Rottweil - Wenn das Landesdenkmalamt vornehmlich in der Altstadt mit Spatel und Pinsel anrückt, wird gerne Mal etwas genervt mit den Augen gerollt. Dabei darf der Arbeit von Grabungsleiter Thomas Schlipf und seinem Team eine große Bedeutung beigemessen werden.

" Wir arbeiten heraus, was später in den Geschichtsbüchern steht", sagt Grabungsleiter Thomas Schlipf beim Pressegespräch in der Schwabo-Redaktion. Anlass seines Besuchs war unsere Berichterstattung über den Neubau des Gemeindehauses in der Römerstraße. Dort nämlich hatten Schlipf und sein Team eine Reihe interessanter Funde gemacht, die Aufschluss über die Besiedlung der heutigen Altstadt zur Zeit des Königshofs "rotuvilla" geben. Überbleibsel einer Siedlung aus dem achten bis zehnten Jahrhundert wurden gefunden.

"Wir hatten bislang keine Hinweise auf eine Struktur. Erst durch die aktuelle Grabung konnten solche gewonnen werden", betont Schlipf. Ein Plan veranschaulicht, wo die Funde gemacht wurden, die verschiedenen Farben markieren die jeweilige Epoche. Drei Webkeller wurden freigelegt. Etwa 1,50 Meter in den Boden eingelassen, hatte der Keller eine bessere Luftfeuchtigkeit beim Lagern der Leinen. "Diese Keller geben uns beispielsweise auch Hinweise auf rechtwinklige Straßenzüge", erklärt Schlipf anhand des Plans. Außerdem stieß das Team bei der Grabung auf weitere Keller, die aus dem elften Jahrhundert (Mittelalter) stammen.

Bauteile aus fünf Perioden freigelegt

Überreste, Schlacken aus der Bronze- und Eisenverhüttung lassen den Schluss zu, dass es sich um eine Stadt gehandelt haben könnte. Handwerker haben dort, nahe der heutigen Basilika St. Pelagius, ihre Arbeit verrichtet. Insgesamt konnten die Archäologen Bauteile aus fünf Perioden freilegen. Alte Parzellierungen, die mit neuen Häusern bebaut wurden, lassen den Schluss zu, dass Baugrund vielleicht durch eine Administration zugewiesen wurde. "Wir konnten auch die römische Bauphase nochmals gut dokumentieren", betont Schlipf. So könnten Relikte einer kleine Grabung eben Rückschlüsse auf die ganze Umgebung zulassen. Und: "Diese Grabung war richtig informativ."

Im Moment werden die Funde dokumentiert. Experten werden hinzugezogen, die weitere Hinweise geben können. Was später in Aufsätzen zur Rottweiler Geschichte veröffentlicht oder in Büchern zu lesen ist, wäre ohne die Arbeit der Archäologen undenkbar. Die Stadt Rottweil wie wir sie heute kennen, ist auf Kastellen und Häuserensembles, Siedlungen und Höfen gebaut, die historisch verkürzt vom römischen Municipium Arae Flaviae über die Besiedlung der Alemannen (im Bereich der heutigen Altstadt), dem daraus entstehenden Königshof "rotuvilla" und einer frühmittelalterlichen, befestigten Stadtanlage auf dem Gebiet der heutigen "Historischen Innenstadt" reicht – unter unseren Füßen verbirgt sich also eine wahre Fundgrube an Artefakten, die Rückschlüsse über die geschichtliche Entwicklung ermöglichen.

Die römische Fernstraße von der Schweiz nach Rottenburg führte direkt durch die heutige Altstadt. Die heutige Römerstraße orientiert sich bis auf einen Schlenker an diesem antiken Handelsweg. Am Beispiel der Basilika St. Pelagius zeigt sich das gepresste geschichtliche Übereinander in der Altstadt noch deutlicher. So entstand auf den Überresten des einstigen Bades der römischen Stadt Arae Flaviae im Zuge der Christianisierung im siebten Jahrhundert eine Art Urkirche. Um St. Pelagius herum zog sich ein Siedlungsschwerpunkt zusammen, der sich überwiegend außerhalb der römischen Ruinen befindet, wie Schlipf erklärt. Die romanische Basilikaanlage wurde erst um 1050 errichtet.

Erkenntnisse über das Leben damals und die Zusammensetzung der Siedlungen zu gewinnen, ist für die Archäologen aufgrund der bestehenden Bebauung äußerst schwierig. Die Archäologen können auf nichts zurückgreifen, außer auf das, was sie bei Ausgrabungen finden. "Da ist es wichtig, dass wir jeden Quadratmeter, der aufgemacht wird, untersuchen", sagt Schlipf. So werde eine Baustelle, wie die jüngst in der Römerstraße, zu einem Guckloch in die Vergangenheit – in eine Zeit, die gut 1000 bis 2000 Jahre zurückreicht.

Seite 2: Wer bezahlt die Grabung?

Jede Baumaßnahme, die in der vom Landesamt für Denkmalpflege ausgewiesenen Archäologischen Zone liegt, kommt auf den Tisch von Grabungsleiter Thomas Schlipf.

Laut Konvention von Malta (Europäisches Übereinkommen zum Schutz des Archäologischen Erbes) muss jeder, der ein Kulturdenkmal zerstört (beispielsweise durch die Bebauung eines Geländes) dessen Ausgrabung und Dokumentation bezahlen. Einem normalen Häuslebauer ist dies allerdings nicht zuzumuten, weshalb dieser die Kosten nicht tragen muss. Die Bauverzögerung muss er jedoch hinnehmen.

Anders liegt die Sache, wenn mit der Bebauung des Grundstücks Geld verdient wird – also beispielsweise ein Investor beteiligt ist oder die Stadt –, dann müssen die Grabungskosten übernommen werden.