Ein ziemlich langes Ding, die neue Fußgänger-Hängebrücke im Harz. Foto: Christian Binder

Jetzt hat im Harz das wohl weltweit längste frei schwebende Bauwerk eröffnet.

Rottweil - Fast könnte man den Eindruck gewinnen, es gebe sie gerade irgendwo super-günstig im Angebot: Fußgänger-Hängebrücken. Regelmäßig erreicht einen die Nachricht, dass an einem x-beliebigen Flecken dieser Erde eine neue Hängebrücke geplant, gebaut oder eröffnet wird.

Ein Merkmal wird dabei stets bevorzugt betont: das weltweit Einzigartige. Am Wochenende erst soll im Harz die längste Seilhängebrücke der Welt eröffnet worden sein. Medienberichten zufolge kamen Tausende Besucher am Eröffnungstag zur Rappbodetalsperre bei Elbingrode.

Was diese Harzer Hängerbrücke laut den Investoren so einzigartig macht? Das Stück Brücke, das frei in der Luft hängt, ist demnach 458 Meter lang, die Gesamtlänge beträgt 483 Meter. Die Seilhängebrücke verläuft in rund 100 Metern Höhe parallel zur 415 Meter langen Krone der Talsperre. Die Staumauer soll mit 106 Metern Höhe übrigens die höchste Deutschlands sein.

Die Harzer wollen mit ihrem Projekt dem bisherigen Rekordinhaber, der russische Olympia-Stadt Sotschi, den Titel abspenstig gemacht haben. Sotschi kann nur 439 Meter aufweisen. So ein Pech aber auch. Vom österreichischen Reute, möglicherweise Vorbild aller Hängenbrückenbauer jüngerer Zeit, spricht eh bald niemand mehr – mit geradezu kümmerlichen 406 Meter Länge ist sie auch nicht mehr der Rede Wert.

Auch in der Schweiz sind sie fleißig: Oberhalb von Randa im Kanton Wallis soll demnächst mit dem Bau der längsten alpinen Fußgänger-Hängebrücke begonnen werden. In diesem Sommer soll die 444 Meter lange Brücke für Wanderer eröffnet werden.

Einen bestimmten Titel kann man Rottweil sowieso nicht entreißen

Sie ersetzt eine vor sieben Jahren zerstörte Talüberquerung und macht den Europaweg zwischen Grächen und Zermatt wieder an einem Stück gangbar. Eine weitere Besonderheit: Sponsoren ermöglichen das Projekt, das mit 750 000 Schweizer Franken (ungefähr 815 000 Euro) veranschlagt ist.

Nicht zu vergessen die Türkei. Dort hat vor wenigen Wochen der türkische Allmachtspräsident den Bau der wirklich, wirklich allerlängsten Hängebrücke über den Dardanellen verkündet. Mit mehr als 2000 Metern soll sie die Meerenge überspannen und Europa mit Asien verbinden. Dort werden dann aber auch mindestens Autos verkehren, für ein kurzes Spaziergangvergnügen ist dieses Bauwerk nicht sonderlich geeignet.

Freilich können Bürger Rottweils, vor allem jene, die die neuen Entwicklungen in der Stadt mit offenen Armen empfangen, nur müde lächeln: 606 Meter – das ist das Maß aller Dinge, wenngleich nicht an einem Stück frei schwebend und wenngleich die Brücke (vorerst zumindest) auf einem Felsen Halt macht. Der Sprung hinüber auf das Berner Feld scheitert bislang an noch nicht zu Ende gebrachten Grundstücksverhandlungen zwischen Investor und Grundstücksbesitzer.

Doch das ist laut Roland Haag, dem Projektleiter der "Neckar-Line" , zu vernachlässigen. Er verspricht ein einmaliges Erlebnis beim Überqueren der Rottweiler Brücke. Am Mittwoch finden weitere Abstimmungsgespräche mit der Stadtverwaltung statt. Wenn alles gut läuft, kann im Sommer nächsten Jahres mit dem Bau des Sechs-Millionen-Euro-Projekts begonnen werden. Haag rechnet mit einer Bauzeit von sechs Monaten. Dann ist die Rottweiler Brücke fertig.

Man kann davon ausgehen, dass das nicht das Ende der Weltrekordjagd sein wird. Sollten indes einmal alle erdenklichen Titel weg sein, die diese Welt an die Hängebrückenbauer zu vergeben hat, kann man den Wettbewerb erweitern: die Milchstraße könnte auch noch gut ein Brückenbauwerk gebrauchen, das das eine Ende mit dem anderen Ende verbindet – möglichst im Universum frei schwebend natürlich.

Ein bestimmter Titel kann dieser Stadt sowieso nicht genommen werden. Rottweil ist für ewige Zeiten die älteste Stadt in Baden-Württemberg. Wenigstens das.