Foto: Martina Gorzellik

International erfolgreicher Jazzpianist Joja Wendt zu Gast in der Stallhalle. Begeisterung garantiert.

Rottweil - Normalerweise freut man sich nach 20 Minuten unbändig, wenn der Star auf der Bühne die Steilvorlage geliefert hat, die einem ein scheunentorgroßen Einstieg in den Text eröffnet. Gestern Abend beim Jazzfest war das anders.

Ganz anders. Zu Gast war Joja Wendt, als Pianist gewissermaßen mit 88 Tasten auf Weltreise, worauf auch der Titel des Programms verweist, mit Thomas Biller und (Bass) und Schlagzeuger Christoph Buhse als hervorragend funktionierendes Team auf der Bühne. Aber Joja Wendt ist eben Joja Wendt, und da steht einer im Mittelpunkt: er. Was weiter nicht schadet, denn der Pianist verpackt das Ganze recht nonchalant in geplauderte Moderationen, unterlegt es mit Bildern, auch aus der eigenen Vergangenheit, sortiert bei dieser Gelegenheit das nächste Stück, die nächste Herausforderung, die nächste Stimmung musikgeschichtlich oder autobiografisch ein.

Zack, da ist der nächste Einstieg. New York, am Platz, wo der Savoy Ballroom Swing-Größen anzog wie ein Magnet. Zack, die Idee der Improvisation im Barock – Vivaldi beim Rottweiler Jazzfest. Zack, großer Premierenabend: Joja Wendt macht im Stall gestern lauter Sachen, die noch nie einer in Rottweil gemacht hat – an einem Dienstag. Zack, Rottweil, das erste Publikum, das auf Zeichen perfekt schweigt. Oder sollte man doch so anfangen: Wie kommt man auf die Idee, ein Zwei-Stunden-Programm aus lauter Zugaben zu gestalten? Tatsächlich hat sich Joja Wendt ein Portfolio aus Virtuosenstücken zusammengebaut, die auf der klassischen Konzertbühne genau so funktionieren können wie im Jazzkeller. In der Stallhalle funktionieren sie gestern Abend auch. Und wie! Nicht nur, weil Wendt ein weltläufiger Pianist ist, der keine Berührungsängste hat, der sich bei romantischen Vorzeige-Stücken wie Liszts Tarantella genau so sicher und selbstverständlich bewegt wie bei Jazz-Klassikern vom Schlage eines "Handful of Keys" von Fats Waller.

Nein. Das macht der Hamburger alles quasi aus dem Handgelenk – und das Publikum darf über Leinwand in Echtzeit staunen, wie die Finger über die Klaviatur fliegen. Es darf sich auch über an der Performance freuen, die die Reise des 18-Jährigen mit dem ollen Bully über die Alpen nach Italien nachvollzieht, wo Straßenmusik mit Klavier auf dem Programm stand, so die Fama. Joja Wendt ist gestern ein in jeder Hinsicht virtuoses Komplettpaket, ein technisch virtuoser Pianist mit dem Hang zum perlenden, kleinen , doch stets prägnanten Anschlag, mit dem er sein Publikum auch zum zuhören fordert, ein perfekter Entertainer, der sein Publikum schnell im Griff hat, schließlich ein ungeahnter Klangkünstler, der mit dem Instrument Publikum, Stichwort "Regen", sensationelle akustische Bilder schafft.