Coronavirus: Rottweiler Zimmertheater fürchtet ein finanzielles Fiasko / Neue Saison muss parallel geplant werden
Die Bühne und der Zuschauerraum sind wie leer gefegt. Wo vorher Wort, Gestik und Mimik zu Schauspielkunst verschmolzen, ist es totenstill. Die Corona-Krise trifft auch das Rottweiler Zimmertheater – vor allem aber finanziell.
Rottweil. "The show must go on" – das ist aktuell aber schwierig, insbesondere was Proben und Aufführungen angeht. Mit der Schließung von kulturellen Einrichtungen und dem Veranstaltungsverbot ist auch das Zimmertheater kaltgestellt.
Genug zu tun hat Intendantin und Geschäftsführerin Bettina Schültke trotzdem. Sie nutzt die proben- und aufführungsfreie Zeit für administrative Aufgaben. "Bürokratischen Irrsinn" nennt sie die zahlreichen Abrechnungen und Finanzberichte, die sie erstellen muss. Insbesondere bei den Projekten, die bezuschusst werden, muss jede Quittung – und sei sie auch nur über 99 Cent – erfasst, beschriftet und eingepflegt werden. Oft ist es mehr als ein Aktenordner pro Projekt. "So etwas kann kleinen Theatern schon einmal den Hals brechen", weiß sie.
Mehr Bauchschmerzen bereitet ihr jedoch die Hängepartie, in der man nun steckt. So hat die Stadt verordnet, dass alle Veranstaltungen bis 15. Juni ausfallen müssen. Nun bangt die Intendanz um das beliebte Sommertheater, das nicht nur Zuschauer aus der ganzen Region anzieht, sondern auch viel Geld in die Kassen spült.
Aktuelles Stück pausiert
Die Premiere wäre am 16. Juli. Mit Proben müsste man aber spätestens am 2. Juni beginnen, so Schültke. Zudem sind bereits Verabredungen mit Schauspielern und Dienstleistern getroffen worden. Dass Schültke in diesem Jahr ein wenig spät dran ist mit den Verträgen für die neue Spielzeit, könnte sich nun als weise Voraussicht entpuppen, sollte das Sommertheater ins Wasser fallen. Auch ein neuer Termin sei nur schwer zu planen. "Wir wissen ja nicht, wann es überhaupt weitergehen kann."
Parallel muss das Spielzeitheft für die neue Theatersaison fertiggestellt werden. "Es fühlt sich seltsam an, schon weiter zu planen, wenn man nicht einmal weiß, ob das Sommertheater überhaupt stattfinden kann", meint Schültke.
Das aktuelle Stück "Die bessere Hälfte… der Familie", das am 6. März Premiere gefeiert hat, muss nach wenigen Aufführungen pausieren. Bei der Premiere bot Corona noch keinen Anlass für Besorgnis bei den Gästen. "Aber schon beim zweiten Termin haben viele Bürger besorgt bei uns angerufen und nachgefragt, ob die Veranstaltung überhaupt stattfindet".
Nun ist das Stück für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Die Schauspieler erhalten dennoch weiter ihr Gehalt. Für das Zimmertheater ist das finanziell problematisch, für die Schauspieler wichtig, da Existenzen an dem Projekt hängen.
Dass das Stück gerade an diesem Punkt abgebrochen werden musste, ist besonders ärgerlich, denn oftmals entwickeln sich die Kartenverkäufe besser, je später die Aufführung ist. "Viele warten, bis die Kritiken veröffentlicht sind und ob Freunde das Stück weiterempfehlen. In Rottweil läuft einiges über Mundpropaganda", weiß Schültke aus Erfahrung. Nicht umsonst ist die Intendanz vor einer Premiere stets auf dem Wochenmarkt präsent, um Werbung zu machen.
Zudem steigere sich die Qualität von Auftritt zu Auftritt, weil die Schauspieler immer mehr Übung bekämen.
Finanzielle Lage kritisch
Insgesamt 14 Mal sollte "Die bessere Hälfte" aufgeführt werden. "Wenn wir irgendwann wieder starten dürfen, wird es schwer, das Stück wieder ans Publikum zu bekommen", befürchtet Schültke. Ein weiteres Problem ist der eng gestrickte Zeitplan der Schauspieler. Diese planen meist so, dass sie nach Ende der einen Aufführung bereits ein anderes Engagement haben. "Die Frage ist also auch, ob man zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal alle zusammen auf die Bühne bekommt. Vor allem bei einem eigenen Stück, in dem so viel Herzblut steckt, wäre es schlimm, wenn es in der Versenkung verschwinden würde." Auch für den Jugendclub sei es sehr schade, da dieser gerade sein Stück gefunden hatte.
Zugleich fürchtet die Intendanz um die zugesagte Förderung über mehr als 30 000 Euro. "Allein der Antrag hat viel Zeit gekostet. Dieses Geld zu verlieren, wäre eine Katastrophe." Unklarheit herrscht beim Thema Kurzarbeit und Hilfsfonds für die Theater.
Erst vergangenes Jahr wurde das Zimmertheater vom Landesrechnungshof angewiesen, die Rücklagen abzubauen. "Das Geld hätten wir nun gut gebrauchen können". Wenn nun das Sommertheater – ein Projekt mit einem Volumen von 90 000 Euro – ins Wasser fallen sollte, gleiche das einem finanziellen Fiasko. Bei kleinen Theatern wie diesem drohe im schlimmsten Fall sogar die Insolvenz.