Der Grabstein Max Straßburgers in Berlin. Die erste Zeile ist in hebräischer Sprache und lautet: "Hier ruht", die letzte: "Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens" (nach 1 Sam 25,29) Foto: Kagerer Foto: Schwarzwälder-Bote

Historie: Letzter Teil unserer Serie über Rottweiler Juden-Geschichten / Max Straßburger im Fokus

Rottweil. Im dritten und letzten Teil unserer Serie zu lokalen Juden-Geschichten geht unser Autor, der frühere Gymnasiallehrer und Historiker Werner Kessl, auf die Person Max Straßburger ein. Gerhard Boos, Theologe und stellvertretender Vorsitzender im Verein "Ehemalige Synagoge Rottweil", legt in einem zweiten Beitrag das Augenmerk auf die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen aus dem II. Vatikanischen Konzil (siehe Info-Box).

Der Grabstein von Max Straßburger in Berlin: Seine Lebensdaten (26.5.1872 bis 16.1.1938) und der Wirkungsort erinnern in Berlin an Max Straßburger sel. A., den jüdischen Religionslehrer aus Rottweil. In Weißensee, wo sich der wohl größte jüdische Friedhof Europas befindet – mit heute nahezu 200 000 Grabstellen – hat sein Stein die Nummer 97 509. Dass das Grabmal nach über 70 Jahren noch anschaulich aussieht, ist einer Renovierung aus dem Jahre 2001 zu verdanken. Damals hat Oberbürgermeister Thomas Engeser den Stein aus städtischen Finanzmitteln herrichten lassen.

Fünf Jahre nach seiner Zurruhesetzung 1933 hat der Oberlehrer Straßburger sel. A. in Berlin den Tod und auch sein Grab gefunden. Die beiden Kinder des Ehepaars und die Witwe selbst haben im selben Jahr Berlin verlassen und sind ausgewandert. Das beim Wegzug aus Rottweil nicht mehr benötigte Kinderbett haben damals Straßburgers Nachbarn, Josef und Klara Kessl, für ihren eigenen Nachwuchs übernommen.

Straßburger war nicht der erste und auch nicht der letzte jüdische Lehrer in Rottweil. Salomon Königsbacher war bis zu seinem Tod 1897 fast 30 Jahre lang sein Vorgänger. Nach ihm haben die Dienstwohnung in der Kameralamtsgasse 3, die Synagoge, Manfred Bernheim und schließlich Moritz Warscher bezogen. Mit Warscher geht dann auch die Liste der Lehrer zu Ende, im Frühjahrsfeldzug Deutschlands gegen Frankreich 1940. Warscher ist übrigens bei der Flüchtlingshilfe wohl der Spionage verdächtigt und erschossen worden.

Fasst man zusammen, was an Erkenntnissen über die jüdischen Lehrer und Vorsänger in Rottweils Gemeinde zu wissen ist, dann wird deutlich, wie wichtig immer die Sorgfalt beim Gottesdienst am Freitagabend und die Weitergabe des Glaubens an die Jugend genommen worden ist. Warscher hat noch 1937 Kurse in Neuhebräisch angeboten, mit der klaren Zielrichtung Palästina.

Derselbe Rottweiler Bürgermeister, Josef Abrell, der Straßburger 1933 feierlich und öffentlich verabschiedet hatte, war von 1933 an Motor der städtischen Anti-Juden-Politik. Er hat "in Absprache mit Kreisleiter Acker" das "Judenvieh" auf getrennte Marktorte befohlen und auf einer Gedenktafel den Namen Rothschild – aus einer Ehrung der Gefallenen vom Weltkrieg – entfernen lassen. Für einen Rottweiler Behördenchef war Abrell auch der richtige Ansprechpartner, als es um einen Teppich für das Dienstzimmer ging: Man soll ihm diesen aus dem beschlagnahmten Judenvermögen überlassen.

Die NS-Judenpolitik hat zwischen 1935 (den Nürnberger Gesetzen) und 1942 (der "Wannsee-Konferenz") Rottweils jüdische Geschichte schnell zum Ende gebracht. Fast 25 jüdische Rottweiler kamen ums Leben, nur noch zwei Juden kennt 1937 die amtliche Statistik. Friedhof und Synagoge waren 1945 verkauft, die Gemeinde notariell aufgelöst.

Die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, vom 28. Oktober 1965, am Ende des II. Vatikanischen Konzils (1962-1965): Ursprünglich sollte die Erklärung auf das Verhältnis der Kirche zu den Juden beschränkt sein, sie wurde aber auf alle nichtchristlichen Religionen erweitert und mit großer Mehrheit verabschiedet. "Im Bewusstsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet haben" (Kap. 4).

"Da das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist" (Kap. 4).