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Flüchtlingskrise: Landratsamt und Kommunen regeln die Verteilung untereinander lieber vertraulich. Intensive Diskussion.

Kreis Rottweil - Grün und Rot kennzeichnen die Asylpolitik im Kreis. Grün bedeutet, dass eine Kommune mehr Flüchtlinge aufnimmt, als sie müsste, Rot das Gegenteil. Wie sich die beiden Farben im Einzelnen kreisweit verteilen, bleibt jedoch geheim.

Es gibt sie. Eine Tabelle, die abbildet, wie viele Flüchtlinge und Asylsuchenden die einzelnen Gemeinden aufzunehmen haben und wie viele Plätze belegt sind. Auf einen Blick ist ersichtlich, wer in Sachen Willkommenskultur glänzend dasteht und wer an seiner Performance noch feilen muss. Der Verteilschlüssel orientiert sich an der Einwohnerzahl: Eine große Stadt muss mehr Flüchtlinge aufnehmen als ein kleines Dorf.

Diese Tabelle gibt es für den Landkreis Tuttlingen, die Daten hat die dortige Kreisbehörde öffentlich zur Verfügung gestellt. Für den Landkreis Rottweil gibt es so etwas auch. Doch die Formenlehre, die maßgeblich für die Flüchtlingspolitik ist, wird als Verschlusssache behandelt. Der Grund: Das Landratsamt will eine Aufrechnerei unter den Bürgermeistern im Kreis unbedingt vermeiden.

Grundlage ist ein Solidarpakt aus dem Jahr 2013. Damals vereinbarten die Verwaltungschefs und die Kreisbehörde, nach dem Motto "einer für alle und alle für einen" Asylbewerber auf die Kommunen zu verteilen. Solidarisch, freiwillig und ohne Aufsehen zu erregen, wollte man so den Gestrandeten und vor Krieg und Elend flüchtenden Menschen ein Dach über dem Kopf sichern.

Weiteres Kernelement dieses Paktes: Man wollte und will weiterhin unbedingt vermeiden, die notleidenden Menschen in Massenquartieren wie Turnhallen unterzubringen. Dezentrale Unterbringungen lautet die Devise. Das sichert den sozialen Frieden. So skizziert Bernd Hamann vom Landratsamt die damalige Situation und interkommunale Übereinkunft. Hamann ist Leiter des Dezernats Soziales, Jugend und Versorgung und für die Unterbringung der Flüchtlinge im Kreis Rottweil verantwortlich.

Seitdem der Pakt beschlossen wurde, hat sich die Erde weitere Male gedreht und droht immer mehr aus den Fugen zu geraten. Mit der Folge, dass die Flüchtlingsströme mit dem Ziel Westeuropa und vor allem Deutschland zunehmen. Noch im Juli ging man von 50 Flüchtlingen im Monat aus, inzwischen sind es 350. Damit nimmt der Druck auf die Gemeinden zu, den grünen Bereich zu sichern. Ein grünes Zeichen auf dem vertraulichen Papier bedeutet: Diese Gemeinde steht gut da, hat ihr Soll erfüllt, Rot: Hier müsste nachgebessert werden. Manche tun sich schwer damit, den roten Bereich zu verlassen.

Mitunter sorgt das für Spannungen und einen intensiven Austausch unter den Bürgermeistern, um es diplomatisch zu formulieren. Anders ausgedrückt: Mancher Schultes oder Oberbürgermeister tut sich zusehends schwer damit, wenn Kollegen aus dem nachbarschaftlichen Umfeld ihrer Verpflichtung nicht nachkommen und dies nach dem Dafürhalten der Beobachter auch nicht mit letzter Konsequenz versuchen.

Das sorgt für eine gereizte Stimmung. Bei den regelmäßigen Treffen soll es schon zu Situationen gekommen sein, da drohten die einen den anderen mit der Preisgabe dieser geheimen Daten, um so die schwarzen Schafe unter den Gemeinden an den Pranger zu stellen.

Hamann kann da nur warnen. Dies sei das Ende des Solidarpakts und das Ende des bislang gut funktionierenden Weges, der im Kreis Rottweil eingeschlagen worden sei. Bislang mit Erfolg. Der Landkreis, merkt der Sozialdezernent an, sei einer der wenigen, der noch nicht auf Turn- und Sporthallen zurückgreifen müsse.

Ein heikles Thema. Die beiden kreiseigenen Sporthallen. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass es jetzt soweit sei, dass Flüchtlinge untergebracht würden, dass Schul- und Vereinssport nun den Kürzeren zögen. Hamann kennt diese Gerüchte. Doch es ist nicht soweit. In diesem Jahr, so die Prognose, müssten die kreiseigenen Sporthallen nicht zur Verfügung gestellt werden.

Das liegt auch daran, dass es in einigen Städten und Gemeinden sehr gut läuft. Schramberg und Rottweil etwa, die ein sattes Grün in der Tabelle von Hamann aufweisen dürften. Rottweil beispielsweise schafft aufgrund konzertierter Aktionen von Privatleuten, Stadt- und Kreisverwaltung, Landesregierung sowie dem Vinzenz-von-Paul-Hospital Platz für rund 150 Frauen und Jugendliche, die besonders unter dem Terror in ihren Heimatländern zu leiden hatten. Weitere Plätze kommen dazu, andere Gemeinden handeln ähnlich vorausschauend.

Doch da ist immer auch der Blick nach rechts und links, der Blick auf die roten Bereich auf der Landkarte. Oberbürgermeister Ralf Broß hat bereits vor Wochen bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Freien Wählern in Rottweil und mit Landrat Wolf-Rüdiger Michel gefordert, dass alle Kommunen sich anstrengen müssten. In diesen Tagen hat er auf einer anderen Veranstaltung in seiner Heimatstadt an den Solidargedanken seiner Bürgermeisterkollegen appelliert.

Hamann und sein Chef, Landrat Michel, kennen die Auseinandersetzung, die mit der zunehmenden Zahl an Asylsuchenden zunehmen dürfte. Beide führen mit ihren Schäfchen zuweilen "intensive Gespräche". Dazu ist in der kommenden Woche wieder Gelegenheit, wenn sich der so genannte Bürgermeistersprengel trifft und über grüne und rote Zeichen den Kopf zerbricht. Hamann indes ist und bleibt Optimist: "Bislang funktioniert’s", weshalb er diesen Weg, den vertraulichen, weiter gehen möchte. So soll eine öffentliche Auseinandersetzung um Zahlen und gegenseitige Schuldzuweisungen vermieden werden.