Krokusblüten vor dem Landgericht Rottweil Foto: Müssigmann

Plädoyers im Verfahren gegen mutmaßlichen Messerstecher. Angeklagter: Wollte ihn nicht töten.

Rottweil/Horb - Der Mann, der einen 33-Jährigen in einem Horber Supermarkt erstochen haben soll, gehört in die Psychiatrie – da sind sich Staatsanwalt und Verteidiger einig. Welche Strafe er für die tödliche Attacke bekommen soll, ist aber umstritten.

Acht Jahre und zehn Monate Haft hat der Staatsanwalt am Donnerstag für den wegen Totschlags angeklagten 31-Jährigen gefordert. Der Verteidiger ist wie der Staatsanwalt für eine Unterbringung in der Psychiatrie auf unbestimmte Zeit, bis von dem Mann keine Gefahr mehr ausgeht – doch strafrechtlich plädierte er auf Freispruch.

Der Angeklagte knetete seine Hände, während die Juristen im großen Saal des Landgerichts Rottweil ihre Ausführungen machten. Schließlich sagte er in seinem letzten Wort: "Ich wollte sagen, dass ich den Streit nicht angefangen hab und dass ich Mustafa nie töten wollte."

Der Angeklagte soll am 13. Juli in einem Horber Supermarkt, wo er als Aushilfe in einem Dönerimbiss arbeitete, mit besagtem Mustafa in Streit geraten sein – nach einer heftigen Schlägerei mit dem Gast soll er ihm mit einem Messer tödliche Stiche in die Brust versetzt haben.

Und dafür soll es einen Freispruch geben? Der Verteidiger erklärte seine Forderung im Gerichtssaal. Sein Mandant leide seit 2013 an einer paranoiden Schizophrenie. Wenige Wochen vor der Tat war er noch in der Psychiatrie, wurde dann aber entlassen. Als er im handgreiflichen Streit vor der Tat von seinem Gast in den Schwitzkasten genommen wurde und er kaum mehr Luft bekommen habe, sei er in Panik geraten und habe fortan im Wahn gehandelt. "Er griff das Messer, weil es in seiner Wahrnehmung um Leben und Tod ging", sagte der Verteidiger. Das sei ein Irrtum gewesen, den sein Mandant in diesem Moment aber nicht erkennen konnte. Dass er sogar vier Mal wuchtig mit dem Messer zugestochen hat, lasse einen sogenannten Notwehrexzess vermuten. Aufgrund seiner Krankheit könne man ihm möglicherweise die Schuld an der Tat nicht anlasten.

Allerdings musste der Verteidiger einräumen: Dass der mutmaßliche Täter nach der Tat laut Zeugenbeobachtung eine Siegerpose eingenommen und das Messer gereinigt haben soll – "das lässt sich nicht mit gesundem Menschenverstand erklären".

Eine andere Argumentation legte der Staatsanwalt vor. Bei der Schlägerei hat es aus seiner Sicht einen Wendepunkt gegeben: Nachdem das spätere Opfer aus dem Imbiss Richtung Kassenbereich rannte, habe sich der Angeklagte nicht mehr verteidigen müssen, vielmehr habe er nur noch als aggressiver Angreifer gehandelt. "Er wollte den Kampf für sich entscheiden", sagte der Staatsanwalt, notfalls mit dem Messer, das er spätestens zu diesem Zeitpunkt an sich genommen hatte. Er habe auch damit gerechnet, dass sein Gegner dabei sterben könnte.

Dass er trotz dieses Wissens zustach, habe mit seiner Krankheit zu tun, meinte der Staatsanwalt. Der Angeklagte ist aus Sicht des Staatsanwaltes nicht voll schuldfähig. Damit sinke die mögliche Höchststrafe für Totschlag von 15 auf gut 11 Jahre Haft.

Der Anwalt der Familie, die wie schon an den vorangegangenen Prozesstagen als Nebenkläger und Besucher im Gerichtssaal saßen, forderte kein konkretes Strafmaß. An den Angeklagten gerichtet sagte er: "Sie haben großes Leid über eine Vielzahl von Menschen gebracht." Der Angeklagte habe im Prozess keine wirkliche Reue gezeigt. "Er sieht nicht ein, oder es ist ihm nicht möglich einzusehen, was er getan hat", so der Anwalt. Das sei zu berücksichtigen.

Die Ehefrau des Getöteten meldete sich auch noch ein mal zu Wort: Da der Angeklagte Kampfsportler ist, wie im Prozess berichtet wurde, hätte er den Kampf auch mit Fäusten gewinnen können, ist sie überzeugt. Sie wolle beantragen, dass er für die Messerstiche die höchstmögliche Strafe bekomme.

Das Urteil wird am Montag, 19. März, um 14 Uhr am Landgericht Rottweil verkündet.

Info Unterbringung:

Ein Gericht kann bei der Verurteilung von Straftätern die Unterbringung in der Psychiatrie anordnen. Das kommt jedoch relativ selten vor, wie Zahlen des baden-württembergischen Justizministeriums zeigen. Seit Jahren liegt die Quote bei rund 0,1 Prozent aller Verurteilten. Im Jahr 2016 waren es 126 von 102 646 Verurteilten.