Die Hängebrücke in Reutte. Foto: Schneider

Nachgefragt: Bürgermeister aus Tirol berichtet über seine Erfahrungen mit der Highline 179.

Rottweil - Wenn Luis Oberer eine E-Mail schreibt, dann schickt er Grüße aus der Marktgemeinde mit der längsten Hängebrücke der Welt nach "Tibet Style". Oberer ist Bürgermeister von Reutte in Tirol. Vorm Bürgerentscheid berichtet er im Interview von seinen Erfahrungen mit der Hängebrücke.

Herr Oberer, wie lebt es sich mit der längsten Hängebrücke der Welt im tibetischen Stil?

Mit der längsten Hängebrücke der Welt lebt es sich sehr gut. Bisher hatte Reutte das "Alleinstellungsmerkmal" Verkehr und Stau. Die Highline 179 hat uns ein neues positives Alleinstellungsmerkmal und damit Image gebracht. Reutte wird jetzt im In- und im Ausland mit der Hängebrücke verbunden.

Wie standen die Reuttener vor dem Bau zum Vorhaben: War die Begeisterung groß oder gab es Widerstand gegen das Projekt?

Ursprünglich war die Skepsis sehr groß unter dem Motto: Wozu brauchen wir so was? Den Befürwortern gelang es nicht in dem notwendigen Ausmaß, die Bevölkerung von den Vorzügen zu überzeugen. Es fehlten auch die Investoren. Die Marktgemeinde Reutte traute sich unter meinem Vorgänger politisch einfach nicht an eine Umsetzung. Damals war angedacht, dass die Gemeinde einen Großteil der Brücke finanzieren soll. Als dann bereits unter meiner Bürgermeisterschaft vier private Investoren auftauchten, die das ganze Projekt finanzieren wollten, hat sich die Stimmung geändert. Es gab zwar immer noch Gegner, aber der überwiegende Teil der Bevölkerung reagierte aus meiner Wahrnehmung heraus bereits positiv.

Gab es in Reutte ebenfalls einen Bürgerentscheid?

Nein, es gab keinen Bürgerentscheid. Es gab aber einen einstimmigen Beschluss des Gemeinderates. Zu Beginn verbanden die Investoren ihr Vorhaben auch mit einer Ausfallhaftung der Marktgemeinde Reutte und des Tourismusverbandes. Im schlimmsten Fall hätte die für uns je 25 000 Euro pro Jahr bedeutet. Auch dieser diesbezügliche Beschluss erfolgte im Gemeinderat einstimmig. Bei der Eröffnungsfeier hat der Investorensprecher Stefan Lochbihler gemeint, diese Zusage einer Ausfallhaftung unsererseits war für ihn wichtig, um die Unterstützung der Gemeinde und des Tourismusverbandes besser zu erkennen. Er überreichte mir dann ein Schriftstück, wo er den Verzicht auf die Ausfallhaftung schriftlich erklärte.

Anlässlich des Baus der Hängebrücke hatten Sie gesagt: "Was der schiefe Turm für Pisa ist, wird künftig die Hängebrücke für Reutte sein. Aus meiner Sicht ist dies der Einstieg in eine neue touristische Dimension für die gesamte Region." Hat sich diese Erwartung bestätigt?

Diese Erwartung bestätigt sich mit jedem Tage mehr. Es ist natürlich in erster Linie der Tages- und Ausflugstourist, der die Brücke erleben möchte. Bei ihrem Besuch bekommen die Gäste aber auch einen Einblick in die Region, besuchen die Einrichtungen des Burgenensembles, den Ort Reutte, den Naturpark Lech oder beispielsweise die Alpentherme Ehrenberg in Reutte. Das Burgenensemble Ehrenberg, in dem sich die Hängebrücke befindet, kann sich wirtschaftlich zusehends selbst finanzieren und für die Gemeinde Reutte als Eigentümer des gesamten Bereiches werden dadurch die finanziellen Belastungen wesentlich geringer. Es gibt natürlich auch immer mehr Hängebrückenbesucher, die durch ihre Erfahrung auch für einen Urlaub in der Region angeregt werden.

Wie viele Besucher kommen täglich im Durchschnitt?

Der beste Besuch an einem Tag lag bei 2400 Besuchern. Insgesamt sind es im Jahr weit mehr als 100 000. Bitte haben sie Verständnis, dass ich bei einem privaten Besitzer keine genauen Zahlen bekannt geben werde.

Ein Kritikpunkt in Rottweil ist, dass die Brücke das Landschaftsbild im Neckartal und die Stadtansicht stark beeinflussen wird, und dies negativ. Auch in Reutte gibt es rund um die Hängebrücke viel Natur. Passt sie dennoch ins Bild oder halten viele Bürger sie für einen "Störenfried"?

Interessanterweise war das bei uns nie ein Thema. Im Gegenteil. Die Hängebrücke ist in Verbindung mit der umliegenden Natur zu einem beliebten Fotomotiv geworden. Die Brücke ist das friedliche Verbindungselement zwischen zwei Burganlagen und fügt sich sehr gut in die Landschaft ein. Ich habe diesbezüglich keine negativen Meinungen aus der Bevölkerung gehört.

Anders als in Rottweil geplant, liegt die Reutter Brücke außerhalb der Stadt. Kommen dennoch mehr Besucher in die Stadt?

Am Anfang ging es schleppend, da der Abstand gut drei Kilometer ausmacht und zu Fuß doch vielen zu weit ist. Aber mittlerweile bekomme ich von den Gastwirten und von der Kaufmannschaft zunehmend positive Signale, dass immer mehr Besucher der Hängebrücke auch den Ort beleben. Außerdem arbeiten wir derzeit an einem Umsetzungskonzept wie der Markt Reutte noch mehr von den Hängebrückenbesuchern profitieren kann.

In Rottweil dürften die Parkplätze nicht ausreichen, sollten sich die Erwartungen an die Besucherzahlen erfüllen. Musste auch Reutte die Infrastruktur verbessern?

Ja, wir haben rund 200 zusätzliche Parkplätze geschaffen. Es stehen derzeit rund 400 Parkplätze zur Verfügung. Die Parkraumbewirtschaftung erfolgt durch den Burgenverein, der diese Erweiterung daraus auch finanziert hat.

Was musste infolge der Brücke noch alles gebaut werden, und wie viel hat Reutte investiert?

Wie erwähnt Verbesserung des Parkplatzangebotes. Da oder dort die Errichtung von Steinschlagschutz, die Verbreitung des Zugangsweges, die Errichtung eines "Foto shooting points" mit Blick auf den Talkessel von Reutte und die umliegende Bergwelt. Im Zuge des größeren Besucherandranges war es auch notwendig, das Gastro- und Zimmerangebot zu erweitern.

Haben sich diese Ausgaben gelohnt?

Das hat sich auf jeden Fall gelohnt und lohnt sich mit jeden Tag mehr. Durch die Hängebrücke hat nicht nur das Burgenensemble Ehrenberg einen enorme Aufwertung erfahren, sondern zusehends auch die ganze Region.

Wie stehen die Bürger heute zur Hängebrücke?

Die Bürger sind stolz auf "ihre" Hängebrücke und machen fleißig Werbung für den "Blick mit Kick" von der Highline 179. Bei Verwandtschaftsbesuchen oder Besuch von auswärtigen Freunden gehört mittlerweile ein Hängebrückenbesuch verpflichtend dazu. Die Hängebrücke ist zu einem beliebten und wichtigen Anziehungspunkt für die gesamte Region geworden.