Der 58-jährige Uwe B. wurde in Rottweil verurteilt. Foto: Otto

Urteil nach Messerattacke in Jobcenter. Uwe B. muss in Psychiatrie. Lebenslängliche Unterbringung möglich.

Rottweil - Er ist nach wie vor im festen Glauben, mit Trump, Putin, Kretschmann und der Queen Kontakt gehabt zu haben. Und er ist bis zuletzt überzeugt von der Richtigkeit seiner Tat.

Uwe B. hat im Januar eine Mitarbeiterin des Rottweiler Jobcenters mit drei Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Am Dienstag fiel am Landgericht das Urteil: Freispruch. Der Angeklagte kann wegen möglicher Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden. Das Gericht ordnete die Unterbringung in der Psychiatrie an. Zeitlich unbefristet und möglicherweise lebenslang. Er muss außerdem 50.000 Euro an sein Opfer bezahlen.

Unterbringung in Psychiatrie könne lebenslang aufrecht erhalten werden

Die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz von Richter Karlheinz Münzer kam zu dem Schluss, dass eine eingeschränkte Einsichtsfähigkeit des Angeklagten nach eingehenden Begutachtung seiner Psyche nicht ausgeschlossen werden kann. "Der Freispruch bringt ihm wenig, das scharfe Schwert, das hier greift, ist die Unterbringung in der Psychiatrie", betonte Münzer. Wenn sich an Uwe Bs. Gefährlichkeit nichts ändere, könne diese lebenslang aufrecht erhalten werden.

Der psychiatrische Sachverständige Charalabos Salabasidis stellt am Dienstagvormittag zunächst über eine Stunde lang sein Gutachten vor und kommt zu dem Schluss, dass der 58-jährige Uwe B. an einer anhaltenden wahnhaften Störung leidet. Er sei nur schwer therapierbar, da er zudem seine Krankheit überhaupt nicht einsehe und Medikamente ablehne. Sein ausgetüfteltes "Wahngebäude" richte sich gegen die Weltordnung und das System. Das Risiko sei groß, dass Uwe B. wieder „korrigierend eingreifen“ wird, um wie im Fall der Messerstiche gegen die Jobcenter-Mitarbeiterin ein "Zeichen zu setzen". Er stelle eine Gefahr da und sollte langfristig in der Psychiatrie untergebracht werden, so die Empfehlung. Die Prognose sei insgesamt schlecht.

"Herr B. ist von sich überzeugt, selbstbewusst, er steht über den Dingen"

"Das war Notwehr", wirft der 58-Jährige von der Anklagebank aus ein, nickt aber sonst wohlwollend, wenn der Sachverständige dem Gericht von seinem Innenleben berichtet. Er scheint das Gefühl zu haben, dass wenigstens der Psychiater ihn versteht. Salabasidis berichtet, dass Uwe B. ihm heiter, fast euphorisch seine Tat, die Beweggründe und seine Ansichten über das verhasste System geschildert habe. Oft sei es schwer gewesen, ihm zu folgen. Der Wahn gehe soweit, dass Uwe B. neue Worte erfinde, um seine Gedanken überhaupt verpacken zu können. Der Angeklagte könne stundenlang ohne Ermüdungserscheinungen reden. Ein derartige Ausprägung habe er in seinen 27 Jahren Erfahrung nur ein, zwei Mal erlebt, so der Sachverständige. "Herr B. ist von sich überzeugt, selbstbewusst, er steht über den Dingen."

Erstmeldung am Tag des Geschehens: Messer-Attacke auf Frau im Jobcenter

Dass Ministerpräsident Kretschmann noch kurz vor der Tat mit ihm habe sprechen wollen, daran lasse B. keinen Zweifel. Er habe unter anderem mit US-Präsident Trump Kontakt, sei von der Queen eingeladen worden. Und er brauche "die Leute von Thyssen", um mit deren Hilfe einen "neuen Ort" zu errichten. Eine Schachtanlage, weg vom System, mit einem Tunnel zu Goldminen. Schiffe aus Spanien und Trinidad stünden bereit. Dies, so Salabasidis, sei nur ein Beispiel für das Wahngebäude des Angeklagten. Dies bestehe seit Jahren, ja Jahrzehnten. Aber: Uwe B. sei nicht schizophren, höre keine Stimmen, sei nicht fremdbestimmt. Er habe die Tat geplant, sei gezielt, logisch und konsequent vorgegangen. Es habe seiner Ansicht nach "keinen akuten Wahneinfall" gegeben, sagt Salabasidis. Uwe B. sei in der Lage gewesen, seinen Wahn zu durchbrechen. Die Steuerungsfähigkeit sei zwar erheblich eingeschränkt, aber nicht aufgehoben gewesen, so seine Einschätzung.

