Das Fangnetz an der Hochbrücke soll vom Sprung in den Tod abhalten. Foto: Hauser

Trotz kürzlich angebrachter Sicherheitsnetze springt ein Mensch von der Hochbrücke.

Rottweil - Wenige Monate, nachdem die Fangzäune an der Hochbrücke montiert worden sind, ist gestern Vormittag ein Mensch in den Freitod gesprungen. Ein Rottweiler Bürger will deshalb die Stadt verklagen. Er findet, dass die Netze Lücken aufweisen und hatte die Stadt darauf bereits hingewiesen. Die Frage ist: Wie konnte das passieren?

Nach jahrelangen Planungen und intensiven Diskussionen in Expertengruppen wurde im Frühjahr ein Netz zur Suizidprävention an die Hochbrücke angebracht. Damit wollte man fortan verhindern, dass Menschen von sich aus in den Tod springen. Doch anscheinend hat diese bauliche Maßnahme, die 580 000 Euro gekostet hat, nichts gebracht. Nur wenige Monate nach Fertigstellung ist es gestern zu einem tragischen Fall gekommen. Ein Mensch ist am späten Vormittag vor den Augen einiger Passanten in den Tod gesprungen. Nach Auskunft der Behörden ist es der erste Freitod, seitdem es die Fangnetze gibt.

Doch wie konnte das überhaupt passieren? Dieser Frage geht auch die Kriminalpolizei nach. Deren Ermittlungen stünden erst am Anfang, hieß es auf Anfrage. Die Stadt will das Ergebnis abwarten, und sich dann nochmals mit den Experten beraten, mit denen sie gemeinsam zu dem Schluss gekommen war, dass ein Netz die beste Wahl für die Hochbrücke ist.

"Die Stadt hat mich ausgelacht"

Was feststehe: "Das Netz, so wie es konzipiert ist, hat keinen Fehler gehabt", sagt Sprecher Tobias Hermann. Es solle abschreckend wirken, und bereits den Sprung verhindern. Warum dies gestern nicht der Fall war, darüber erhofft sich die Stadt Erkenntnisse von der Kripo. Hermann verweist auf Erfahrungsberichte aus Bern. Dort gebe es ebenfalls ein solches Netz an einer Brücke, und seit 17 Jahren sei dort deshalb nichts mehr passiert. Dasselbe hatte sich Rottweil für die Hochbrücke erhofft.

Dass das Thema Suizidprävention die Menschen beschäftigt, zeigt auch das Beispiel von Thomas Ruf. Der Rottweiler ist nach den gestrigen Geschehnissen außer sich. Er hat es nach eigenen Angaben kommen sehen, dass das Fangnetz den Ansprüchen nicht gerecht werde, sagt er. "Da guckt man als Laie runter und sieht, dass das Netz nicht ausreichend ist." Es gebe Stellen, wo zierliche Personen durchpassen.

Seine Meinung behielt er nicht für sich. Anfang April sei er ins Bauamt gegangen, habe seine Befürchtungen geschildert. "Die Stadt hat mich ausgelacht."

Ruf sagt, dass ihm das Thema Suizid ein Anliegen ist, weil er vor Jahren Zeuge geworden sei, wie jemand von einer Brücke sprang. Zudem sei er 20 Jahre lang Briefträger gewesen. Er kenne die Leute, er kenne auch die Opfer von der Hochbrücke. Deshalb legte er nach und schickte Fotos vom Netz und einen Brief mit seinen Bedenken per Einschreiben an Lothar Huber, den Leiter des Fachbereichs Bauen und Stadtentwicklung.

Eine Antwort wollte er nicht, sagt Thomas Ruf, aber Taten sehen. Etwa, dass die Stadt die Lücken, die es seiner Meinung nach im Netz gibt, schließt. Nun hat sich gestern trotz Sicherung ein Mensch das Leben genommen. Weil Rottweil seiner Verantwortung nicht nachgekommen sei, lautet Rufs Vorwurf. Er werde die Stadt darum anzeigen, sagt. Schließlich gehe es um Menschenleben.