Drazen D., hier am ersten Prozesstag, hat sich monatelang mit der Beschaffung der Waffe beschäftigt. Foto: Murat

41-Jähriger prahlt damit, Ex-Partnerin gefunden zu haben. Im Wettbüro nach Pistole gefragt.

Rottweil/Villingendorf - In seinem Stamm-Wettbüro, bei Landsleuten und Bekannten hat Drazen D. Monate vor der Tat nach einer Waffe gefragt. "Das wusste jeder", heißt es am Montag im Zeugenstand mehrfach. Und: Er prahlte auch damit, dass er jetzt wisse, wo seine Ex-Freundin wohnt. Und dass er sie umbringen werde.

Zwischendurch macht sich im Prozess um den Dreifachmord von Villingendorf am Montag leichte Fassungslosigkeit breit. Mehrere Zeugen aus dem Umfeld des kroatischen Angeklagten – Landsleute, Bekannte aus einer Pilsbar und einem Wettbüro in Tuttlingen sowie aus einem kroatischen Verein – berichten, dass sie von seiner Suche nach einer Waffe im Frühjahr 2017 wussten – und von der Wut auf seine Ex-Partnerin. Seiner Vermieterin und einem Mitbewohner hat der 41-Jährige gesagt, dass er seine Ex-Freundin töten will. Im Zeugenstand meinen sie am Montag achselzuckend: "Wir haben ihn nicht ernst genommen." Auf die Frage von Richter Karl-Heinz Münzer, warum man nicht zur Polizei gegangen sei, gibt es nur ungläubige Blicke. Polizei? Nein.

Familiendrama in Villingendorf: Chronologie der Ereignisse

Sprachliche Probleme – Dolmetscher sind zur Stelle – und große Erinnerungslücken erschweren die Zeugenaussagen an diesem Tag. Vor allem die ehemalige Vermieterin von Drazen D. muss mehrfach ermahnt werden, ihr Gedächtnis etwas mehr anzustrengen. Bei der 47-Jährigen hat der Angeklagte nach der Trennung von seiner Freundin und dem kleinen Sohn zur Untermiete gewohnt – genauso wie ein weiterer Zeuge und weitläufig Bekannte von Drazen D.. Die 47-Jährige gibt allerdings an, von manchen ihrer Untermieter nicht mal den Nachnamen gewusst zu haben. "Interessiert mich nicht." Unter der Wohnung befindet sich eine Kneipe, in der die Waffensuche mehrfach zur Sprache gekommen sein soll.

"Ganz Tuttlingen wusste, dass er eine Waffe sucht"

Der Vermieterin gegenüber hat Drazen D. bei Treffen in der Küche von der Trennung erzählt und dass er wütend auf seine Ex-Partnerin sei. "Er durfte ihr und dem Sohn nicht näher kommen", so die Vermieterin. Gefragt warum, habe sie nicht. In der polizeilichen Vernehmung hatte sie erklärt: "Ganz Tuttlingen wusste, dass er eine Waffe sucht. Er wollte seine Frau umbringen." Vor Gericht erinnert sie sich nur mühsam, räumt aber ein, dass er ihr das gesagt habe. Sie habe gefragt, ob er das wirklich machen könnte. "Da hat er ganz kalt gesagt: Ja." Er habe Tabletten genommen, sei nervös, depressiv, dann wieder aggressiv gewesen.

Die 47-Jährige erzählt außerdem in gebrochenem Deutsch recht ungerührt, dass Drazen D. herausgefunden habe, wo seine Ex-Partnerin wohnt. Er sei ihr nach der Arbeit hinterher gefahren, habe sie ausspioniert. Und er habe erzählt, dass er in die Wohnung in Villingendorf eingebrochen und dort ein auffälliges Feuerzeug seiner Ex-Freundin mitgenommen habe. Es habe dann ein Treffen in einem Fast-Food-Restaurant mit ihr und dem kleinen Sohn gegeben und er habe ihr dort das Feuerzeug präsentiert – als Zeichen dafür, dass er in ihrer Wohnung war. Der Vermieterin habe er dann am Abend gesagt: "Jetzt hat sie richtig Angst." Auf den Gedanken, die Polizei zu verständigen, kam sie nicht.