Staatsanwältin Möllers erklärt in ihrem Plädoyer, dass am Tatablauf wie in der Anklage beschrieben kein Zweifel bestehe. Es liege ein versuchter Mord vor. Uwe B. habe heimtückisch und aus niederen Beweggründen gehandelt. Der 58-Jährige habe das Messer schon vor Weihnachten gekauft. Und auch als er dann im Jobcenter erkannt habe, dass es sich gar nicht um seine übliche Sachbearbeiterin handelte, sondern um eine Frau, die er zuvor noch nie gesehen hatte, ließ er sich nicht abbringen. Dies sei ein Zeichen für die Geringschätzung fremden Lebens. "Er schwang sich zum Rächer auf", so Möllers. Er habe ein Zeichen gegen das System setzen wollen. "Das System übrigens, das ihm jahrelang den Lebensunterhalt finanzierte."

Jeder einzelne der drei Stiche hätte zum Tod der 51-Jährigen führen können

Allerdings: Dass sein Wahn "handlungsleitend" war und er damit im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, sei trotz der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen nicht gänzlich auszuschließen. Im Zweifel für den Angeklagten: Es müsse deshalb von Schuldunfähigkeit ausgegangen werden. "Er kann nicht belangt werden und ist freizusprechen", so die Staatsanwältin. Weil weitere Angriffe auf Leib und Leben anderer möglich seien, müsse B. weiter in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden. Die Kammer folgt dem später weitgehend.

Der Anwalt des 51-jährigen Opfers als Nebenklägerin folgt dem nicht: Uwe B. sei lediglich vermindert schuldfähig und deshalb wegen versuchten Mordes zu verurteilen, so die Forderung. Jeder einzelne der drei Stiche hätte zum Tod der 51-Jährigen führen können.

Uwe B.s Verteidiger dagegen sieht es nicht als erwiesen an, dass B. wirklich vor hatte, die Mitarbeiterin zu töten. Er habe mit den Stichen aufgehört, dies sei ein "Rücktritt vom unbeendeten Versuch" und damit strafbefreiend. Er plädierte für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Auch er war jedoch der Ansicht, dass an der Unterbringung in der Psychiatrie kein Weg vorbeiführt.

Siehe auch: Nach Messer-Attacke in Jobcenter: Wie reagieren andere Behörden?

Richter Münzer betonte in der Urteilsbegründung, in diesem Fall sei jeder Stein umgedreht und die Psyche eingehend beleuchtet worden. Münzer zeichnete B.s Lebensweg nach. Sein zunehmender Hass gegen das System, das von wenigen Mächten gesteuert sei. Sein Zug durch den Himalaja in "göttlichem Auftrag", bei dem seine Frau starb und sein Sohn spurlos verschwand. Ein ablehnender Rentenbescheid des Jobcenters habe schließlich seinen Plan reifen lassen, gegen die "unmenschlichen Machenschaften" vorzugehen.

Münzer ging auch auf die schweren Verletzungen des Opfers ein. Die 51-Jährige sei immer noch schwer eingeschränkt. Es sei ihr hoch anzurechnen, wie gefasst und sachlich sie ausgesagt habe.

"Sie können beschließen was sie wollen, das ist mir egal"

Man habe es in rechtlicher Hinsicht mit einem versuchten Mord aus Heintücke zu tun. "Er hat die Treffer gesetzt und hat gesehen, dass sie verbluten kann." Die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei äußerst schwierig gewesen. Er leide an einer krankhaften seelischen Störung. Es sei davon auszugehen, dass er nicht aus seinem Wahn ausbrechen konnte.

Uwe B. juckt das alles reichlich wenig. "Sie können beschließen was sie wollen, das ist mir egal", sagt er vor dem Urteil. Er habe sich ohnehin jetzt "rausgenommen" aus der Sache. Angesichts seiner Herzkrankheit warte er auf sein Ende. Ein Wort der Reue, ein Wort des Bedauerns für sein Opfer kommt bis zum Schluss nicht über seine Lippen.