. Auch an den Wochenenden.

Polizei: Problem löst sich in Luft auf

Bei der Polizei in Rottweil sieht man die Sachlage nicht ganz so drastisch. Denn: Ein "vermehrtes Hinweisaufkommen" gebe es nicht, erklärt der Leiter des Rottweiler Polizeireviers Markus Haug. Demzufolge sei auch nicht davon auszugehen, dass sich viele Bürger daran stören. Bei Hinweisen werde man natürlich tätig. Aber: "Wenn wir mit dem Streifenwagen um die Ecke biegen, hat sich das Problem meist in Luft aufgelöst."

Also nichts zu machen? Für Belästigung durch unnötiges Hin- und Herfahren könne laut Haug ein Bußgeld von 20 Euro verhängt werden. Allerdings sei es schwierig, zu beweisen, ob die Fahrt tatsächlich "unnötig" war. Haug erklärt außerdem, dass viele Fahrzeuge "schon ab Werk sehr laut", so Haug. Sollten bei Kontrollen technische Veränderungen auffallen, die nicht eingetragen sind, werde das natürlich geahndet. Was die Geschwindigkeiten angehe, so reiche es nicht, diese zu schätzen, auch hier müsse der Beweis erbracht werden. Für Geschwindigkeitskontrollen in diesem innerstädtischen Bereich sei wiederum die Stadt zuständig.

Beim städtischen Ordnungsamt sieht man in Rottweil "bei weitem keine Tuningszene", wie anderswo. Gleichwohl seien einzelne aufgedrehte Motoren "laut, lästig und ärgerlich", heißt es auf unsere Anfrage. Man appelliere an die Vernunft der Autofahrer, Rücksicht auf den Verkehr und die Anwohner zu nehmen. Bei Kontrollen sei man auf die Mitwirkung der Polizei angewiesen, da das Ordnungsamt nicht in den fließenden Verkehr aktiv eingreifen darf. Kontrollen von Lärmbelästigungen durch Autofahrer seien jedoch "aus den verschiedensten Gründen" schwierig. Das Aufheulen des Motors sei schwer zu messen – und sportliche Fahrzeuge hätten oft entsprechende Zulassungen. "Uns sind hier rechtlich und faktisch Grenzen gesetzt", heißt es von Seiten des Ordnungsamts.

Natürlich überwache man die die Geschwindigkeit auch in der Innenstadt. Bei Kontrollen in der Unteren Hauptstraße habe es beispielsweise 19 Prozent Beanstandungen gegeben, "aber 74 Prozent der zu schnellen Fahrzeuglenker waren lediglich bis zu zehn Stundenkilometer zu schnell." Tagsüber wohlgemerkt, denn nächtlichen Rasern mit mobilen Messungen beizukommen, sei leider schwierig. Hier könnten nur stationäre Überwachungsanlagen helfen – und die seien teuer in der Anschaffung.

Fazit: Knöllchen gibt’s in der City weiter hauptsächlich für fehlende Parkscheine. Am röhrenden – und teils gefährlichen – Schaufahren wird sich wohl so schnell nicht’s ändern. Aber immerhin: Just am vergangenen Sonntag – nach unseren Anfragen bei Stadt und Polizei – gab’s in der 20er-Zone in der Innenstadt eine Geschwindigkeitsmessung. Im Internet zeigte sich manch einer erstaunt: "Seit wann messen die sonntags?"