Rottweil - Der Testturm für Hochgeschwindigkeitsaufzüge in Rottweil wird seit der Grundsteinlegung mit Superlativen überhäuft. Ein neuer kommt hinzu. Am Dienstag wird der Deutsche Ingenieursbaupreis vergeben. Eine entscheidende Rolle für die Preisvergabe spielt eine Eigenschaft des Turms, die es ohne die Rottweiler Bürger nicht geben würde.

Der neue Stolz der Stadt, das frische Wahrzeichen, ragt in den Himmel. So weit, dass bei schlechtem Wetter die Turmspitze in den Wolken verschwindet. Und die Besucherplattform mit. Dieser Ausguck auf 232 Metern über dem Boden hat den Testturm in Rottweil so einmalig, so berühmt und so anziehend gemacht. 220.000 Tickets wurden seit der Eröffnung der Besucherplattform im Oktober vergangenen Jahres verkauft. Doppelt so viele, wie man sich zu Beginn des Projekts erhofft hatte.

Es ist diese Plattform, die mit dazu beigetragen hat, dass das 246 Meter hohe und für diese Größe schlanke Gebäude, eine mit 30.000 Euro dotierte Auszeichnung erhält. Am Dienstag kommender Woche wird der Preis an die Ingenieure des Büros Werner Sobek aus Stuttgart vergeben. Sobek plante den Turm zusammen mit dem Star-Architekten Helmut Jahn, der in Chicago arbeitet.

Der Präsident der Bundesingenieurkammer Hans-Ulrich Kammeyer erläutert die Entscheidung der Jury im Sommer dieses Jahres: "Das Siegerobjekt zeichnet sich dadurch aus, dass es innovative Ingenieurbaukunst auch der Öffentlichkeit zugänglich macht. Und genau das ist es, was wir mit dem Preis wollen: Beeindruckende Ingenieurleistungen erlebbar zu machen."

Turm sollte ursprünglich nicht für Öffentlichkeit zugänglich sein

Dabei war das zu Beginn des Projekts nicht ausgemacht, dass der Turm auch ein öffentlicher werden würde. Der Bauherr, der Industriekonzern Thyssen-Krupp, wollte für die Aufzugsparte vor allem ein technisches Gebäude erstellen. Ingenieure und Techniker sollten in dem 246 Meter hohen Gebäude die Aufzüge von morgen entwickeln und testen. Ohne, dass ihnen dabei jemand über die Schulter gucken kann. Der Rottweiler Gigant ist daher ein Turm für Tüftler und Denker. In zwölf Schächten werden die Lifte für die Metropolen dieser Welt gebaut. Mit bis zu 18 Meter pro Sekunde düsen die Kabinen rauf und runter. Das sind fast 65 Kilometer in der Stunde. Schneller als ein frisiertes Moped.

Als revolutionär bezeichnet der Aufzughersteller seinen neuesten Streich: Entwicklung und Produktion von seillosen Aufzügen. Multi wird dieses System genannt. Passagierkabinen können im Prinzip kreuz und quer durch die Gebäude geführt werden. Das Versprechen: Es würde weniger Platz und weniger Energie verbraucht bei gleichzeitiger Steigerung der Beförderungskapazitäten. Thyssen-Krupp Elevator kombiniert bei Multi erstmals zwei Prinzipien miteinander: das Antriebssystem, das für die Magnetschwebebahn, den Transrapid, entwickelt wurde, und die vom Paternoster her bekannte Methode, mehrere Kabinen in einem Schacht gleichzeitig fahren zu lassen.

Unternehmen geht auf Bürgerwillen ein

Ohne den Willen der Rottweiler Bürger indes wäre der Turm nicht das, was er heute ist. Vor Jahren, als über die Idee in einer Bürgerversammlung erstmals öffentlich gesprochen wurde, erhoben die Rottweiler Bürger die Forderung, dass sie auch etwas vom Turm haben wollten. Für eine Aussichtsplattform sprachen sich einer Telefonumfrage unserer Zeitung im Mai 2013 fast alle Anrufer aus. Sie ist die höchste in ganz Deutschland.

Der Konzern Thyssen-Krupp war überrascht ob der Forderung, er lenkte trotz Bedenken ein. Zu seinem Glück. Inzwischen wird die Besucherplattform intern als Glücksfall betrachtet. Der Image-Gewinn ist beachtlich, mit Geld kaum aufzuwiegen und kann dem arg gebeutelten Industriekonzern in diesen turbulenten Zeiten nur gut tun.

Info: Der Preis

Der Deutsche Ingenieurbaupreis wird am Dienstag in der Staatsgalerie in Stuttgart vergeben. Neben dem Hauptpreis für den Testturm in Rottweil gibt es zwei Auszeichnungen (dotiert mit 7000 Euro): für die Straßenbrücke „Rotes Steigle“ über die A8 zwischen dem Kreuz Stuttgart und der Anschlussstelle Leonberg/Ost und das Projekt Salzlagerhalle Geislingen an der Steige. Einen Anerkennungspreis (jeweils 4000 Euro) gibt es für das Projekt Kraftwerk Lausward in Düsseldorf, die Lahntalbrücke Limburg an der A3 von Köln nach Frankfurt, den Umbau des Hauptbahnhofs Chemnitz und die Nachhallgalerie in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin.