Nicht direkt, sondern übers Internet kommen Arzt und Patient bei der Telemedizin zusammen. Foto: M.Dörr & M.Frommherz – stock.adobe.com

20 Prozent über 65 Jahre alt. Kassenärztlichen Vereinigung und Politik ergänzen sich in den Maßnahmen.

Kreis Rottweil - Die Versorgung im Kreis mit Hausärzten ist noch in Ordnung. Doch es ist davon auszugehen, dass sich das ändert. Jede dritte Hausarztpraxis wird in den kommenden Jahren geschlossen werden. Eine Herausforderung für alle.

Als hätten die Ärzte nicht schon genug um die Ohren, grassiert nun auch noch das Coronavirus und führt das Gesundheitssystem allerorten an die Grenzen. Noch ist die Versorgung des Kreises mit Hausärzten in Ordnung. Der Versorgungsgrad liegt der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zufolge bei 88,8 Prozent. Erst unter 75 Prozent prüft der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anhand der tatsächlichen Situation, ob eine ausreichende Versorgung nicht mehr sichergestellt sein könnte.

Das ist der heutige Stand. Wie die KV und die Politik damit umgehen, zeigt ein Gespräch, das unsere Zeitung mit dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Soziales und Integration der CDU-Landtagsfraktion, Stefan Teufel, und dem stellvertretenden Vorsitzenden der KV im Land, Johannes Fechner, geführt hat. Beide, Fechner und Teufel, haben das Ziel, Städte wie ländliche Regionen ärztlich gut versorgt zu wissen. Doch die Wege sind zuweilen unterschiedlich.

"Die Ärzte müssen lernen loszulassen."

An den Fakten wiederum rütteln beide nicht. Diese sind ernüchternd. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren jede dritte Hausarztpraxis nicht wieder besetzt werden wird. Schon jetzt sind 500 Praxen verwaist. "Man muss die Bevölkerung darauf vorbereiten, dass es sich ändert", so der Vize-Chef der KV im Land.

Die Altersstruktur der 7000 Hausärzte im Land spricht für sich: Der Anteil der Über-60-Jährigen in der Gruppe beträgt 36 Prozent. Allein 20 Prozent sind 65 Jahre und älter. Der Grund für diese Entwicklung ist laut Fechner ein einfacher: "Es gibt keine Ärzte am Markt." Dabei sei dieser Bereich die Königsdisziplin in der Medizin, so Fechner. "Der Hausarzt muss alles können."

An den Universitäten wurde dieser Bedeutung bislang kaum Rechnung getragen. An den Hochschulen wurde die Spezialisierung gefördert. Erst langsam erhält die Allgemeinmedizin an den Unis einen höheren Stellenwert. Hinzu kommen veränderte Lebenseinstellungen junger Menschen und offensichtlich die Scheu, sich auf dem Lande als Hausarzt niederzulassen. Auch Städte, wirft Fechner ein, hätten mit dem Ärztemangel zu kämpfen.

Stefan Teufel plädiert für Qualität und Erreichbarkeit

Was also tun? Stefan Teufel, der auch stellvertretender Vorsitzender der Fraktion ist, plädiert für eine ausreichende medizinische Versorgung, die durch zwei Merkmale geprägt sei: Qualität und Erreichbarkeit. "Wir brauchen eine gewisse Anzahl an Medizinern auf den Land", so Teufel. Auch der Kinderarzt muss zügig erreichbar sein.

Für Fechner ist die Dualität von Qualität und Erreichbarkeit fast ein Widerspruch. Qualität erhalte man durch Konzentration, ist seine Überzeugung. Medizinische Leistungen müssten an zentraler Stelle in den Kreisen zusammengeführt werden.

Es ist klar: Wo Medizinische Versorgungszentren entstehen, würde die dezentrale Struktur, wie sie jetzt noch vorherrscht, verschwinden. Das nimmt Fechner in Kauf, für ihn ist dies die logische Konsequenz aus dem Mangel an Medizinern. Und noch etwas fordert er ein: Dass die Ärzte einen Teil ihrer Kompetenz an extra ausgebildete Mitarbeiter abgeben. "Die Ärzte müssen lernen loszulassen."

Den Überzeugungen des KV-Vertreters tritt der Politiker mit anderen Maßnahmen entgegen. Hierzu zählen etwa die Landarztquote, das Landärzteprogramm sowie das Stipendiumprogramm. Die Grundidee: Durch finanzielle Anreize sollen Medizinstudenten verpflichtet werden, sich für einige Jahre in ländlichen Regionen niederzulassen. Fechner macht darauf aufmerksam, dass diese Instrumente erst in Jahren Effekte zeigten.

Einig wiederum sind sich Teufel und Fechner in dem Potenzial, das in der Telemedizin stecke. Das werde eine immer größere Rolle spielen, so Teufel. Und es sei ein weiterer Baustein, die medizinische Versorgung in der Region auf Niveau zu halten.

Die Grundidee: Gesundheitsprobleme werden per Telefon, Handy-App oder Internet abgeklärt, statt gleich direkt zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen. Die Betreiber von telemedizinischen Einrichtungen sagten, dadurch ließen sich massiv Kosten sparen. Zudem könnte die Internettechnik beim Ärztemangel helfen.

Im Kreis Rottweil gibt es folgende Versorgungsgrade:

 Augenärzte: 124,6 %  

Chirurgen: 163 %  

Frauenärzte: 96,4 %  

HNO-Ärzte: 120,7 %  

Hautärzte: 151,5 %  

Kinderärzte: 83,9 %  

Nervenärzte: 101,2 %

 Psychotherap.: 117,4 %  

Urologen: 121,5 %

Quelle: KV, Stand 12.2.2020