Beate Dörr Foto: Friederichs Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Blick auf "100 Jahre Frauenwahlrecht" / Unrühmliche Quote im Rottweiler Stadtparlament

"100 Jahre Frauenwahlrecht: Wahlen ja – Teilhabe nein?" – zu dieser Fragestellung im Jubiläumsjahr für das Frauenwahlrecht lud die VHS Rottweil die Leiterin des Fachbereichs Frauen und Politik der Landeszentrale für politische Bildung (Lpb), Beate Dörr, ein.

Rottweil (hf). In ihrem fundiert und engagierten Vortrag nahm die Referentin die Zuhörerinnen mit in die Geschichte des Frauenwahlrechtes bis heute. Der Weg sei lang und steinig gewesen, viele mutige Frauenrechtlerinnen landeten im Gefängnis oder auf der Guillotine und von einer tatsächlich existierenden Gleichberechtigung könne bis heute nicht gesprochen werden. Erst am 19. Januar 1919, nach dem ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution 1918 erhielten die Frauen das aktive und passive Wahlrecht für die Nationalversammlung in der Weimarer Republik. Ein damaliges Wahlplakat verdeutlichte die erste überparteiliche Wahl für Frauen: "Frieden + Brot – darum wählt Frauen!" Die Wahlbeteiligung mit 83 Prozent war hoch, aber nur neun Prozent Frauen landeten im Reichstag – von 37 Frauen waren fünf Frauen aus dem Südwesten. Eine aus Rottweil stammende Zentrumsabgeordnete, Luise Rist, war im württembergischen Landtag vertreten.

Nach 14 Jahren Weimarer Republik schwand auch dieser niedrige Anteil nochmals auf nur vier Prozent und wurde in den zwölf Jahren der NS-Herrschaft durch das Verbot des passiven Wahlrechts nochmals zur Bedeutungslosigkeit degradiert.

Erst viele Jahre nach Gründung der Bundesrepublik, am 23. Mai 1949, erreichte der Frauenanteil im Jahre 1980 im deutschen Bundestag wieder neun Prozent. Heute liegt der Frauenanteil im Bundestag nach der letzten Bundestagswahl 2017 bei 31 Prozent, resümierte Beate Dürr. Schlusslicht bei den Länderparlamenten ist Baden-Württemberg mit 24,5 Prozent Frauen und das kommunale Gemeindeparlament in Rottweil liegt mit 15 Prozent bei mehr als 50 Prozent Frauenanteil an der Bevölkerung noch dahinter, so dazu ihre Ausführungen.

Eindrücklich schilderte die Referentin die Geschichte des Kampfes einzelner Frauen um Gleichberechtigung und Teilhabe von der Französischen Revolution, die 1848er-Revolution in den deutschen Staaten über die Paulskirche bis zum Ersten Weltkrieg. 1911 war der Beginn eines internationalen Kampfes für das Frauenwahlrecht mit Aktionen großer Frauen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg auf der ersten internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen. Die promovierte Juristin Elisabeth Selbert, brachte den Gleichberechtigungsartikel 3(2) ins Grundgesetz: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", dem ein späterer Zusatzartikel folgte. Ein enormer Durchbruch, so Dörr, da diesem Grundrechtsartikel die Gleichstellung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) folgen musste, zum Beispiel – erst 1977 – die Aufgabenteilung in der Ehe oder die Entscheidungsfreiheit der Frauen über Beruf und Arbeit.

Trotz aller Gesetzesänderungen sei die Gleichberechtigung noch lange nicht Realität geworden, so Dörrs nüchterne Bilanz. Nach wie vor seien die Löhne ungleich, bestünde sexualisierte Gewalt und gebe es immer noch zu geringe Repräsentanz der Frauen in allen parlamentarischen Gremien.

Mit den Worten der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Bundesrepublik stehe heute auf dem Niveau des Sudan, schloss die Referentin ihren beeindruckenden Vortrag.