Sandra Vollmer rettet als Botschafterin des Netzwerks Food­sharing.de Lebensmittel vor der Mülltonne. Foto: Alt Foto: Schwarzwälder Bote

Foodsharing: Sandra Vollmer kämpft gemeinsam mit Gleichgesinnten gegen die Verschwendung von Lebensmitteln

Von Alexandra Alt

Wohin mit runzeligen Äpfeln, braun gefleckten Bananen oder abgelaufenen Konserven? "Bloß nicht in den Müll", sagt Sandra Vollmer. Die Botschafterin des Netzwerks Foodsharing rettet Lebensmittel vor der Tonne und sucht noch Gleichgesinnte.

Rottweil. Die Zahlen, die die Umweltschutzorganisation WWF Anfang des Jahres veröffentlicht hat, erschrecken: Jedes Jahr werden in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. 2,6 Millionen Hektar Land werden bewirtschaftet, nur um das Angebaute später wieder zu entsorgen. Sandra Vollmer stehen angesichts solcher Nachrichten die Haare zu Berge. Sie macht sich zusammen mit Swen Röschke und den Foodsharing-Mitgliedern (dt. Lebensmittel teilen) dafür stark, dass in Rottweil und Umgebung weniger Lebensmittel weggeworfen werden.

"Ich war neulich in einem Supermarkt. Da hat eine Mitarbeiterin Obst und Gemüse aussortiert, das zwar nicht mehr knackig, aber durchaus noch verwertbar war. Ich konnte da gar nicht hingucken, weil ich wusste, dass das später alles in der Tonne landet", erzählt Vollmer und schüttelt den Kopf. Seit sich die 41-Jährige für Foodsharing einsetzt, geht sie mit anderen Augen über den Markt, in Einkaufsläden oder Bäckereien. "Uns geht es darum, zu sensibilisieren und das eigene Kaufverhalten zu hinterfragen und zu ändern", nennt Vollmer weitere Ziele.

Dabei machten es einem vor allem die Supermärkte schwer. Ein Beispiel: Ein großes Glas Gurken kostest 99 Cent, ein kleines 1,50 Euro. Wenn man jetzt genau weiß, dass man eigentlich nur ein paar Essiggurken benötigt und der Rest später im Kühlschrank vor sich hin gammelt – wie entscheidet man sich? "Viele nehmen das große Glas, weil es günstiger ist und schmeißen die übrig gebliebenen Gurken dann einfach weg", weiß Vollmer. Was also tun? Für weniger Inhalt mehr bezahlen? "Oder teilen", sagt Vollmer.

Was nun bei den Essiggurken vielleicht ein wenig kompliziert erscheint, ist bei der Großpackung Karotten oder Tomaten schon einfacher. Auch, weil man daraus eine Menge haltbarer Dinge machen kann: "Gemüsegewürzpaste, eingekochte Gemüsesuppe oder sauer eingelegtes Gemüse..." Die Mitglieder treffen sich zu "Schnibbel"- oder Einmach-Partys – auch überregional.

Eigenverantwortlichkeit

Doch den Foodsharern geht es nicht nur ums Verwerten. Sie wollen die Nahrungsmittel auch – aber nicht nur – an jene weitergeben, die in der Gesellschaft sozusagen am Ende der Nahrungskette stehen: Sozial Benachteiligte, Suppenküchen, einkommensschwache Familien. "Wir wollen aber niemanden stigmatisieren", betont Vollmer. Schließlich ginge es in erster Linie um die Grundidee: Menschen teilen Essen. Und so werden die bei Privatpersonen und kooperierenden Betrieben, auf Festivals oder anderen Großveranstaltungen gesammelten Lebensmittel an jene verteilt, die sie gerade brauchen können.

Parallel zum Foodsharing in Rottweil wird derzeit auch ein Netzwerk in Villingen-Schwenningen aufgebaut. Die Teams arbeiten zusammen. "Ich finde es toll, wie sich das entwickelt hat", sagt Vollmer. Immerhin habe der Rottweiler Bereich bereits 30 feste Mitglieder.

Wer sich dazu entschließt, bei den Essensverteilern mitzumachen, sollte allerdings die richtige Einstellung und Eigenverantwortlichkeit mitbringen. "Es gibt bei uns Richtlinien, an die man sich halten muss", betont Vollmer. Die müssten vom Neumitglied in einer Rechtsvereinabrung auch unterzeichnet werden. Oberste Prämisse: Man gibt nur Lebensmittel weiter, die man auch selbst noch essen würde. "In den Großstädten tun sich die Lebensmittelretter leichter", sagt Vollmer. Vor allem Studenten unterstützten die Szene dort. Allein in Stuttgart gebe es etwa 1000 sogenannte Foodsaver, also Mitglieder, die aussortierte aber noch verzehrbare Lebensmittel von kooperierenden Betrieben abholen. "Davon sind wir in Rottweil noch weit entfernt. Aber wir werden mehr", sagt Vollmer mit einem hoffnungsvollen Lächeln.

Ein großer Coup sei ihnen mit dem Barstreet-Festival gelungen, das vor wenigen Wochen in die Rottweiler Innenstadt lockte. "Wir haben die Verantwortlichen angeschrieben und die waren begeistert", erzählt Vollmer. Dann seien die Foodsharing-Mitglieder mit Eimern, Körben und Taschen angerückt und hätten die nichtverkauften Lebensmittelreste der Foodtrucks abgeholt. "Wir hatten eine Liste, welche Anbieter mitmachen, und da sind wir dann hin. Natürlich war da schon kaum mehr Publikum unterwegs." Seltsame Blicke hätte es dennoch gegeben. "Einer dachte, wir sind vom Gesundheitsamt. Wegen unserer Ausweise", sagt Vollmer lachend.

Die Foodsharing-Idee sei für Betriebe besonders deshalb interessant, weil diese Geld und Arbeitskraft für die Müllentsorgung sparen könnten. Voraussetzung sei allerdings, dass die Lebensmittel noch genießbar sind. n Wer sich als Privatperson oder Betrieb für die Arbeit der Lebensmittelretter interessiert, kann sich unter www. foodsharing.de und auf Facebook Foodsharing Rottweil informieren oder sich per E-Mail rottweil@lebensmittelretten.de an Sandra Vollmer wenden.

Foodsharing.de ist eine Internet-Plattform, die Privatpersonen, Händlern und Betrieben die Möglichkeit bietet, überschüssige Lebensmittel entweder anzubieten oder abzuholen. Die Grundidee ist: Menschen teilen Essen, statt es wegzuwerfen. Damit soll ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung gesetzt werden. Wer sich außerdem engagieren will, kann Foodsaver werden. Dann tritt mit Betrieben in Kontakt, holt Lebensmittel ab und verteilt sie weiter. Als Botschafter ist das Mitglied zudem Ansprechpartner und koordiniert die Foodsharing-Aktionen in den Regionen. Die Mitgliedschaft ist kostenlos.