Am zweiten Tag des Mordprozesses (hier ein Foto vom Prozessauftakt) geht es um das Wesen des Opfers. Foto: Schulz Foto: Schwarzwälder-Bote

Tag zwei des Mordprozesses am Landgericht Rottweil / Opfer floh vor Todesschütze

Von Nina Lipp

Kreis Rottweil. War das Opfer Hans Peter Wilhelm charakterstark, weil er seine Meinung zu verteidigen wusste, oder war er ein aggressiver Provokateur? An Tag zwei des Mordprozesses vor der ersten Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil stand das Wesen des Opfers im Mittelpunkt.

Mehrer Zeugen aus dem Umfeld des Opfers, Hans Peter Wilhelm, sagten gestern aus, dieser sei jemand gewesen, der in Konflikten nicht besonders ausgleichend, sondern offensiv auf seinem Standpunkt beharrend gewesen sein soll. Lediglich seine Schwester schilderte ihn als "sehr geduldige und hilfsbereite Person", auch ein ehemaliger Ringtrainer wollte die Konfliktunfähigkeit des Opfers nicht bestätigt wissen.

Es ist der zweite Verhandlungstag. Der mittlerweile 39-Jährigen Mustafa Yilmaz muss sich vor der Ersten Schwurgerichtskammer des Mordes an seinem Nachbarn Hans Peter Wilhelm verantworten.

Yilmaz hatte diesen in seinem Garten in Wilflingen, dem Ortsteil der Gemeinde Wellendingen, im Juli vergangenen Jahres aus unmittelbarer Nähe erschossen. Als das angeschossenen Opfer vor Yilmaz in seine Wohnung flüchtete, folgte Yilmaz und feuerte mehrere weitere Schüsse aus unmittelbarer Nähe ab..

Der Mord im vergangenen Jahr ist die Spitze eines zwei Jahre andauernden Nachbarschaftsstreites. Zu diesem Zeitpunkt nahm Yilmaz, dem wegen einer psychischen Erkrankung einen Behindertengrad von fünfzig Prozent attestiert wird, keine Anti-Depressiva mehr ein, diese hatte er erst wenige Wochen vor der Tat abgesetzt. Seit zwei Jahren wohnten die Familien Wilhelm und Yilmaz nebeneinander. Kurz nach dem Einzug der Familie Wilhelm begann diese, ihre Seite der Doppelhaushälfte umzubauen – zwei Jahre lang fühlt sich die Familie Yilmaz dadurch gestört. Handfest wird der Konflikt, als Wilhelm in seiner Haushälfte einen Balken entfernt, was zur Folge hat, dass sich auf der Seite der gemeinsamen Hausmauer im Haus der Familie Yilmaz der Putz von der Wand löste. Ein Zeuge, ein gemeinsamer Nachbar der beiden Familien, sagte gestern aus, er sei von der aufgebrachten Familie Yilmaz gebeten worden, den Schaden in Augenschein zu nehmen – deren Vorwurf, der Balken sei ein tragender gewesen, habe er jedoch nicht bestätigen können. Später habe ein Gutachten ergeben, dass Dacharbeiten der Familie Yilmaz zu dem Schaden geführt habe. Unklar blieb, wieso sich Wilhelm im weiteren Verlauf des Konfliktes zu einer Schadensersatzzahlung gegenüber der Familie Yilmaz in Höhe von 1000 Euro bereit erklärt hatte. Auch warum es zu den Überfahrtrechten zwischen den Konfliktparteien regelmäßig zu Streit gekommen war, blieb unklar. So viel: Wilhelm hatte mit Eisenstäben den Weg abgesteckt, den Yilmaz zum Parken seines Autos nutzen durfte, was der seit 2003 in Deutschland lebende Türke als Provokation empfand, da er fand, dass diese seine spielenden Kinder gefährden.

Polizeihauptmeister Jürgen Siewert, der zum Tatort gerufen wurde, kannte da bereits die beiden Konfliktparteien "Da prallte das südländische Ehrempfinden auf die schwäbische Mentalität" Yilmaz habe es zutiefst angegriffen, wie Wilhelm über dessen Kinder gesprochen habe, zudem habe er sie durch die Stahlnägel bewusst einer Gefahr ausgesetzt. Dass hatte Yilmaz in seiner Vernehmung nach der Tat bestätigt. Er habe sich mehrfach von Wilhelm vor seinen Kindern demütigen lassen, ohne zu reagieren. Yilmaz behauptet zudem, Wilhelm habe seine Frau kurz vor der Tat beleidigt, woraufhin sich der angestaute Frust entladen habe.

Yilmaz hatte in seiner Vernehmung angegeben, am Tattag einen Lohnscheck erhalten zu haben, mit dem er unzufrieden gewesen sei. Zudem sei er erschöpft gewesen, als er durch den Baustellenlärm des Nachbarn geweckt worden sei, woraufhin er in den Garten geeilt sei. Dort sei er dann auf den Nachbarn getroffen. Dass dieser dann noch seine Frau beleidigt habe, habe zum Kontrollverlust geführt.

Dass Yilmaz seit seiner Kindheit in der Türkei mit dem Umgang mit Waffen vertraut ist, habe das Opfer nicht gewusst, bestätigten mehrere Zeugen aus dem Umfeld Wilhelms. Yilmaz ist in einem türkischen Dorf aufgewachsen. Das Haus seiner Eltern habe dort am Waldrand gelegen. Um sich vor tollwütigen Wölfen zu schützen, habe er früh die Pistole seines Vaters und das Gewehr seines Großvaters nutzen dürfen. Während seines Dienstes beim türkischen Militär sei er jedoch lediglich Fahrer gewesen. Zwar sei er dort mehrfach in einen Hinterhalt geraten, habe sich jedoch nicht selbst mit der Waffe verteidigen müssen. In Deutschland habe er einen Kurs absolviert, um weiter Waffen besitzen zu können und an Wettkämpfen teilnehmen zu können. Auch war Yilmaz im Schützenverein. Die Tatwaffe, eine Pistole, Kaliber 9 Millimeter, befand sich mit einer Kleinkaliberwaffe in einem Tresor auf dem Dachboden des Hauses der Familie Yilmaz. Yilmaz entschuldigte sich bei der Tochter und der Schwester des Ofers..