Die Richtung ist klar: Mit dem gemeinsamen Gewerbegebiet Inkom soll es weiter nach vorne gehen. Doch wie? Das ist die große Frage. In Zimmern gibt es nun heftigen Widerstand gegen eine Änderung der Verbandssatzung. Diese sieht eine höhere Beteiligung von Rottweil an Einnahmen der Gewerbesteuer vor. Foto: Archiv/Parage

Neuer Verteilschlüssel sorgt für Gegenwind. Nimmt Neckarstadt Zimmern bei interkommunalem Gewerbegebiet aus?

Rottweil/Zimmern o. R. - In dieser Woche soll über die Zukunft des gemeinsamen Gewerbegebiets Inkom entschieden werden. Doch es droht Ärger. In Zimmern wächst der Widerstand gegen die neue Verbandssatzung. Der Vorwurf: Rottweil nehme Zimmern aus. Der Druck auf Bürgermeisterin Carmen Merz nimmt zu.

Die Botschaft hörte sich gut an: Die Zukunft des gemeinsamen Gewerbegebiets, das auf Zimmerner Gemarkung liegt, sei gesichert. Das sagten Oberbürgermeister Ralf Broß und die Zimmerner Amtskollegin Carmen Merz in einem gemeinsamen Pressegespräch Mitte Dezember. Zuvor hatten sich die beiden Gemeinderäte von Rottweil und Zimmern in einer zweitägigen gemeinsamen Klausur über die Eckpunkte der Erweiterung des Inkom und eine neue Verbandssatzung verständigt.

Wie genau die aussehen sollte, darüber wollte man damals nichts sagen. Nur eben so viel, dass einer Erweiterung nichts mehr im Wege stehe und die Erfolgsstory des Inkom weitergehen könne. Positiv sollte die Sache herüberkommen, das war wichtig. Über andere Eckpunkte hüllte man sich in Schweigen, offensichtlich weil sich Broß und Merz der Brisanz der Fakten durchaus bewusst waren.

Wir haben dann die Schweigemauer Ende Januar durchbrochen und exklusiv dargelegt, welche grundsätzlichen Änderungen vorgenommen werden sollen. Es geht vor allem um den Verteilschlüssel der Gewerbesteuereinnahmen. Bislang teilten sich die beiden ungleich großen Nachbarn die Einnahmen zu gleichen Teilen, also 50 zu 50. Jetzt, im Zuge der Erweiterung, soll der Schlüssel 60 zu 40 zu Gunsten von Rottweil ausfallen.

Es ist dieser Verteilschlüssel, der in Zimmern zunehmend auf Ablehnung stößt. Überraschenderweise melden sich mit Hans-Georg Scherfer und Ingrid Balke zwei Gemeinderäte aus Zimmern zu Wort, die in die Verhandlungen eingebunden waren. Sie gehen mit der vorgesehenen Einigung hart ins Gericht.

In neun geheimen Treffen werden die Eckpunkte verhandelt

Balke äußert auch indirekt Kritik an Bürgermeisterin Carmen Merz, offen gegenüber Rottweil. In dem in der heutigen Ausgabe veröffentlichten Leserbrief sagt sie: Die neue Verteilung sei absolut nicht nachvollziehbar. "50 Prozent der Einnahmen reichen gewissen Leuten offensichtlich nicht mehr aus." Scherfer wie Balke kritisieren auch die beabsichtigte Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes von 340 auf 370 Prozentpunkte und damit auf das Rottweiler Niveau.

Ein weiterer Zimmerner Bürger, Armin Nastold (auch seinen Leserbrief veröffentlichen wir in unserer heutigen Rottweiler Ausgabe), äußert sich ebenso ablehnend. Diese Steuererhöhung würde den Standort Zimmern für Gewerbetreibende weit weniger attraktiv machen. Gosheim, so Nastold, erhebe lediglich einen Satz von 300 Prozentpunkten. Nastold und Balke beanstanden zudem, dass der Prozess "hinter verschlossenen Türen und ohne Beteiligung der Zimmerner Bevölkerung verhandelt wurde", auf ausdrücklichen Wunsch der Rottweiler Verhandlungspartner, so Balke.

In der Tat sprachen die beiden Delegationen vor allem hinter verschlossenen Türen miteinander und rangen um die Positionen. Es gab sechs nichtöffentliche Sitzung, eine ebenso geheime Sondersitzung, eine vertrauliche Arbeitskreissitzung und die nichtöffentliche Klausurtagung. Erst in dieser Woche, am Dienstag in Zimmern, am Mittwoch in Rottweil, kommt das Thema öffentlich auf den Tisch. Ingrid Balke fordert dazu auf, die Bürger in Zimmern über so grundlegende Fragen entscheiden, also abstimmen, zu lassen.

Es hatte sich bereits in der gemeinsamen Klausursitzung im Dezember abgezeichnet, dass sich die Zimmerner Gemeinderäte mit der neuen Regelung schwer tun. Einen geplanten gemeinsamen Abschluss zum Ende des ersten Klausurtages sagte die Zimmerner Delegation ab. Man wollte unter sich sein und den Verhandlungsstand noch einmal in Ruhe besprechen.