Nur als Drazen D. ihr im letzten Monat einen Teil der Miete schuldig blieb, habe sie gedroht, zur Polizei zu gehen. Ein anderer Untermieter habe dann bezahlt. Ob dieser keine Polizei in der Wohnung haben wollte, weil er seinerseits mit Drogen zu tun hat, wie der Verteidiger des Angeklagten mutmaßte, wird an diesem Tag nicht mehr geklärt. Die Vermieterin weiß davon nichts – und hat auch keine Waffe in der Wohnung gesehen. Auch danach fragt die Verteidigung sie mehrfach.

Ein 40-jähriger Mitbewohner, der ebenfalls von Drazen D. nach einer Waffe gefragt wurde, hat ihm nach eigener Aussage geraten, lieber zum Anwalt zu gehen, um seinen Sohn wiederzubekommen.

Ob Drazen D. auch mal geweint habe, will Richter Münzer wissen. Ja, aber er habe es versteckt. Auch er hat die Ankündigung, dass Drazen D. seine Frau umbringen will, "nicht ernst genommen". Mit Waffen wolle er selbst nichts mehr zu tun haben, so der Zeuge. "Er sei in seiner Heimat im Krieg gewesen, habe alles gesehen – "aber so etwas zu machen wie er? Das bricht mein Herz."

Bekannter berichtet von "irrem Blick"

"Ich habe gedacht, er braucht die Waffe als Hobby. Andere kaufen sich einen Hund", so ein 53-jähriger Betreiber einer Pilsbar, in der Drazen D. oft gesessen hat. Wenn jemand etwas Schlimmes mit einer Waffe machen wolle, frage er ja wohl kaum so offen herum, so der Zeuge.

Ein Bekannter aus einem Wettbüro ("Ich war täglich dort, Drazen so dreimal die Woche") berichtet, dass ihm "der irre Blick" seines Bekannten aufgefallen sei. "Er war körperlich fit, aber im Kopf nicht so ganz richtig", so der 48-Jährige, der zu der Zeit auch eine Kneipe betrieb. Als er eine Aushilfe gesucht habe, habe Drazen D. seine Partnerin vorgeschlagen. Wenn diese zum Bedienen gekommen sei, sei Drazen D. immer dabei gewesen. Anderen Gästen sei aufgefallen, dass er seine Freundin mit Blicken verfolge, auf sie "aufpasse". Einmal sei er selbst aus Versehen auf das Knie der 31-Jährigen gekommen, berichtet der Wirt. Als Drazen D. sich aufgeregt habe, habe man das in einer "Aussprache" klären können.

In einem sind sich alle Zeugen einig: Drazen D. habe in dieser Zeit keinen Alkohol getrunken. "Er wusste, dass er mit Alkohol aggressiv wird", so ein Zeuge.

Erhitzte Gemüter gibt es an diesem Tag auch auf dem Flur des Landgerichts. Als Drazen D. in einer Pause in die Zelle geführt wird und es zu Blickkontakt mit einem draußen wartenden Zeugen kommt, rastet dieser aus, flucht auf Serbokroatisch, dass er "auf ihn spucke", ihn "schlagen" werde. Später im Zeugenstand hat sich der 43-Jährige beruhigt. Ja, Drazen D. habe auch ihn nach einer Waffe gefragt. Ohne Erfolg. Der Angeklagte habe dann gesagt, er werde es "unten" probieren, in der Heimat. Auf jeden Fall habe Drazen D. seinen Sohn geliebt, sagt der Zeuge. "So wie ich meinen. Die Tochter ist bei uns auf Platz zwei, der Sohn ist Name, Erbe, Familie."  

Der Prozess wird am Dienstag, 24. April, fortgesetzt.

Alle Informationen zum Familiendrama in Villingendorf auf unserer Themenseite.