Fotos: Otto Foto: Schwarzwälder-Bote

Projekt in der oberen Hauptstraße läuft

Ein geübter Griff und schwupps – hat Arzu Paj das kleine weiße Ei unter der Taube hervorgeholt. Genauso schnell wird ein neues Ei ins Nest bugsiert: eines aus Plastik. Im neuen Taubenschlag in der oberen Hauptstraße läuft der Betrieb bestens.

Rottweil. Initiatorin Arzu Paj freut sich über den Erfolg: Schon ein halbes Jahr, nachdem der große Taubenschlag auf dem Dachboden des Volksbank-Gebäudes eingerichtet worden ist (wir berichteten), haben ihn bereits zahlreiche Tiere als Brut- und Wohnstätte angenommen. Als sie allerdings Besuch von der Presse bekommen, flattern sie aufgeregt umher und machen sich durch die Dachluke davon. Nur die Tauben, die brüten, bleiben tapfer in ihrem Nest sitzen. Sie haben sich in den kleinen Holznischen plangemäß eingerichtet, um ihre Eier auszubrüten.

Würden sie dies wie sonst auch irgendwo draußen tun, gäbe es in ein paar Wochen pro Nest zwei neue Tauben in der Rottweiler Innenstadt. Doch hier unterm Dachboden, unter Aufsicht von Arzu Paj und den Helfern des Tierschutzvereins, wird es nichts mit dem Nachwuchs. Die Eier werden durch Plastikattrappen ersetzt. "Das ist die einzige Möglichkeit, um die Population einzudämmen", weiß Arzu Paj. Und der Erfolg kann sich sehen lassen: In diesem Jahr hat sie bereits 82 Eier eingesammelt. Und Nummer 83 kommt während des Gesprächs hinzu.

"Wenn man hochrechnet, dass 83 neue Tauben dann auch wieder jeweils sechsmal im Jahr gebrütet und sich vermehrt hätten, potenziert sich das zu einer riesigen Zahl", erklärt Günther Hermus vom Rottweiler Tierschutzverein. Ein weiterer positiver Effekt sei, dass der ganze Dreck, der täglich aus dem Taubenschlag geholt wird, nicht stattdessen draußen auf Straßen oder Dächern liegt. Dass die Verunreinigungen in der unmittelbaren Umgebung des Schlags zugenommen hätten, wie ihnen gegenüber schon geäußert wurde, diese Einschätzung können Hermus und Paj nicht teilen.

Der Aufwand zum Betrieb des Taubenschlags ist enorm: Arzu Paj und andere Helfer sind wechselweise jeden Morgen rund eineinhalb Stunden beschäftigt, putzen und befüllen die Futternäpfe. "Ich könnte mir schon was Schöneres vorstellen", meint die Friseurmeisterin, die auch beruflich alle Hände voll zu tun hat und sich dennoch engagiert – für die Allgemeinheit. Schließlich gibt es viele, die sich über den Taubendreck und die zunehmende Anzahl der Vögel ärgern. Immer noch gebe es allerdings Menschen, bedauert Paj, die den Nutzen des Taubenschlags nicht verstehen.

Umso mehr freue es sie, dass die Volksbank das Problem erkannt und den Dachboden zur Verfügung gestellt habe. Um die Taubenpopulation nachhaltig einzudämmen, reiche dieser Schlag allerdings nicht aus. "Wir bräuchten rund vier, fünf weitere Schläge", betont Günther Hermus. Optimal wären Standorte am Friedrichsplatz, beim Landgericht und in der Altstadt. Bislang sind allerdings keine Räume in Sicht. "Wir hoffen, dass es weitere Hausbesitzer gibt, die uns hier unterstützen", so Paj. Auch mit Spenden könne geholfen werden.

Der Ausbau des Taubenschlags wurde von der Stadt mit einer Finanzspritze von 3300 Euro an den Tierschutzverein refinanziert. Günther Hermus rechnet allerdings mit Futter- und Arbeitskosten von rund 10 000 Euro im Jahr. Wenn es effektiv weitergehen soll, sei das ohne weitere Unterstützung nicht möglich.

Dass der Taubenschlag in der oberen Hauptstraße seinen Zweck erfüllt, zeigt sich dann nach dem Vor-Ort-Termin beim Blick von unten aufs Hausdach: Kaum merken die Vögel, dass die Luft auf dem Dachboden wieder rein ist, flattern sie einer nach dem anderen durch die Luke wieder hinein. Das Dach ist plötzlich wie leer gefegt.