Nun zeigt sich, dass Hardliner von der jetzigen Vereinbarung nicht nur nicht überzeugt sind, sondern offen opponieren. Im Hintergrund mitwirken soll auch der frühere Bürgermeister Emil Maser, der während seiner Amtszeit ein eiserner Verfechter Zimmerner Interessen war. Das Verhältnis zum Rottweiler OB galt als unterkühlt.

Die Stadt Rottweil wiederum sah mit der Wahl von Carmen Merz als neuer Bürgermeisterin in Zimmern vor einem Jahr die Chance gekommen, ihre Interessen in dem gemeinsamen Gewerbegebiet stärker zur Geltung bringen zu können.

Rottweil weist auf Funktion als Mittelzentrum hin

Die neue Bürgermeisterin Carmen Merz steht in der morgigen Gemeinderatssitzung unter Druck. Sie wird versuchen darzulegen, dass sich die neue Vereinbarung mitsamt neuem Verteilschlüssel auf Zimmern finanziell stark positiv auswirken werde. So sei in vier Jahren mit Mehreinnahmen von 200 000 Euro zu rechnen. Sie wird ebenso deutlich zum Ausdruck bringen, dass es zu keiner Inkom-Erweiterung kommen werde, gar nicht werde kommen können, sollte Zimmern nicht zustimmen.

Das hängt mit der Funktion Rottweils als Mittelzentrum zusammen. Nur mit Rottweil als Partner ist demnach eine Erweiterung des gemeinsamen Gewerbegebiets Inkom möglich. Ohne Rottweil würde Zimmern von der Genehmigungsbehörde, dem Regierungspräsidium Freiburg, weitaus weniger neue Fläche zugestanden werden.

Rottweil argumentiert mit dieser Funktion als Mittelzentrum und damit verbunden mit höheren Ausgaben für Infrastrukturleistungen wie Schulen und kulturellen Einrichtungen, von denen auch Nachbargemeinden wie Zimmern profitierten.

Der Gemeinderat Rottweil befasst sich am Tag darauf, am Mittwoch, mit der neuen Satzung. In Kraft treten kann sie indes erst, wenn auch die Verbandsversammlung dem neuen Vertragswerk zustimmt. Das soll zu einem späteren Zeitpunkt geschehen.  Die Gemeinderatssitzung in Zimmern findet am Dienstag, 20. März, im Johannes-Saal der "Arche" statt. Beginn ist um 18.30 Uhr. Der Gemeinderat Rottweil trifft sich am Mittwoch, 21. März, im neuen Rathaus, Beginn ist um 17 Uhr.

INFO: Die Zahlen

Gewerbesteuer 

40 Prozent davon erhält Zimmern, 60 Prozent Rottweil (bislang 50 zu 50)

 Hebesatz

Soll von 340 auf 370 Prozent (Rottweiler Niveau) angehoben werden

 Grundsteuer

100 Prozent bleiben in Zimmern (bislang galt ein Schlüssel von 80 zu 20)

 Betriebskosten

40 Prozent übernimmt Zimmern, 60 Prozent Rottweil (bislang 50 zu 50)

 Wassergebühren

Sollen kostendeckend erhoben werden, daher Erhöhung vorgesehen

 Erweiterung

20 Hektar sollen neu ausgewiesen werden (rein rechnerisch entfallen zwölf Hektar auf Rottweil acht auf Zimmern), vielleicht sogar 23 Hektar

 Verbandsvorsitz

Dieser wechselt alle drei Jahre zwischen Rottweil und Zimmern (bislang ausschließlich Zimmern)

 Wirtschaftsförderer

Vakante Stelle wird mit Deputat von 75 Prozent neu besetzt, weitere 25 Prozent übernimmt Zimmern

 Neue Ortsmitte

Der Zweckverband Inkom schießt 60 000 Euro dazu.

KOMMENTAR: Feuertaufe

Von Armin Schulz

Die Bürgermeisterin von Zimmern, Carmen Merz, ist nicht zu beneiden. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach ihrer Wahl zur neuen Rathauschefin steht sie vor ihrer ersten Bewährungsprobe. Diese könnte schwerer nicht ausfallen. Es geht darum, das Verhältnis zu Rottweil, dem in Zimmern wenig beliebten großen Bruder innerhalb der kommunalen Familie, am Beispiel des gemeinsam betriebenen Gewerbegebiets Inkom neu zu bestimmen.

Die Vertreter eines gegenüber Rottweil harten Kurses werfen Merz vor, sich von Oberbürgermeister Ralf Broß über den Tisch ziehen zu lassen. Das mag aufs Erste betrachtet so aussehen. Doch Rottweil hat gute Gründe, von der Gewerbesteuer der Inkom-Firmen stärker als bisher profitieren zu wollen. Jetzt kommt es darauf, wie Carmen Merz ihre Kritiker überzeugen kann. Das ist richtungsweisend für ihre gesamte Amtszeit.